
Online-Kiosk: Das amerikanische Modell
Was deutsche Medienhäuser planen, ist in den USA schon Realität: Hearst-Geschäftsführer John Loughlin erläutert, warum US-Verlage ein eigenes E-Kiosk-Konsortium geschmiedet haben.
Was deutsche Medienhäuser planen, ist in den USA schon Realität: Hearst-Geschäftsführer John Loughlin erläutert im W&V-Interview, warum US-Verlage für einen elektronischen Kiosk ein eigenes Konsortium geschmiedet haben.
W&V Herr Loughlin, Ihr Verlag entwickelt zusammen mit Time Warner, Meredith, News Corporation und Condé Nast eine Art elektronischen Kiosk für Printinhalte, der im Herbst stehen soll. Hearst lässt darüber hinaus mit dem Skiff-Reader noch ein eigenes Lesegerät entwickeln. Warum?
Loughlin Ich glaube, dass, vom iPad einmal abgesehen, die momentan vorhandenen E-Reader noch nicht für Verlage geeignet sind. Bisher gibt es zum Beispiel kaum E-Reader, die die Farbigkeit von Magazinen gut abbilden können. Unzureichend aus Verlegersicht sind auch die Geschäftsmodelle. Viele der Geräteanbieter und Anbieter wie Amazon und Apple wollen sich als Mittler zwischen Verlag und Abonnent stellen. Wir glauben aber, dass unsere Inhalte und unsere Kundenbeziehungen zu wertvoll sind, um sie aus der Hand zu geben.
W&V Heißt das, dass Sie mit Ihren Inhalten nicht auf dem iPad sein werden?
Loughlin Wir wollen eine Plattform schaffen, die offen ist für Verleger in den USA, in Europa und im Rest der Welt, und die ein Marktplatz für elektronische Zeitungs- und Magazin-Abos und Bücher werden soll und später vielleicht auch für Video- und Musik-Downloads. Die Plattform soll kompatibel sein mit allen möglichen Geräten, vom iPad über Smart-phones, den Skiff-Reader, Netbooks und eine Reihe anderer Geräte, die in den kommenden 24 bis 36 Monaten auf den Markt kommen. Wir wollen als Verleger einen Standard schaffen, der einfach bedienbar ist und die Anlaufstelle für Medien-abonnements wird. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Inhalte mit verschiedenen Geräten kompatibel sind, denn der Markt entsteht gerade erst und es ist noch nicht abzusehen, wer als Gewinner im Gerätemarkt hervorgehen wird.
W&V Wenn Apple ein anderes Digital Rights Management benutzt, müssten Verlage ja verschiedene Versionen ihrer E-Magazine bauen.
Loughlin Das kann man tatsächlich nicht ausschließen. Aber das Konsortium hat gerade Gespräche mit Apple aufgenommen, so dass es hier möglicherweise eine Lösung gibt.
W&V Wie müssen E-Magazine aussehen, damit User trotz Unmengen kostenlos verfügbarer Web-Inhalte bereit sind, dafür zu zahlen?
Loughlin Wir glauben, dass Leute bereit sind zu zahlen, wenn Gerätefunktionen und Charakter der Inhalte so zusammenspielen, dass ein wirkliches Leseerlebnis mit Lean-Back-Charakter entsteht. Das unterscheidet sich grundlegend vom Web, wo es eher um aktive Suche nach ganz spezifischen Informationshappen geht. Möglicherweise muss sich ein Monatsmagazin überlegen, Inhalte öfter als einmal im Monat bereitzustellen und neue Elemente zu integrieren, wie zum Beispiel Videos oder die Möglichkeit, nach Themen oder Autoren in einem Archiv zu stöbern. Dann schaffen wir etwas Neues, das bisher im Netz so noch nicht zu haben ist. Für eine solche Weiterentwicklung des Printmagazins sind User möglicherweise sogar bereit, mehr zu zahlen als für die Printversion.
W&V Ist das nicht nur ein frommer Wunsch?
Loughlin Um das herauszufinden, gibt es nur eines: testen, testen, testen. Aus den Erfahrungen der Zeitungshäuser haben wir jedenfalls gelernt, den Wert unserer Inhalte wertzuschätzen und nicht vorschnell auf den Markt zu rennen, weil irgendjemand sagt, wir müssen da zu einem bestimmten Preis präsent sein. Wir verschaffen den Lesern ein handwerklich hochwertig gemachtes Leseerlebnis. Das wird seinen Preis haben. Wir haben überhaupt kein Bedürfnis danach, ein Produkt herzustellen, für das die Konsumenten weniger bezahlen als bisher für Print. Ob es uns der Markt dann erlaubt, genauso viel zu verlangen wie für die Printversion oder vielleicht sogar mehr, ist eine andere Frage.
W&V Wie kostspielig ist das für Verlage, und mit welchen E-Magazinen wird Hearst erste Schritte ausprobieren?
Loughlin Ganz exakt lässt sich das derzeit noch nicht beziffern, eines ist jedoch sicher: Der Launch eines E-Magazins verursacht nur einen Bruchteil der Kosten, die für einen traditionellen Magazin-Launch anfallen würden. Hearst wird zunächst eine E-Version von Cosmopolitan für weibliche User entwickeln und mit einem E-Magazine von Popular Mechanics die Zielgruppen der Technologie-interessierten Early Adopters testen.
W&V Denken Sie darüber nach, E-Reader als Abo-Prämie einzusetzen?
Loughlin Ich glaube nicht, dass das wirtschaftlich funktioniert. Die E-Reader kosten derzeit noch zwischen 400 und 900 Dollar. Das ist definitiv zu viel, um sie als Abo-Prämie einzusetzen.
W&V Welche Werbeformen werden Sie in die E-Magazine integrieren?
Loughlin Wir müssen herausfinden, was die besten Werbeformen sind, wie interaktiv sie sein müssen oder auch nicht. Und wir müssen grundlegende Fragen beantworten, zum Beispiel danach, wie die verschiedenen Werbeformen abgerechnet werden sollen. Das alles müssen wir testen, um mit der Zeit daraus Werbestandards zu entwickeln. Das können Print-Digital-Kombis ein und desselben Titels sein. Denkbar ist aber auch, dass Verleger verlagsübergreifende Angebote für ihre elektronischen Magazine schnüren.
W&V In Deutschland planen Bertelsmann und G+J eine vergleichbare Plattform. Sind Sie mit ihnen in Kontakt?
Loughlin Mit dem Konsortium hatten wir sehr frühe Gespräche mit einer Reihe von Verlagen und Telekommunikations-Anbietern in Europa. Daneben entwickelt Skiff etwas Separates mit dem Axel-Springer-Verlag. Jeder versucht gerade, sich mit diesem Markt zu beschäftigen.
W&V Rechnen Sie damit, dass die E-Abonnenten Ihre Print-leser ersetzen werden?
Loughlin Wir wissen darüber einfach noch nicht genug. Wir nehmen aber an, dass E-Leser die Printabonnenten nicht ersetzen werden, jedenfalls vorerst nicht. Wir glauben eher, dass sie ein Publikum ansprechen, das noch keine Magazine liest und zu dem derzeitigen Printpublikum dazukommt. Gedruckte Magazine haben ja auch eine Menge Vorteile. Man bekommt hervorragende Druckqualität, Magazine verschaffen ein haptisches Erlebnis, sie sind tragbar, und wenn Sie sie verlieren, ist es nicht so schlimm. Wenn ein Heft herunterfällt, geht es nicht kaputt. Und die monatliche Rechnung ist überschaubar. Deswegen wird Print ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Übertragungsweg noch für sehr lange Zeit sein.