
Personalisierte Tageszeitung in den Startlöchern
Morgenlektüre der Zukunft: In Berlin zeigt ein Pilotprojekt, wie eine personalisierte Tageszeitung aussehen kann. Die Leser stellen sich dafür die Inhalte aus vielen verschiedenen Titeln individuell zusammen.
Zum Start des Sommersemesters am 15. April 2009 gehen zwei Wirtschaftsstudenten in Berlin mit einem Pilotprojekt in den Markt, das zeigen könnte, wie die Zukunft der Zeitung aussieht. Hendrik Tiedemann und Wanja Oberhof von der Berliner Fachhochschule für Wirtschaft (FHW) haben die Idee für eine individualisierte Tageszeitung entwickelt, die Lesern die Möglichkeit bietet, Zeitungsinhalte aus verschiedenen regionalen und überregionalen Titeln nach eigenen Wünschen zusammenzustellen.
Tiedemann und Oberhof haben dazu das Internetportal "Niiu" aufgebaut. Dort können Leser aussuchen, welche Zeitungs- und Internetinhalte sie kombinieren möchten. So ist es zum Beispiel möglich, etwa den Kulturteil oder den Lokalteil des "Berliner Tagesspiegels" mit dem Politikteil der "Frankfurter Rundschau" zu kombinierenden und mit weiteren Zeitungsinhalten zu verbinden.
Bisher sind "Tagesspiegel", "FR", die "Märkische Allgemeine" sowie zwei russische Zeitungen im Pilotprojekt an Bord, mit sieben weiteren Zeitungen stehen Übereinkünfte kurz bevor. Die Zeitungen stellen in einer Testphase Nachdruckrechte ihrer Zeitungsinhalte gegen eine zunächst geringe Lizenzgebühr zu Verfügung, die bei Fortsetzung des Projekts im Erfolgsfall entsprechend angehoben würde.
Auf der Vorder- und Rückseite der personalisierten Zeitung kann sich der Interessent individuell Informationen aus Internetblogs seiner Wahl oder Aktiencharts zusammenstellen lassen und über eine Facebook-Applikation persönliche Nachrichten seiner Freunde auf Papier drucken lassen. "Es geht darum, das Internet anfassbar zu machen und die Zeitung so zu gestalten, dass sie dem Lifestyle der jungen Zielgruppe entgegenkommt", sagt Oberhof.
Das Blatt soll etwa 24 Seiten umfassen, ist etwas größer als ein Tabloidformat und soll über die Austräger des Berliner Pressevertriebs (BVP) an die Haushalte geliefert werden. Die Inhalte der Tageszeitungen werden im Original inklusive der Werbeanzeigen auf dieses Format skaliert. Ein erster Entwurf der Titelseiten vom vergangenen Herbst wird derzeit noch einmal von den Zeitungsdesignern Jan Kny und Günter Zwerina vom Hamburger Büro Garcia Media professionell überarbeitet.
Vertrieben wird die Zeitung über eine Art Prepaid-Abonnement, das über das Internetportal per Paypal, Kreditkarte oder Lastschrift bezahlt wird. Angeboten werden sowohl monatliche Abos als auch Semesterpakete. Der Preis für eine einzelne Ausgabe zwischen einem und zwei Euro liegen. Je nach Länge der Abo-Bindung soll es Rabatte geben. "Es geht darum, mit dem Abomodell der Zielgruppe die Bindungsangst zu nehmen", sagt Oberhof.
Gedruckt wird digital und so wird es auch möglich sein, auf die Bezieher der Zeitung zugeschnittene Werbung zu integrieren. Zum Start des Sommersemesteres am 15. April will Oberhof über Promotions und Guerillamarketing sowie virale Werbung auf Youtube und den bekannten Social Networks zunächst Studenten auf das Niiu-Zeitungsportal locken, das Projekt ist aber für weitere Zielgruppen offen. Verläuft der Berliner Test erfolgreich, soll es bald auch in Frankfurt und München eine individualisierte Zeitung geben.