Kommentar von Klaus Weise:
PR-Coup für Trump: Warum #alternativefacts nur Nebelkerzen sind
Die PR-Maschine von Trump arbeitet beängstigend effektiv, sagt Serviceplans PR-Geschäftsführer Klaus Weise. Die Diskussion um die #alternativefacts hat uns vom Wesentlichen abgelenkt. Ein Kommentar.
Die PR-Maschine von US-Präsident Donald Trump arbeitet beängstigend effektiv, sagt Serviceplans PR-Geschäftsführer Klaus Weise. Die Diskussion und die Social-Media-Blase um die #alternativefacts von Trumps Presse-Team haben uns nämlich vom Wesentlichen abgelenkt: Was zählt, ist nicht narzisstisches Gerede darum, wie viele Zuschauer bei der Inauguration waren. Sondern wichtig ist, was Trump politisch gerade macht. Und das läuft unter dem Radar. Ein Kommentar.
Wären Sie gerne der Pressesprecher von Donald Trump? Ich jedenfalls nicht. Einen so cholerischen, unberechenbaren und egomanischen Chef wünscht sich niemand. Wahrscheinlich sieht das sogar Sean Spicer so, der macht gerade diesen Job im Weißen Haus. "Ich befinde mich in einem anhaltenden Krieg mit den Medien" - beschreibt Donald Trump sein Verhältnis zu den Medien. Damit wissen die Damen und Herren von den Medien Bescheid. Als Hauptdarsteller in diesem einseitig erklärten Krieg ist Sean Spicer allerdings eine gelungene Besetzung: Der schneidige Marinereservist legte mit rekordverdächtigen vier nachweislich falschen Aussagen innerhalb von fünf Minuten und 48 Sekunden bei seiner ersten sogenannten Pressekonferenz (Hier das Video des Pressebriefings) im neuen Amt die Latte für künftige Fake News-Produzenten ziemlich hoch. Apropos Pressekonferenz: während seines knapp sechsminutigem Statements – Rückfragen oder gar eine Diskussion gab es nicht – faltete Trumps Pressechef die versammelten Journalisten ordentlich zusammen und drohte ihnen wenig verklausuliert. Ein Anschiss wie bei der Armee eben.
Auf den ersten Blick ging Spicers Versuch, Fakten zu befehlen, gründlich schief. Von Eloquenz und einer gehörigen Portion Dreistigkeit zeugte die nachgeschobene Interpretation von Trumps Beraterin Kellyanne Conway, die Spicers nicht zutreffenden Aussagen zu den Zuschauerzahlen bei Trumps Vereidigung zu "alternative facts" umdeutete. Die Empörung in den Medien und den Social Networks stieg nochmals an. Verständlich, denn Lügen bleiben Lügen, auch wenn man sie als alternative Fakten verniedlicht. Hohn und weltweite Häme sind Spicer und Conway sicher. Für Kabarettisten ist der neue Präsident samt seinem Stab ein Segen. Für Kommunikatoren und Marken auch: So twitterte beispielsweise das um lockere Sprüche selten verlegene Social Media Team der Deutschen Bahn selbstironisch: "Gute Neuigkeiten: Die Pünktlichkeit unserer Züge liegt heute bei 120 Prozent. #alternativefacts."
Gute Neuigkeiten: Die Pünktlichkeit unserer Züge liegt heute bei 120 Prozent. #alternativefacts pic.twitter.com/ZM8nIeSGUp
— Deutsche Bahn AG (@DB_Presse) January 23, 2017
So weit, so gut, so lustig. Aber was bedeutet diese Art von Pressebriefing für das Verhältnis von PR und Journalismus? Und vor allem: welchen Plan verfolgt Trump mit seinem Krieg gegen die Medien? Denn bemerkenswert ist es, dass das Interesse der weltweiten Berichterstattung fast ausschließlich einem einzigem Thema galt: den Zuschauerzahlen bei Trumps Vereidigung vor dem Kapitol in Washington.
Nur: wie wichtig ist dieses Thema eigentlich? Wen interessiert das – außer den narzisstischen US-Präsidenten? Viel spannender, wichtiger und folgenreicher gewesen wäre es, die konkreten Folgen Trumps allererster präsidialen Verfügungen zu diskutieren, mit denen er Obamas Gesundheitsreform teilweise ausgehebelt und finanzschwachen Hauskäufern höhere Hypothekenzahlungen beschert hat. Insofern halte ich die Diskussion über das angeblich größte Publikum, das jemals eine Amtseinführung hatte für geschickt eingefädelt: Trumps Pressesprecher hat mit seinem denkwürdigem Auftritt gezeigt, wie man ein völlig nebensächliches Randthema auf die Agenda der Weltpresse setzt, eine Diskussion über Politik vermeidet und gleichzeitig seine Anhänger in ihren Vorurteilen gegenüber der angeblich lügenden Presse bestätigt.
Ein etwas beängstigendes Lehrstück.