
Neue Regeln fürs Direktmarketing: Was ist noch erlaubt?
Nach einer ganzen Reihe von Gesetzesänderungen und Urteilen herrscht Verwirrung im Direktmarketing. DDV-Anwalt Ulrich Wuermeling liefert in W&V die Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den neun Regelungen.
Nach einer ganzen Reihe von Gesetzesänderungen und Urteilen herrscht Verwirrung im Direktmarketing. Dieter Weng, Präsident des Deutschen Dialogmarketing Verbands (DDV). klagt: "Der Wirtschaft wurde ein Haufen unklarer und praxisuntauglicher Formulierungen vor die Füße gekippt, der erhebliche Rechtsunsicherheiten birgt.“ Die rechtliche Grundlagen wurden zuletzt im Bundesdatenschutzgesetz Novelle II (gilt ab September), in der ersten Novelle (seit 1. April), in den Gesetzen gegen unerlaubte Telefonwerbung (seit 4. August) und unlauteren Wettbewerb (2004) sowie in der EU-Datenschutzrichtlinie (2002) neu geregelt. Daneben sind das "Payback-Urteil" des BGH (pauschale Zustimmung für Werbung über alle Kanäle, 2008) und das "Tele2"-Urteil des LG Düsseldorfs (Werbeanrufe ohne Einwilligung, 2006/2007) wegweisend.
Dr. Ulrich Wuermeling, Rechtsanwalt in der Kanzlei Latham & Watkins, Frankfurt, und Rechtsberater des DDV, liefert die Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den neuen Regelungen:
Ist es richtig, wenn künftig kein Direktmarketing mehr ohne Zustimmung des Konsumenten erfolgen darf?
Im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) wird der Grundsatz eingeführt, dass Daten zu Werbezwecken nur mit Einwilligung der betroffenen Personen verwendet werden dürfen. Gleichzeitig werden aber zahlreiche Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen. Werbung gegenüber Bestandskunden, im B2B Bereich und zum Zwecke der Spendenwerbung bleibt ohne Einwilligung zulässig. Daten aus allgemein zugänglichen Verzeichnissen dürfen für Werbezwecke verwendet werden. Außerdem wird die Übermittlung von Adressdaten zu Werbezwecken erlaubt, wenn dies in transparenter Weise erfolgt. Schließlich können Daten in transparenter Weise für Werbung Dritter verwendet werden.
Die Ausnahmen zur transparenten Übermittlung oder Nutzung wurde erst ganz am Ende des Gesetzgebungsverfahrens eingeführt. Was bedeuten sie für die Praxis?
Die Übermittlung von Adressen (mit Angabe einer Gruppenzugehörigkeit) ist zulässig, wenn dann eindeutig aus der Werbung hervorgeht, wer die Daten erstmals erhoben hat. Eine Einwilligung der betroffenen Person ist nicht erforderlich. Auf diese Weise wird eine in der Praxis wichtige Möglichkeit zur Kooperation von Unternehmen bei der Bewerbung potentieller Neukunden erhalten. Als zusätzliches Element zur Schaffung von Transparenz gilt ab 1. April 2010 die Pflicht, Übermittlungen für zwei Jahre zu protokollieren, um dem Betroffenen hierüber nachträglich Auskunft geben zu können.
Welche Bedeutung hat die Erlaubnis zur transparente Nutzung?
Hier geht es um Fälle, in denen es zu keiner Übermittlung der Daten kommt. Beispielsweise fällte die Empfehlungs- oder Beipackwerbung darunter. Das werbende Unternehmen erhält die Adressen in diesen Fällen nicht. Deshalb ist diese Ausnahmen auch nicht auf die Adressdaten beschränkt. Das klassische Konzept des Listbrokings stellt ebenfalls sicher, dass keine Übermittlung erfolgt. Damit fällt es auch unter die Ausnahmen zur transparenten Nutzung.
Müssen jetzt für Altdaten Einwilligungen eingeholt werden?
Erst einmal gilt für Altdaten eine Übergangsfrist von drei Jahren. Außerdem stellt sich angesichts der weit reichenden Ausnahmen die Frage, ob Einwilligungen überhaupt erforderlich sind. Der Einsatz von Einwilligungen ist eine geschäftspolitische Entscheidung, die sicher etwas Zeit benötigt. Dringenden Handlungsbedarf sehe ich auf Grund der Novelle nicht. Bei der Erhebung von Daten im Rahmen von Bestellformularen oder Gewinnspielen ist aber künftig immer auf das Widerspruchsrecht gegen die Verwendung von Daten zu Werbezwecken hinzuweisen. Das muss ab 1. September 2009 umgesetzt sein.
Inwiefern ist der Kanal Online betroffen?
Der Online-Bereich wird natürlich immer wichtiger und dort gibt es bereits seit vielen Jahren strenge Regelungen. Die Grenzen zwischen online und offline waren aber schon immer fließend. So kann beispielsweise ein Versandhändler Adressen aus Online-Bestellungen nach den allgemeinen Datenschutzvorschriften verwenden. Hier greifen die neuen Regelungen durch. Für den klassischen Onlinedienst ändert sich aber wenig.
Können Einwilligungen im Rahmen von Gewinnspielen eingeholt werden?
