
Gerd Trauernicht:
So finden Unternehmen den richtigen Designer
Dass Design nichts mit Frisuren und Jeans sondern mit knallhartem Wettberwerb zu tun hat, sollten Markenmacher spätestens seit Steve Jobs verstanden haben. Aber wie kommen sie an den passenden Dienstleister, was müssen sie über Design-Prozesse wissen und was kostet das alles? Design-Professor und Agenturchef Gert Trauernicht erklärt es.
Dass Design nichts mit Frisuren und Jeans sondern mit knallhartem Wettberwerb zu tun hat, sollten Markenmacher spätestens seit Steve Jobs verstanden haben. Aber wie kommen sie an den passenden Dienstleister, was müssen sie über Design-Prozesse wissen und was kostet das alles? Design-Professor und Agenturchef Gert Trauernicht erklärt es in einem Gastbeitrag.
Wenn ein Unternehmen mit einem Designer zusammenarbeiten möchte, sind einige wesentliche Unterschiede in der Typologie und möglichen Vorgehensweise wichtig. Insbesondere die Arbeitsweisen von Designagenturen und Autorendesignern sind recht unterschiedlich. Daraus lassen sich für ein Unternehmen bereits wichtige Hinweise für den richtigen Designpartner ableiten.
Zunächst einmal sollte sich jedes Unternehmen darüber klar werden, was genau ein Produkt- oder Industriedesigner eigentlich macht. In Deutschland ist der Begriff des Designers nicht geschützt und wird international in der Regel mit einer Beschreibung vorab eingegrenzt. So sind Industrie- oder Produktdesigner ganz anders ausgebildet als beispielsweise Kommunikationsdesigner. Der Alltag beider Berufsgruppen könnte verschiedener kaum sein. Große Unterschiede zwischen den einzelnen Designern sind bereits in der Ausbildung verankert.
Die Ausbildung eines Industriedesigners ist eher technisch angelegt und auf Gestaltung und Entwicklung industriell gefertigter Serienprodukte spezialisiert. Auf der Grundlage seiner breiten Ausbildung ist dieser Designer in der Lage, zwischen den Interessen und Problemen von Betriebswirtschaftlern, Ingenieuren und Nutzern zu moderieren. Der Industriedesigner beherrscht in der Regel die Herstellbarkeit, die Kostenbetrachtung und die nahtlose Interaktion mit dem Engineering.
Im Gegensatz dazu ist der Produktdesigner eher gestalterisch ausgebildet und weniger technisch oder industriell orientiert. Vor allem Möbel- und Objektdesigner sind meistens ästhetisch- gestalterisch exzellent ausgebildet. Sie beherrschen darüber hinaus Materialien und Prozesse, die vor allem in industrienahen, handwerklich geprägten Branchen eine große Rolle spielen. Umgekehrt kommen diese Spezialisten oftmals mit Produkten, die in einem industriellen Kontext hergestellt oder eingesetzt werden, nicht so gut zurecht.
Ist ein Autorendesigner oder eine Designagentur besser für ein Unternehmen?
Der Autorendesigner hat seine eigene Handschrift und damit seine eigene Art, Produkte zu gestalten und zu interpretieren. Diese Handschrift ist vergleichbar mit der eines Künstlers oder Architekten, der engagiert wird, um ein Ergebnis zu erhalten, das zwar individuell auf das Unternehmen zugeschnitten ist, jedoch stilistisch im Korridor des Gestalters liegt. Der Vorteil liegt also in der Vorhersehbarkeit des Endergebnisses und möglicherweise auch im Marktwert des Autors. Die Gestaltung eines prominenten Designers wird im Produktmarketing gern genutzt, um die Besonderheit und Exklusivität der Lösung darzustellen. Die Beschäftigung eines Autorendesigners bietet daher große Chancen in der Vermarktungsfähigkeit der Produkte.
Je nachdem, wie eigenständig bzw. persönlichkeitsgebunden ein Design ist, besteht allerdings auch das Risiko, dass es nicht zum Rest des Firmenportfolios passt. Auch kann es, bezogen auf die Erfahrungen des Unternehmens, große Probleme in der Entwicklung und Herstellung des Produkts erzeugen. Beispielsweise kann eine Abänderung der ursprünglichen Gestaltungsidee zugunsten einer einfacheren Herstellungstechnik möglicherweise zum Stillstand führen, da sich ein Autorendesigner häufig das vertragliche Recht der Freigabe seines Designs einräumen lassen.
