Vorbilder für Sie sind Martin Luther King und Steve Jobs. Glauben Sie, diese Redner kannten das Muster?

Ich glaube, diese beiden Männer waren einfach sehr gut darin, an ihrem Manuskript zu arbeiten. Sie haben wahnsinnig viel Zeit dafür investiert. Sie wussten wahrscheinlich nicht, warum die Rede funktionierte, aber sie wussten instinktiv, dass sie funktioniert. Trotzdem folgten alle diese großen Reden einer bestimmten Form. Ich denke, dass manche Menschen einfach ein natürliches Talent dafür haben, dass eine Rede den richtigen Rhythmus hat, dass sie sich richtig anfühlt. Wenn man einem großen Redner zuhört, kann man diese strukturellen Hilfsmittel tatsächlich heraushören.

Sie sprechen in Ihrem Buch auch vom so genannten „Star Moment“. Was genau ist das und wie kann man das herstellen?

Das könnte alles sein, eine Vorführung, eine Requisite, ein bewegendes visuelles Element, ein Geräusch, manchmal auch eine gute Daten-Visualisierung. Es darf allerdings nicht gekünstelt wirken. Ein Star Moment ist der Moment, über den hinterher alle reden, an den sich alle erinnern. Herauszufinden, wie man die Information so einzigartig und eindringlich wie möglich verstärkt, ist eine kreative Übung.

Können Sie Beispiele nennen?

Eine meiner liebsten TED-Präsentationen ist Jill Bolte Taylor, die über das menschliche Gehirn gesprochen hat und dabei ein echtes menschliches Gehirn herausgeholt hat. Sie hatte es mit flüssigem Plastikblut in der Hand, es tropfte, das war unglaublich. In einer Rede über Malaria erzählte Bill Gates dem TED-Publikum, dass mehr Medikamente gegen Haarverlust bei Männern entwickelt werden als gegen Malaria. Dann entlässt er Moskitos in ein Publikum voller kahlköpfiger Männer und man sieht, dass sie von ihnen gestochen werden! Das sind zwar ziemlich dramatische Beispiele aber sie sind sehr effektiv.

Wenn man mit Ihnen spricht und Ihre Reden anschaut, bemerkt man, dass Sie eine sehr angenehme Stimme haben. Ist das antrainiert?

(lacht) Die Stimme ist ein weiteres Kommunikations-Hilfsmittel, an dem man arbeiten kann. Es gibt bestimmt andere Dinge, die eine höhere Priorität haben, wie der Inhalt oder wie man die Präsentation hält, aber die Stimme spielt auf jeden Fall eine Rolle. Manche Leute proben die Präsentation, bis sie wie ein Roboter klingen. Das ist schrecklich! Man muss sprechen, als ob man sich mit Menschen unterhielte, als ob man mit jedem im Raum ein Privatgespräch führte. Man muss zugänglich klingen. Das braucht Übung.

Sie veranstalten Workshops und lehren diese Fähigkeiten. Wie wichtig ist da zum Beispiel die Haltung? Kann man das lernen?

Die Gesten, die Bewegungen, der Augenkontakt: Diese Dinge sind sehr wichtig, denn sie sind eine visuelle Repräsentation von dir selbst. Sie sind wahrscheinlich sogar wichtiger als die Folien, die man zeigt. Denn es untermauert deine Glaubwürdigkeit und verstärkt deine Message. Du darfst nervös sein, aber du darfst dich nicht unwohl fühlen und das zeigen. Denn dann stellt das Publikum deine Inhalte infrage. Du solltest fähig sein, über dein Material mit einem bestimmten Level an Überzeugung zu sprechen.

Was sind die häufigsten Probleme, die Ihre Workshop-Teilnehmer mitbringen?

