
Insolvenz:
Mirko Lange: "Wir haben mit Talkabout den Sprung zu einer großen Agentur nicht geschafft"
Mirko Lange ist mit der Insolvenz seiner Social-Media-Agentur Talkabout Communications in die Kritik geraten. Im Interview mit W&V Online nimmt er Stellung und erklärt, woran er seiner Meinung nach gescheitert ist.
Mirko Lange ist mit der Insolvenz seiner Social-Media-Agentur Talkabout Communications in die Kritik geraten. Weniger wegen der Insolvenz an sich, sondern aufgrund des Zeitpunkts und der Art und Weise, wie er dies seinen Mitarbeitern gegenüber kommuniziert hat. In den Kommentaren zum Artikel auf W&V Online hat er sich bereits dafür entschuldigt, dass er seine Mitarbeiter aus dem Urlaub heraus über die Insolvenz informiert hat. Ein weiterer Vorwurf einiger Kommentierender und ehemaliger Mitarbeiter lautet, die Gehälter seien schon länger nicht mehr pünktlich bezahlt worden. Im Interview mit W&V Online nimmt Lange nun dazu Stellung und erklärt, woran er seiner Meinung nach gescheitert ist. Lange wechselt als "Strategic Advisor Social Media" zu Havas Worldwide Germany.
Herr Lange, wir haben mit ehemaligen Mitarbeitern gesprochen, und die haben Vorwürfe gegen Sie erhoben. Vor allem war wiederholt zu hören, dass die Gehälter nicht immer rechtzeitig gezahlt wurden.
Ja, das ist leider zutreffend.
Woran lag das?
Der Grund hierfür waren jeweils Liquiditätsengpässe.
Nicht alle Mitarbeiter schieden im Guten aus…
Das ist leider wahr und ich hätte es mir wie jeder andere auch anders gewünscht.
Stimmt es, dass sogar die Schlösser nach dem Weggang einer Mitarbeiterin ausgetauscht wurden?
Ja, das kam tatsächlich bei einem Fall vor. Hier sind wir alleine schon aufgrund des Datenschutzes dazu verpflichtet gewesen, die Zugangsbeschränkung zu unseren Agenturräumen zu sichern. Hier lag allerdings ein besonderer Fall vor, der mit persönlichen Differenzen nichts zu tun hatte.
Sie sollen in der Agentur eine familiäre Atmosphäre gewollt haben.
Das ist richtig. Wobei es "familiär" alleine nicht trifft. Mir liegt sehr viel an einer Kultur ohne formale Hierarchien und mit hoher Eigenverantwortung jedes einzelnen Mitarbeiters.
Bei dem Thema Geld sollen Sie aber intransparent geblieben sein und nicht offen kommuniziert haben, warum das Gehalt später kam und wann die Mitarbeiter damit rechnen konnten.
Wir haben die Mitarbeiter immer über die allgemeine Situation informiert, also auch, wenn Kunden weggefallen sind, Projekte nicht fristgerecht fertiggestellt worden sind oder Zahlungen verspätet kamen oder ähnliches. Das war Teil des Wochenmeetings. Und ich habe jedem angeboten, bei Engpässen sofort zu mir zu kommen, damit ich persönliche Betroffenheiten individuell berücksichtigen kann. Richtig ist aber wohl auch, dass wir nicht immer und nicht für jeden klar genug deutlich gemacht haben, dass es bei Ausfällen oder Verzögerungen von Zahlungen unserer Kunden auch zu einer Verzögerung bei der Lohnzahlung kommen kann. Die Kritik war berechtigt und wir haben daraus gelernt.
Gibt der Markt für Social Media Agenturen vielleicht einfach nicht genug her, dass man eine ganze Agentur mit ihren Mitarbeitern damit halten kann?
Nach meiner Wahrnehmung sind die Geschäftsmodelle sehr heterogen. Sie reichen von spezialisierten Einzel-Beratungen über überwiegend technisch orientierte Dienstleister bis hin zu größeren Kommunikations-Agenturen, die Social Media in den Kommunikationsmix mit einbringen. Nach meiner Einschätzung werden Einzelberatungen künftig stark in freien Netzwerken arbeiten und weniger einen Agenturcharakter haben. Für die anderen beiden Gruppen ist aber das Agenturmodell weiterhin gut geeignet und ja auch sichtbarer Wachstumstreiber.
Und woran sind Sie gescheitert?
Wir haben mit Talkabout lange versucht, den Sprung zu einer "großen Agentur" zu schaffen, sind aber im Niemandsland von rund 15 Mitarbeitern hängen geblieben – also zu groß für eine "kleine Einheit" aber zu klein für eine "große Agentur". Das ist eine schwierige Agenturgröße. Vor allem haben wir sehr viel investiert, um den Markt für ein ganz bestimmtes Feld innerhalb von Social Media "zu machen". Nämlich die strategische Implementierung von Social Media als Querschnittsfunktion. Dieser Markt ist allerdings noch recht klein. Trotz vieler Gespräche, vorbereitender Workshops, sehr gutem Feedback und auch einigen Zusagen waren die konkreten Aufträge dann nicht ausreichend, um den Sprung hin zu einer großen Agentur zu bewerkstelligen. Deswegen jetzt quasi auch der Sprung zurück: Zu einer kleinen Einheit in einem starken Netzwerk. Hierfür ist mehr als genug Arbeit.
Die Unternehmen haben ja vielfach inzwischen eigene Experten auf diesem Gebiet.
Ja, das ist richtig. Aber das gilt in allen Gebieten: Recht, HR, PR, Marketing, Vertrieb, Events, Direkt-Marketing usw. usw. Trotzdem haben externe Berater und Dienstleister eine wichtige Funktion. Sie bringen eine externe Perspektive ein, können fehlende Kompetenzen gezielt auffüllen und Ressourcenengpässe abfangen. Zudem können externe Berater taktisch eingesetzt werden, um interne Entscheidungen zu beschleunigen. Man muss aber beachten, dass sich der Markt der Kommunikationsdienstleister stark verändert. Denn gerade in Social Media ist Outsourcing nur bedingt sinnvoll. Wesentliche Leistungen müssen hier inhouse erbracht werden, um die von der Zielgruppe gewünschte Authentizität des Dialoges zu sichern.
Einige Kritiker sagen, Sie könnten super Interviews geben und sich selbst darstellen, Sie kümmerten sich aber zu wenig um Business.
Den Markt mit Thesen, Präsentationen und Postings – manchmal auch provokant – voranzutreiben ist ein wichtiger Teil meines Verständnisses von Business. Das wird auch in Zukunft so bleiben.