
Satire:
Mittelalterliche Pharma-Werbung oder: So könnte eine Orthomol-Kampagne entstanden sein
Dirk Rothmund ist Texter, Effie-Gewinner und Blogger in Hamburg. Orthomol ist eine Pharma-Marke aus Langenfeld bei Düsseldorf. Wenn beide beim abendlichen Schaufensterbummel aufeinandertreffen, kann daraus ein Stück Branchensatire werden. W&V Online dokumentiert, wie man sich die Entstehung einer Pharma-Kampagne vorstellen könnte.
Dirk Rothmund ist Texter, Effie-Gewinner und Blogger in Hamburg. Orthomol ist eine Pharma-Marke aus Langenfeld bei Düsseldorf. Wenn beide beim abendlichen Schaufensterbummel aufeinandertreffen, kann daraus ein Stück Branchensatire werden. W&V Online dokumentiert, wie man sich die Entstehung einer Pharma-Kampagne vorstellen könnte.
In der Werberfantasie von Rothmund ("In der Pharmawerbung herrscht immer noch tiefstes Mittelalter") begann die Geschichte so:
"Die Pharmareklameagentur hat ihrem Kunden "Orthomol" erfolgreich die neue "Kampagne" verkauft. (Orthomol ist ein Nahrungsergänzungsmittel zur Stärkung der Abwehrkräfte). Zunächst das Plakat: Mit subtiler 90er-jahre-Wortwitz-Headline, die zudem als Claim verkauft und doppelt berechnet wurde: ABWEHR. KRÄFTE. STÄRKEN.
Der Kunde ist begeistert und fragt: "Okay, super! Aber wie sieht jetzt die Zweitplatzierung aus - also die Schaufenstergestaltung der ausgesuchten Apotheken in Toplage? Hier brauchen wir einen echten Eye-Catcher, das muss riiiiiiichtig funzen."
Die Agentur zieht sich zwei Wochen zum Brainstorming zurück. dann die Idee von der Text-und-Strategie-Praktikantin: "Abwehr - und stärken. ... das kann man doch durch einen Ritter symbolisieren, der quasi alles tapfer abwehrt."
Agenturchef: "Suuuuper! ... das machen wir."
Kunde: "Freunde, denkt dran: das ganze darf nicht mehr als 1.000 Euro kosten!"
Etatdirektor der Agentur: "Okay. Pro Fenster."
Kunde: "Nein, nein, insgesamt. Für 50 bis 100 Schaufenster in ganz Deutschland."
Die Agentur zieht sich erneut für zehn Tage zurück. Dann wird ein Dekorateur gebucht und gebrieft. Nach fünf Stunden hat er alles zusammen: Ein Holzschwert, ein Holzschild, einen Morgenstern mit Plüschkopf (!), vier Plastikritterhelme aus dem Faschingsbedarf, noch ein Plastikschild (als Alternative zum Holzschild, je nach Design der Apotheke) und, um den Kern-USP "Abwehr" und "schützen" endgültig zu visualisieren, hat er im Baumarkt noch eine Rolle Taubengitter gekauft. Der Pharmakunde ist beeindruckt. Nur der Apotheker zeigt sich anfangs noch skeptisch. Erst als die Agentur ihm verspricht, dass er die Dekoelemente nach der "Kampagnen-Aktion" als Spielzeug für seine Kinder behalten darf, willigt auch er begeistert ein.
Fazit.
Materialkosten: insgesamt um die 35 Euro.
Dekokosten: eine Dekorateurstunde Acht Euro (cash auf die Hand!)
Agenturkosten: Brainstorming Kampagnenentwicklung: 6.000 Euro, Konzeption der Zweitplatzierung 8.000 Euro, Claim-Pauschale 4.000 Euro, Druck-Werbekostenerstellung, Recherche und Vor-Ort-Realsierung plus PR und Erstellung der Facebook-Gruppe "abwehr. kräfte. stärken": Noch mal 5.000 Euro.
Macht insgesamt: 23.000 Euro."
Anmerkung der Redaktion: In Wahrheit war natürlich alles ganz anders (s.u.).
Update (19.10.):
Kristina Streuff, PR-Managerin von Orthomol, hat übrigens ziemlich souverän reagiert. Mit ihrem Einverständnis veröffentlichen wir ihre folgende Mail an die Redaktion:
"Wir haben Ihren Beitrag für die Werben & Verkaufen Online vom 17. Oktober gelesen und mussten – wie sicherlich viele Ihrer Leser – schmunzeln. Die fotografisch dokumentierte Dekoration, die Sie so passend als mittelalterlich bezeichnen, wurde jedoch nicht von einer Agentur erdacht. Vielmehr hat sich eine Apotheke selbst Gedanken gemacht und ihre eigene Idee, wie man sein Immunsystem schützen kann, rund um unser Plakat zu Orthomol Immun® und die Produktpackungen alltagsnah umgesetzt.
Wir danken Ihnen herzlich für die Sorge um unsere budgetäre Situation. Dahingehend können wir Sie also beruhigen: Für das zitierte Beispiel wurden uns keine Kosten in Rechnung gestellt. Keine 23.000 Euro teure Agentur hat ein kreatives Apothekenteam gebraucht, um mit etwas Spielzeug und Phantasie das Thema starke Abwehr zu dekorieren. Wir von Orthomol sagen dazu: herzlichen Glückwunsch!
Wir freuen uns über kreativen Umgang mit unseren Produkten – und natürlich über die Berichterstattung dazu. Wenn Sie wieder einmal auf eine solch kreative Leistung einer Apotheke stoßen, senden Sie sie gern an uns weiter."