Die Bundesregierung hat in der Begründung zum Gesetzentwurf ausdrücklich erwähnt, dass Anreize zur Abgabe von Einwilligungen geschaffen werden können. Wenn also Einwilligungen im Rahmen von Gewinnspielen eingeholt werden, dann ist dagegen nichts einzuwenden. Wir empfehlen bei Gewinnspielen aber, dass die Abgabe der Einwilligung nicht Bedingung für die Teilnahme am Gewinnspiel ist. Andere Leistungen können von Einwilligungen abhängig gemacht werden, wenn man sie auch auf andere Weise erhalten kann. Die Anreize sollten aber nicht übertrieben sein.
Wie genau muss die Einwilligung erteilt werden, per Tickbox oder Unterschrift?
Wenn die Einwilligung auf einem Formular eingeholt wird, das noch anderen Zwecken dient (beispielsweise die Einwilligung im Rahmen einer Bestellung), dann gilt die Unterschrift auf dem Formular auch für die Einwilligungserklärung. Wenn die Einwilligung für E-Mail-, SMS, Telefax oder Telefonwerbung eingeholt wird, bedarf es zusätzlich zur Einwilligung einer gesonderten Tickbox.
Gilt das entsprechend für Einwilligungen im Internet?
Im Internet fehlt uns die Unterschrift. Deshalb werden im Internet in der Regel alle Einwilligungen mit einer Tickbox versehen. Die darf nicht vorab angeklickt sein. In der Praxis hat dies zur Folge, dass der Text häufig überlesen und nicht angekreuzt wird.
Dürfen die Einwilligungserklärungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen versteckt werden?
Nein, der Text der Einwilligung hervorgehoben sein. Wenn es um Einwilligungen in die Verwendung der Daten zu Werbezwecken geht, muss die Einwilligung außerdem drucktechnisch deutlich gestaltet sein. Wir empfehlen, dass die Einwilligungserklärungen nicht als eine Ziffer in allgemeine Geschäftsbedingungen aufgenommen werden. Sie sind auf den Bestellformularen besser aufgehoben.
Kann man sich auf Einwilligungserklärungen verlassen?
Es gibt zahlreiche Hindernisse auf dem Weg zu einer wirksamen und nachweisbaren Einwilligung. Dies zeigt die Einwilligungserklärung von Payback. Sie wurde ursprünglich mit den Datenschutzaufsichtsbehörden abgestimmt. Dann hat ein Verbraucherschutzverband gegen die Einwilligungserklärung geklagt. Das Landgericht München meinte, die Einwilligung sei unwirksam. Das Oberlandesgericht München entschied genau das Gegenteil und am Ende meinte der Bundesgerichtshof, dass ein Teil der Einwilligung wirksam und der Rest unwirksam gewesen sei. Mit solchen Unsicherheiten kann kein Unternehmen arbeiten.
Und wenn eine Einwilligung wirksam ist, wie muss ich dann die Abgabe der Einwilligung beweisen?
Der beste Beweis ist ein unterschriebenes Dokument. Im Online-Bereich könnte man elektronische Signaturen verwenden, aber die sind noch nicht verbreitet genug. Wir verwenden hier häufig das so genannte Double Opt-in, um mit Hilfe einer Bestätigungsmail mehr Sicherheit zu erlangen. Bei telefonischer Werbung protokollieren wir, welcher Callcenter Mitarbeiter eine Einwilligung eingeholt hat. Manchmal wird auch mit Zustimmung des Anrufers ein Mitschnitt erstellt. Am Ende sind Beweisfragen vor Gericht aber immer ein Risiko.
Hilft die schriftliche Bestätigung mündlicher Einwilligungen?
Im Verkehr unter Geschäftsleuten kann dies helfen. Bei Verbrauchern wird die schriftliche Bestätigung mündlicher Einwilligungen durch das neue Datenschutzgesetz vorgeschrieben, aber Beweiskraft hat diese Bestätigung nicht. Es handelt sich um eine zusätzliche Verpflichtung, die in der Praxis übrigens nur in wenigen Fällen greift. Wer mündliche Einwilligungen einholt, sollte sich mit seinen Juristen beraten, wann tatsächliche schrifltiche Bestätigungen notwendig sind. Das ist eine kompliziertes Thema, weil genau zwischen Datenschutz- und Wettbewerbsrecht unterschieden werden muss.
Telefonwerbung ist gegenüber Verbrauchern nur mit Einwilligung zulässig. Wie sicher sind die Einwilligungserklärungen hier?
Die Rechtsprechung ist im Hinblick auf Einwilligungen in Telefonwerbung bereits sehr streng. Am Ende besteht immer Rechtsunsicherheit. Wichtig ist, dass der Umfang der Einwilligung genau beschrieben und eingegrenzt wird. Eine Art Blankoscheck für Telefonwerbung ist immer unwirksam. Ich denke aber, dass Einwilligungen in Telefonwerbung für sehr konkrete Aktionen zulässig sind.
Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen das Datenschutzrecht?
Die Datenschutzaufsichtsbehörden können Sanktionen verhängen. Die Höchstgrenzen wurden von 250.000 auf 300.000 Euro erhöht. Wenn durch die unerlaubte Handlung Gewinne erzielt wurden, kann das Bußgeld noch weiter gehen.
Was droht bei unzulässiger Telefonwerbung?
Neben den datenschutzrechtlichen Bußgeldern wurden hier noch spezielle Bußgelder festgelegt. Ein unerlaubter Telefonanruf zu Werbezwecken kann bis zu 50.000 Euro Bußgeld auslösen. Die Unterdrückung der Rufnummer 10.000 Euro. Die Bundesnetzagentur verfolgt die unerlaubte Telefonwerbung. Die neuen Bußgelder sind seit dem 4. August 2009 in Kraft.