Reed Hastings:
Netflix-Prognose: "Sender werden sich zu Internet-Netzwerken wandeln"
Netflix-Gründer Reed Hastings vergleicht die Veränderungen beim "konventionellen Fernsehen" mit dem Rückzug der Festnetz-Telefonie nach der Ausbreitung von Handys.
Netflix-Chef Reed Hastings wird nicht müde, zu betonen, dass Video-Dienste aus dem Internet in einem Zeitraum von 15 bis 20 Jahren klassisches lineares Fernsehen verdrängen werden. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa konkretisiert der 54-jährige Firmengründer nun seine Thesen, mit denen er vor zwei Wochen in Berlin für Furore sorgte. Jetzt vergleicht Hastings die Veränderungen beim "konventionellen Fernsehen" mit dem Rückzug der Festnetz-Telefonie nach der Ausbreitung von Handys. "Die heutigen Sender werden sich zu Internet-Netzwerken wandeln. Auch ein Sender wie das ZDF wird in der Zukunft über das Internet übertragen", so der Netflix-Macher gegenüber "dpa". Sport werde ein wichtiger Treiber sein, etwa weil die nächste Fußball-WM nur über das Internet mit schärferen Ultra-HD-Bildern zu empfangen sein werde. Hier setzt er eine Grenze: Netflix wolle jedoch nach wie vor dem teuren Geschäft mit Sportrechten fernbleiben.
Aber: Netflix wird in diesem Jahr drei Milliarden Dollar - zu einem großen Teil geliehenes Geld - in die Produktion eigener Filme und TV-Serien stecken. Neben der Fortsetzung des Serienhits "House of Cards" verpflichtet Netflix auch den Komödianten Adam Sandler für vier Filme. Bei den Dreharbeiten zu seinem Netflix-Debüt kam es jüngst zu einem Eklat. Mehrere Schauspieler verließen das Set, weil sie die Scherze über Indianer im Film geschmacklos fanden. Die Situation habe Netflix unvorbereitet getroffen, räumt Hastings ein. "Als Produzent von Inhalten müssen wir uns Gedanken darüber machen, was akzeptabler Humor ist, oder vertretbarer Umgang mit Sex und Religion, wo liegen die Grenzen." Auch Netflix lernt noch dazu.
Unterdessen hat der Video-Dienst in seinem Heimatland USA Forderungen der Telekom-Konzerne nach einer Beteiligung an den Infrastruktur-Kosten eine klare Absage erteilt. "Deren Kunden wollen Netflix nutzen, deswegen holen sie sich auch teurere Verträge mit höherer Internet-Geschwindigkeit", weist Reed Hastings die Forderungen zurück. Aus seiner Sicht müsse es eine klare Trennung geben, sagte Hastings. "Die Telekom-Betreiber zahlen für das Netz, wir zahlen für die Inhalte - und der Kunde entscheidet, zu welchem Dienst er geht. Das ist Netzneutralität, wenn der Kunde entscheidet."
Telekom-Konzerne kritisieren schon lange, dass Internet-Firmen in ihren Netzen Geld verdienen, ohne zum Aufbau der Infrastruktur beizutragen. In den USA, wo Netflix bisher den Großteil seiner Kunden hat, machen Übertragungen des Video-Dienstes rund ein Drittel des gesamten Download-Volumens aus. Und bis Ende 2016 will Netflix praktisch weltweit verfügbar sein.
ps/dpa