
Trend:
Muss Facebook das Trinkspiel #Neknomination stoppen?
#Neknomination spaltet das Netz. Die einen halten den aktuellen Trend, sich selbst beim Trinken eines Biers auf ex zu filmen, für harmlos, andere warnen vor Exzessen - zumal in Irland ein Jugendlicher dabei ums Leben gekommen sein soll.
Auf Facebook überschlagen sich Teenager mit waghalsigen Trinkaktionen, um die besten Aufnahmen für das neue Online-Spiel "Neknomination" zu machen - mit potenziell dramatischen Folgen. Angefangen hat der Trend wohl in Australien, und sich von dort rasend schnell auch bis nach Deutschland verbreitet. Tausende Videos zeigen meist junge Leute bei ungewöhnlichen Trinkaktionen: In schrägen Kostümen, auf dem Kopf stehend oder fünf Bierflaschen hintereinander wegkippend.
Sogar ein bayerischer Bürgermeisterkandidat machte mit. Der Schongauer Tobias Kalbitzer stellte ein Video auf seine Facebook-Seite, in dem er in karierten Unterhosen und Sakko ein Bier ext. Er rief seine drei Gegenkandidaten zum Mitmachen auf: "Auf geht's, Jungs. Schau'n mer mal, wer besser wird." Doch es hagelte Kritik. Kalbitzer entschuldigte sich schließlich für die Aktion. Er sei weit davon entfernt, zum "Komasaufen" aufzurufen, sagte er.
Irische Behörden warnen bereits vor den Trinkspiel-Aufforderungen im Netz. In Großbritannien und Irland hat sich die Diskussion nach einem Vorfall verschärft: Am vergangenen Samstag war im irischen Carlow ein 19-Jähriger in einen Fluss gesprungen und ertrunken. Seine Familie meint, der Sprung sei Teil eines "Neknomination"-Videos gewesen. Von der Polizei wurde dies allerdings nicht bestätigt. "Das Ganze ist ein Mobbing-Spiel geworden", sagte der Bruder des jungen Mannes dem Sender BBC. Ein Bekannter von ihm, der nicht habe mitmachen wollen, sei danach als Feigling beschimpft worden.
Jugendliche streben nach dem "digitalen Applaus ihrer Peers", begründet Ulrike Wagner die Lust der Teens und Twens an Neknomination. Wagner leitet das JFF-Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis in München. Die Mechanismen dahinter sind altbekannt: "Um sich selbst auszuprobieren und dabei Anerkennung von anderen Menschen zu bekommen, werden Grenzüberschreitungen gewagt und derart riskante Dinge getan." Auf den Alkohol treffe beides zu: Einerseits zählt er zur Sphäre der Erwachsenen und damit des Verbotenen, andererseits animiert er durch seine enthemmende Wirkung besonders zu Mutproben. "Diesen Gruppendruck gab es ja immer schon unter Jugendlichen. Neu ist, dass mit der Veröffentlichung im Internet dieser Druck nur schlecht zu regulieren ist."
Die irische Regierung rief Facebook auf, das Spiel zu unterbinden. "Es muss einem hochprofitablen und international agierendem Unternehmen wie Facebook doch möglich sein, eine Methode zu entwickeln, die die Gefahren durch "Neknominations" für die Nutzer hervorhebt", sagte der irische Kommunikationsminister Pat Rabbitte der Nachrichtenagentur dpa. Er forderte das Unternehmen auf, Seiten mit Trinkvideos zu löschen.
Von Facebook hieß es, der Trend verbreite sich nicht nur über das Online-Netzwerk, sondern auch über andere Internetseiten. Man habe aber Videos beobachtet und untersucht. Nach Facebooks Richtlinien werden Inhalte gelöscht, wenn sie Gewalt propagieren oder Mobbing stattfindet. Das sei bei den Trinkvideos nicht der Fall. "Wir rufen Nutzer auf, uns Inhalte zu melden, von denen sie glauben, dass sie die Regeln brechen", sagte ein Facebook-Sprecher.
Mittlerweile ist eine Gegenbewegung im Gange. Dabei filmen sich Menschen bei einer guten Tat und fordern andere zum Mitmachen auf. So machte das Video eines Südafrikaners die Runde, der Essen an Arme verteilte. Auch Bürgermeisterkandidat Kalbitzer erreichte ein solcher Clip. Darin überreicht eine junge Frau Schulsachen und Kinderkleidung an eine Mitarbeiterin eines Asylbewerber-Heims. Am Ende nominiert sie drei Menschen, "etwas Gutes und Selbstloses zu tun" - darunter Kalbitzer. "Diese Nominierung nehm ich natürlich sehr gerne an!" schrieb dieser als Antwort.
Moritz Ballerstädt/Britta Gürke