Die Zeit zu finden, es richtig zu machen. Ich denke, das ist das größte Problem. Und auch, wie man anfängt. Viele Leute öffnen einfach Powerpoint und fangen an, Folien zu bauen. Das ist der falsche Weg. Zuerst muss man eine Menge Ideen brainstormen. Man muss zurücktreten und das große Ganze sehen. Ich drucke mir immer alles aus und hänge es an die Wand. Dann hole ich Leute rein und frage sie nach Feedback, dann ändere ich die Reihenfolge, schreibe es um, hole andere Leute rein und frage wieder nach ihrer Meinung. Dann erst setze ich mich an Powerpoint. Die Zeit, die man investiert, sollte direkt proportional zur Bedeutung der Präsentation sein.

Wie wichtig ist Storytelling?

Wir lieben Geschichten, weil wir es lieben, menschliche Veränderung zu beobachten. Wir lieben es, mit jemandem mit zu fühlen, der eine Krise erlebt und diese überwindet. Diese Kommunikations-Hilfsmittel können wir in unseren Präsentationen benutzen, sodass sich unser Publikum mit verändert. Storytelling ist eine sehr wirksame Methode, mit dem Publikum eine Verbindung zu schaffen.

Was kann ein Redner tun, wenn er vor einem schwierigen Publikum steht?

Um sie zu überzeugen, muss man jedes logische Argument durchdenken, dass sie gegen deine Aussage treffen könnten. Man hat ja immer nur seine eigene kleine Perspektive. Deshalb: Schnapp dir ein paar Leute und brainstorme mit ihnen. Wenn man das alles durchdenkt, kann man damit spielen und zum Beispiel im Vortrag sagen: „Ich habe über diese Perspektive nachgedacht, aber...“. Die Leute werden denken: Wow, das war wirklich gut durchdacht.

Wenn Sie als Beraterin Präsentationen für andere vorbereiten, hatten Sie da schonmal moralische Bedenken?

Persönlich, ja. Und auch als Firma haben wir schon Aufträge abgelehnt, wenn sie die Grenzen überschritten haben. Zum Beispiel eine Firma, die trinkbaren Tabak produziert. Es gibt diese No-Gos. Manchmal bekommen wir Anrufe aus dem Mittleren Osten, wo sie nicht wollen, dass eine Frau am Projekt beteiligt ist. Da denke ich mir: Wissen Sie, dass eine Frau diese Firma besitzt?

Denn die Verführung durch Präsentationstechniken kann ja sehr machtvoll sein.

Ja, sehr! Als ich diese Muster entdeckte, musste ich weinen. Das klingt jetzt ein bisschen melodramatisch, aber ich war in meinem Büro, sank auf die Knie und weinte. Denn ich dachte: Oh Gott, das kann für Gutes, aber auch für Böses verwendet werden. Es ist ein gruseliges Hilfsmittel. Es machte mir mehr Angst als dass ich mich freute, als ich sah, was ich sah.

Sie haben mit Al Gore an seiner Präsentation gearbeitet, die dem Dokumentarfilm „Eine unbequeme Wahrheit“ zugrunde liegt. Wie war er denn so?

Für einen großen Politiker war er sehr aufmerksam und offen. Er hat sehr hart an dieser Präsentation gearbeitet. Wir haben drei Jahre vor dem Film und zwei Jahre danach mit ihm gearbeitet. Er ist ja schon vorher damit unermüdlich durch die ganze Welt gereist, als der Film dann ein Erfolg wurde, haben wir uns natürlich gefreut.

Wie war Ihre Reaktion, als Sie hörten, dass der Film so erfolgreich ist?

Ich war überrascht und dachte: Willst du mich veralbern? Ein Film über eine Präsentation, dafür wird doch keiner zehn Dollar zahlen. Als er dann erfolgreich wurde, war ich hocherfreut. Wenn jetzt jemand fragt, was wir machen, können wir immer sagen: Kennst du „The Inconvenient Truth“? Das machen wir.

Sie planen eine weitere Niederlassung in Europa, vielleicht in Berlin?

Ich habe mich noch für keine Stadt entschieden. Aber in Deutschland lieben sie Präsentationen, sogar noch mehr als in Frankreich oder England. Die Präsentationen, die ich von dort sehe, sind oft analytischer, es gibt einfach mehr Denker und Kommunikatoren in Deutschland.


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Autor: W&V Redaktion

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