
Kolumne Markenlage:
Mister Ben's – gelingt immer und klebt nicht!
Kolumnist Mike Kleiß findet: Der Abschied von "Uncle Ben's" geht völlig in Ordnung. Aber Markenpflege kann auch anders gehen. Weniger aufgeregt. Modern, emphatisch, respektvoll und sensibel.

Foto: Peter Palm Photography
Mein Vater hat in Marburg studiert. Er ist auf die Strasse gegangen, um gewaltlos gegen den Vietnamkrieg zu demonstrieren, dafür wurde er von der Polizei verprügelt. Er war Teil der 68er Bewegung, diese begann in den USA mit der Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner und setzte sich im Protest gegen den Vietnamkrieg fort. Jahre zuvor entdeckte Vater im zarten Alter von 10 Jahren den Jazz für sich. Zunächst lernte er Klarinette, doch das Saxophon war am Ende genau sein Ding. Er spielte mit Schwarzen in einer Jazz-Band, riss von Zuhause aus, um mit seinen Brüdern in Nachtclubs in Südfrankreich zu touren. Für Dad gab es kein Schwarz und kein Weiß. Für Vater gab es den Jazz. Die Musik. Die Menschen. Und so erzog er mich. Bis heute bin ich ihm dankbar dafür.
Wie es bei Vätern so ist, haben sie ihre Lieblingsgeschichten, die sie immer und immer wieder erzählen. Dads liebste Story geht so: „Mike war ungefähr drei oder vier Jahre alt. Meine Schulkameradin Almut lebte seit Jahren in den USA und hatte Joe geheiratet. In unserer Kleinstadt ein totaler Skandal. Tochter aus gutem Hause heiratete einen Schwarzen! Ging gar nicht. Almut und Joe kamen zu Besuch. Wir trafen sie in der Stadt. Ich hatte Almut lange nicht gesehen, so unterhielten wir uns eine Weile. Mike sagte die ganze Zeit nichts. Das war ungewöhnlich für ihn. Er schaute die ganze Zeit Joe an. „Was ist, Mike?“, fragte ich. „Was ist denn?“ Wieder und wieder fragte ich. Nichts. Er starrte weiterhin Joe an. Und sehr sehr langsam kam eine Frage über Mikes Lippen, die er Joe stellte: „Hast...hast...hast Du Schokolade gegessen?“. Ich versank als Vater in Grund und Boden vor Scham. Joe nahm es cool. Er lachte. Und lachte.“
Es war das erste Mal, dass ich einen Schwarzen gesehen hatte. Und heute bin ich unglaublich glücklich, dass mein Vater mir die Kultur und die Geschichte der Afroamerikaner nahe brachte. Und ich bin Joe für sein Lachen dankbar. Und seine Güte. Denn alles das führte dazu, dass in mir Rassismus keine Chance hatte. Zu keiner Zeit. Vielleicht ist das der Grund, warum ich die Entscheidung von Mars nicht verstehe, das Logo ihres Uncle Ben's Reis verschwinden zu lassen. Im Gegenteil, ich finde es verstörend.
Ich bin mit Uncle Ben's Reis aufgewachsen. „Gelingt immer und klebt nicht“, dieser Slogan und der freundlich grinsende Uncle Ben begleiteten meine Kindheit. Und bis heute erfüllt mich ein warmes Gefühl, wenn ich zu der orangenen Packung greife. Sofort denke ich an eine Gabel, von der locker der Reis herunterfällt. So geht es ganz sicher Generationen. Der Tod von George Floyd hat die Rassismus-Debatte neu entfacht, und das ist gut so. Solange Schwarze weiterhin diskriminiert und gar wegen ihrer Hautfarbe getötet werden, solange muss auf die Barrikaden gegangen werden. Uncle Ben jedoch deshalb als Markenbild aufzugeben, das ist genau das falsche Signal. Uncle Ben hat seine Schuldigkeit getan, über Jahrzehnte war er gut, nun lässt man ihn – vielleicht weil es durch die aktuellen Diskussionen zu heiß wird – einfach fallen. Mit Verlaub: Ich finde das ist einfach nur feige. Ich hätte Mars durchaus mehr zugetraut.
Gut, den „Uncle“ aufzugeben, einen Begriff der durch die Sklaverei geprägt wurde, das mag schlüssig und irgendwie zeitgemäß sein. Am Rande: Ausgerechnet der Bürgerrechtler Malcom X nannte Martin Luther King regelmässig „Uncle Tom“, weil dieser ausschliesslich friedlich gegen die Rassentrennung vorging. Dennoch: Das „Uncle“ zu streichen, kann man machen. Uncle Ben aber komplett zu entfernen, das ist schon ein bisschen schäbig.
Warum steht Mars nicht zu einem schwarzen Markenbotschafter? Das ist respektlos. Das zeigt wenig Haltung. Denn es gäbe eine so einfache und moderne Lösung. Zudem eine kluge Art der Weiterentwicklung, der Markenpflege. „Mister Ben's Reis“ hätte ich so gerne weiter gekauft. Mit der richtigen, unaufgeregten, begleitenden Kampagne dazu, hätte ich Mars hart gefeiert. Und mich sogar noch wohler beim Einkaufen gefühlt. Mars hat eine große Chance vertan. Für die Marke. Und für eine moderne Form des Anti-Rassismus.