Im Vergleich dazu ist eine Designagentur schon organisatorisch eher auf eine prozesshafte und teamfähige Form der Zusammenarbeit konzentriert. Sie bündelt zumeist unterschiedliche Gestalter-Persönlichkeiten und individuelle Erfahrungen durch einen qualitätssichernden Entwicklungsprozess. Diese Vorgehensweise lässt sich harmonischer in interne Unternehmensprozesse integrieren, ist dadurch weniger disruptiv und weniger radikal. Die Arbeitsweise einer Designagentur lässt sich sowohl Top-down als auch Bottom- up in ein Unternehmen integrieren, abhängig davon wie vertrauensvoll die unterschiedlichen Entwicklungsexperten miteinander umgehen können.
Wie gestalten sich die Kosten für Produktdesign?
Je nach Spezialisierungsrichtung und Industrie haben sich unterschiedliche Modelle der Vergütung für Designdienstleistungen etabliert. Während sich beispielsweise in der Möbelindustrie oder der Tischkulturbranche die lizenzbasierte Vergütung durchgesetzt hat, wird das klassische Industriedesign eher projektweise, phasenweise und im Kern nach Aufwand abgerechnet. Nachstehend finden Unternehmen vier Modelle, die variiert und miteinander kombiniert werden können, entscheidend sollte grundsätzlich das Geschäftsmodell des kooperierenden Unternehmens sein. Eine Designagentur beispielsweise wird in der Regel mindestens eine Grundvergütung oder Projektpauschale berechnen.
1. Lizenzbasierte Vergütung (branchenspezifisch und eher für Objekt- und Möbeldesign)
Hier werden Verträge geschlossen, die den Designer am Nettoumsatz des Werksabgabepreises beteiligen. Die Lizenzregelung wird mit einer Projektpauschale kombiniert, um so ein gegenseitiges Interesse und Commitment zur Zusammenarbeit zu sichern, diese Pauschale kann später mit der Lizenzgebühr verrechnet werden. Der Prozentsatz ist branchenspezifisch und hängt letztendlich von der zu erwartenden Stückzahl und dem Gesamtumsatzvolumen ab.
2. Stundenbasierte Vergütung
Diese Vergütung wird in der Regel phasenweise vom Designer oder der Agentur angeboten. Sind die Aufgabenstellung und der zu erwartete Leistungsumfang klar, kalkulieren Designdienstleister Schritte, Zeit und Ressourcen, um daraus einen Phasenpreis zu errechnen. Ist der Aufgabenumfang absehbar und beispielsweise über Erfahrungswerte oder Vergleichsprojekte vorhersehbar, können Angebote auch über mehrere Phasen erstellt werden, ggf. kann das gesamte Projekt pauschal abgerechnet werden. Die Stundensätze liegen in der Regel zwischen 85 und 250 Euro, je nach Erfahrung der Mitarbeiter und Wertigkeit der Tätigkeit (operativ oder beratend).
3. Nutzungsrechtbasierte Vergütung
Diese Art der Vergütung wird häufig mit der stundenbasierten kombiniert. Designer geben ihren Auftraggebern ein Recht zur Nutzung ihres Designs. Je nach Geschäftsmodell und AGB der Designagentur ist das einfache Nutzungsrecht für das Ergebnis – zeitlich und örtlich begrenzt – bereits in der Stundenvergütung enthalten. Wird ein Produkt weltweit für einen erweiterten Zeitraum produziert und vertrieben, sind daran nutzungsrechtsbasierte Regelungen gebunden. Möglich sind auch pauschalisierte Nutzungsrechte, die jedoch dann den Angebotspreis insgesamt und/oder den Stundensatz beeinflussen.
4. Patent- und schutzrechtsbasierte Vergütung
Auch diese Vergütungsform wird meistens mit der stundenbasierten kombiniert. Einige Designagenturen arbeiten an der Schnittstelle von Design und Engineering und können eigene Patente und Schutzrechte für ihre Entwicklungen sichern. Vielfach haben die Agenturen aber kein Interesse an der eigenen Verwertung der Patente, sondern sehen diese als Teil ihres Geschäftsmodells. Die Übertragung solcher Lizenz- und Schutzrechte erfolgt dann zumeist pauschal und orientiert sich am Entwicklungsbudget oder der Nutzenerwartung im Markt.
Wie kann ein Unternehmen erfolgreich mit dem Produktdesigner zusammen arbeiten?
1. Die Expertise
Ein Designprozess ist in der Regel so angelegt, dass der Designer sich innerhalb kurzer Zeit mit einer gesunden Außenperspektive in das Problemfeld seines Auftraggebers einarbeiten kann. Unternehmen sollten daher bei der Auswahl des passenden Designers auf vergleichbare Produktkomplexitäten oder Aufgabenteile achten und nicht so sehr darauf, ob bereits ein Produkt in der gleichen Branche und Industrie entwickelt wurde. Sind Herstellungsprozesse ähnlich und ist die Produktkomplexität vergleichbar, werden branchentypische Normen und Prozesse verstanden (beispielsweise Zulassung, Installation, Haftung etc.).
