
Jochen Pläcking:
Mercedes-Pitch: "Die Anmaßung der Agenturen ist unerträglich"
Ein Pitch ohne Agenturentscheidung, ein spektakulärer Neustart und viele verletzte Werber: Der Mercedes-Etat ist für die Branche immer noch Thema Nummer eins. In der aufgeregten Debatte meldet sich jetzt Jochen Pläcking zu Wort, der Elder Statesman der deutschen Autowerbung. Er kennt beide Seiten - und hat eine klare Meinung zum Verhältnis von Kunde und Agentur.
Ein Pitch ohne Agenturentscheidung, ein spektakulärer Neustart und viele verletzte Werber: Der Mercedes-Etat ist für die Branche immer noch Thema Nummer eins. In der aufgeregten Debatte meldet sich jetzt Jochen Pläcking* zu Wort, der Elder Statesman der deutschen Autowerbung. Er kennt beide Seiten - und hat eine sehr klare Meinung.
André, Mercedes und Tonio
von Jochen Pläcking
Ich bin gebeten worden, aus dem Ruhestand (ich bin jetzt Olivenbauer in Italien) ein paar Anmerkungen zum Aufreger des vegangenen Jahres zu machen. Also bin ich vom Baum geklettert, um etwas zu kommentieren, das mal Teil meines Lebens war, jetzt aber meilenweit hinter mir liegt. Trotzdem will ich es versuchen, obwohl mein Wissensstand zu dem Thema sehr rudimentär ist. Aber ich kenne alle Beteiligten gut.
Also - soweit ich das alles richtig verstanden habe, hat Daimler voriges Jahr seine Agentursituation für den Etat der Mercedes-Benz-Pkw-Werbung überprüft.
Man ist sehr professionell vorgegangen und hat sich der Dienste von Cherrypicker bedient, die für mich eine absolut diskrete, integre und gewissenhafte Arbeit abliefern.
Drei Agenturen wurden ausgewählt für den Pitch: der Etathalter Jung von Matt, klar; BBDO, auch klar, da Daimler-Agentur für viele Märkte, Marken und Themen, sowie Heimat, die heißeste Adresse in Deutschland zur Zeit, wie weiland Springer & Jacoby. Hätte ich auch so gemacht.
Davor lagen, wie ich Cherrypicker-Chef Oliver Klein kenne, diverse Screenings des Marktes, kreativ und konventionell, verdeckt und offen.
Es wurden Briefings durchgeführt und Rebriefings, das ganze Programm rauf und runter.
Dann kam der Pitch - und oh Wunder: Am Ende kam keine Kampagne und keine Agentur dabei heraus. Denn es gab die Agentur offensichtlich nicht, die man suchte. Was macht man dann?
Man muss eine neue Agentur schaffen, wenn es keine gibt. Sich eine neue backen.
Und so kamen Tonio Kröger und André Kemper ins Spiel. Beide waren bei Springer & Jacoby. Tonio war lange Zeit Key-Accounter auf dem Mercedes-Etat, bis er Leiter der Marketing-Kommunikation in der Mercedes-Benz Vertriebsorganisation Deutschland wurde. Danach ist er Agenturchef DDB. Bis heute. Riesige Auto-Erfahrung auf Agenturseite und auf Kundenseite.
Kempi war nach Konstantin Jacoby Kreativchef von Springer & Jacoby. Gründete dann Kempertrautmann beziehungsweise Thjnk und ist jetzt Opel-Guru.
Beide haben zigfach bewiesen, dass sie den Job können. Der Kunde Mercedes kennt sie gut und sie kennen den Kunden. Jeder weiß, auf was er sich einlässt.
Also, wenn ich mir schon eine Agentur backen müsste, dann würde ich das auch mit diesen beiden machen. Insofern für mich alles keine Überraschung.
Was mich an der Reaktion der Agenturszene furchtbar ärgert, ist die Arroganz, dass man hinter alldem ein Komplott vermutet.
Ich finde es unerträglich, dass Agenturen sich anmaßen, über die Entscheidung eines Unternehmens und zweier seriöser Vollprofis so zu urteilen, nur weil hier etwas anders gelaufen ist, als man es kennt. Es gibt keine Garantie, einen Pitch zu gewinnen, und es gibt keine Automatik, dass bei einem Pitch immer eine Agentur gefunden wird. Bei Architekturwettbewerben ist so etwas oft der Fall. Und da regt sich keiner auf.
Also, liebe Agenturleute, ihr seid Dienstleister und nichts anderes. Überlasst die Verschwörungstheorien wem auch immer. Hier sind sie einfach nur dumm.
So, und nun kletter ich wieder auf meinen Baum.
* Jochen Pläcking war 20 Jahre lang kreativer Berater in Werbeagenturen, wechselte als CD Text auf den Stuhl des Marketingleiters von Fiat und wurde dort Kunde des Jahres des ADC. Anschließend ging er zu Mercedes als Chef Marketing-Kommunikation Pkw weltweit. Er wurde zum zweiten Mal Kunde des Jahres. Danach wurde er Chef der DDB Group Germany, 2005 machte er sich selbstständig als Markenberater. Tonio Kröger und André Kemper kennt er aus seiner aktiven Zeit bei Mercedes, Kröger wurde sein Nachfolger bei DDB. Oliver Klein kennt er aus der gemeinsamen Vorstandsarbeit beim Kommunikationsverband.