
Neue Aktion:
Nach #allesdichtmachen kommt #allesaufdentisch
Im Frühjahr sorgte eine Riege von Schauspieler:innen für Furore, die in satirisch gemeinten Video-Clips die vorsichtige Corona-Politik der Bundesregierung angriff. Jetzt folgt der zweite Streich.

Foto: Screenshot allesaufdentisch.tv
Unter dem Hashtag #allesaufdentisch sorgt eine Initiative für Aufsehen, die unter anderem die Corona-Maßnahmen und die mediale Berichterstattung darüber kritisiert. Mit dabei sind etwa auch die Schauspieler Volker Bruch, Nina Proll und Wotan Wilke Möhring. Die meisten prominenten Namen der ersten Aktion sind diesmal nicht dabei.
Die rund 50 Videos tragen Titel wie "Kollektive Angststörung", "Masken", "Meinungsfreiheit", "Gekaufte Forschung", "Wahrheitsdefinition" und "Kindeswohl". "Mit zunehmender Sorge beobachten wir die Entwicklung des politischen Handelns in der Corona-Krise", hieß es in einem Statement, das Bruch auch bei Instagram teilte. "Viele Expertinnen und Experten seien bisher in der öffentlichen Corona-Debatte nicht gehört."
Bruch - bekannt aus der Fernsehserie "Babylon Berlin" - war bereits ein prominentes Gesicht der Aktion #allesdichtmachen im April dieses Jahres. Damals hatten mehrere Menschen aus der Filmszene mit satirischen Videos den Umgang mit dem Coronavirus kritisiert. Die Aktion löste kontroverse Reaktionen aus - manche warfen der Gruppe vor, das Coronavirus zu verharmlosen. Mehrere Teilnehmer distanzierten sich später.
Der Schauspieler wird nun auch im Impressum zur Internetseite von #allesaufdentisch genannt. Teil der Aktion ist eine Petition, die einen "Runden Tisch" für das Corona-Krisenmanagement fordert. Die Internetseite war mittags zwischenzeitlich nicht erreichbar, die Videos wurden auch auf der Plattform YouTube veröffentlicht.
Die Aktion erinnert an #allesdichtmachen, bei der im April zahlreiche prominente Film- und Fernsehschauspieler wie Ulrich Tukur oder Volker Bruch Kritik an der Corona-Politik der Bundesregierung geäußert hatten.
Diesmal versuchen die Beteiligten, etwas sorgsamer vorzugehen. Die Interviews mit teils renommierten Wissenschaftlern nehmen sich Zeit, Argumente abzuwägen. Neben Experten wie Klaus Stöhr, Matthias Schrappe und Gerd Antes kommen allerdings auch umstrittene Stimmen zu Wort. Anfragen bei Karl Lauterbach, Christian Drosten oder Mai Thi Nguyen-Kim seien erfolglos geblieben, behaupten die Initiatoren.
Nach Ansicht eines Experten für Verschwörungsideologien befeuert die Aktion jedoch ein "schädliches Narrativ". Über die Schauspieler und Künstler verbreiteten sich wissenschaftliche Minderheitenmeinungen über die Pandemie-Leugner-Szene hinaus, diese würden als Mehrheitspositionen dargestellt, sagte Politikwissenschaftler Josef Holnburger. "Durch einen wissenschaftlichen Anschein werden die Beiträge aufgewertet."
Solche Debatten würden aber auf Konferenzen und in Studien geführt - zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sagte Holnburger.
Zudem ließen sie sich selten nur durch zwei Personen darstellen. "Mit der Aktion zieht man den Diskurs aus der Forschung heraus." Es entstehe ein Ungleichgewicht ("false balance") der wissenschaftlichen Standpunkte, so der Geschäftsführer des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), das unter anderem Desinformation in sozialen Medien beobachtet. "Man holt sich Vertreter und Vertreterinnen einer wissenschaftlichen Minderheitenmeinung und setzt ihnen Gesprächspartner aus Kunst, Kultur und Schauspiel gegenüber statt anderer Forschender."
In den Videos kommen einige Menschen zu Wort, die Experten auf ihrem Gebiet sind, darunter der Medizinstatistiker Gerd Antes oder der Virologe Klaus Stöhr. Ihre Stimmen wurden in der Pandemie regelmäßig in großen Medien gehört. Mehrere der Gesprächspartner sind jedoch bereits durch Äußerungen aufgefallen, die die Gefahr durch das Coronavirus verharmlosen.
Unter den Interviewern ist auch Bruch selbst:
Sowie Nina Proll:
Eine kleine Auswahl der Merkwürdigkeiten liefert Spiegel-Mann Anton Rainer:
Julia Kilian, Jan Ludwig und Sebastian Fischer, dpa/am