2. Örtliche Nähe
Je nach Unternehmenskultur kann örtliche Nähe ein entscheidender Faktor für den Erfolg der Zusammenarbeit sein. Strebt ein Unternehmen eine enge Kooperation zwischen seiner Entwicklungsabteilung und dem Designdienstleister an, sollten Kosten und Aufwand für Reisen und Meetings gut überlegt werden. Viele Unternehmen pflegen darüber hinaus eine Abstimmungs- und Gesprächskultur selbst für kleinste Änderungen und Prozessabweichungen – dann ist örtliche Nähe durchaus entscheidend. Sind die Entwickler in einem Unternehmen hingegen intern daran gewöhnt, große Distanzen und einige wenige Meetings durch schlanke und effektive Organisationsprozesse zu kompensieren, kann die örtliche Nähe vernachlässigt werden.
3. Kostenstruktur
Die Kostenstruktur muss zur Arbeitsweise und zu den Freigabe- bzw. Controlling-Prozessen eines Unternehmens passen. Wer auf gedeckelte und absolut planbare Budgets angewiesen ist, benötigt Designpartner, die entsprechend abrechnen können. Wird in einem Unternehmen eher auf Vertrauensbasis und Abruf gearbeitet, wird ein Partner benötigt, der einen planbaren und fairen Beratungsstundensatz mit entsprechender Abrechnungsmodalität anbieten kann.
4. Vorgehen und Prozess
Vorgehen und Prozess eines Designers sollten sich in die Entwicklungsstruktur eines Unternehmens integrieren lassen, Phasenergebnisse und Timing müssen in gelernte Prozesse eingebunden werden können. Auch wenn nicht überall völlige Deckungsgleichheit gefunden wird, ist es wichtig, die Dienstleistung externer Designer sauber mit den internen Abteilungen und Prozessen zu verankern.
Drei Stufen bis zum richtigen Designpartner
1. Grobe Identifikation
Wenn ein Unternehmen eine Aufgabenstellung in einem bestimmten Themenfeld definiert hat, kann anhand fachlicher Expertise und regionaler Erwägungen eine onlinebasierte Vorauswahl möglicher Partner getroffen werden. Die jeweilige Website hilft dabei, ein erstes Gefühl für Sprache, Vorgehensweise und Referenzen der Dienstleister zu bekommen – es ist sinnvoll, hier eine Streuung von unbekannten und etablierten Agenturen zuzulassen.
2. Screening des Portfolios und der Referenzen
Die meisten Designer verfügen über ein bestimmtes Portfolio an Referenzen, die zur Aufgabenstellung des Unternehmens passen könnten. Je genauer eine mögliche Aufgabenstellung oder angestrebte Produktkategorie formuliert wird, desto einfacher und konkreter wird der Screening-Prozess. Dabei sind Bedenken des Auftraggebers, den Designern ihre Entwicklungsabsicht mithilfe einer Geheimhaltungsvereinbarung mitzuteilen, unnötig, denn dieses Procedere ist tägliches Geschäft, mit dem jeder professionelle Designdienstleiter sorgfältig umgeht.
3. Angebotseinholung
Spätestens mit Beginn des Angebotsprozesses müssen dann Aufgabe und Entwicklungsabsicht den zwei oder drei Dienstleistern, die in der engeren Auswahl sind, weitestgehend offengelegt werden. Entscheidend für ein in jeder Hinsicht passendes Angebot ist das Briefing des Designers oder der Agentur. Es sollte unbedingt folgende Aspekte berücksichtigen: Problemstellung, vorgesehener Markt, angestrebte Stückzahl, Einführungszeitraum, gewünschter Umfang der Unterstützung, vorhandene Marktdaten oder Marktforschungsergebnisse sowie eigene Fertigungs- und Entwicklungsexpertise. Auf Sonderkosten, Nutzungs- und Lizenzrechte sollte auf jeden Fall geachtet werden – der Dialog über das Angebot und seinen Umfang kann vom Unternehmen gut genutzt werden, um ein Gefühl für die Klarheit der Kommunikation mit dem möglichen Partner zu erlangen.
W&V-Gastautor Gert Treuernicht ist Professor für Konsumgüter-Interface Design an der Bergischen Universität Wuppertal und Gründer von Squareone, einer Designagentur für strategische Produkt- und Innovationsentwicklung mit Sitz in Düsseldorf.