
Interview mit Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach :
Social Media in Agenturen: "Wir brauchen keine Rockstars mehr"
Zu undiszipliniert, zu selbstreferenziell, zu wenig teamfähig: Achtung-Digitalchef Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach rechnet mit "Social-Media-Rockstars" in der Kommunikationsbranche ab. Welche Persönlichkeiten Agenturen von heute brauchen, erklärte er im Interview mit W&V-Redakteurin Franziska Mozart.
Auf dem Online-Karriere-Tag am 24.10. in Hamburg sprach Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach über Social Media und Jobs und erklärte: "Warum wir keine Social-Media-Rockstars einstellen". Er ist Digitalchef bei der Agentur Achtung. Mit W&V Online sprach er darüber, warum die Zusammenarbeit mit "Social Media Rockstars" schwierig sein kann.
Herr Lünenbürger, Sie stellen keine "Social Media Rockstars" mehr ein, wen meinen Sie damit?
Leute, die unglaublich viel über Social-Media-Kommunikation erzählen. Die viel twittern oder bei Facebook posten. Die eine hohe Reichweite haben, die aber in keinem Verhältnis zu ihren Erfahrungen in der Kohlenstoffwelt stehen.
Und was ist das Problem mit ihnen?
Als Agenturen wie Achtung oder Edelman, wo ich früher war, ab 2006 begannen, eigene Social-Media-Teams aufzubauen, setzte man auf Leute, die man kannte, die hohe Reichweiten hatten, viele Tweets absetzten und viel auf Konferenzen rumhingen. Allerdings mussten wir feststellen, dass das häufig nicht diejenigen waren, die auch die Kundenarbeit machten und sich in arbeitsteiligen Organisationen gut zurechtfanden. Sicher sind viele der sogenannten Social Media Rockstars nicht zufällig Freelancer.
Kling wie der Vorwurf, sie könnten sich nicht anpassen und ordentlich arbeiten.
Naja, wenn jemand die Vorstellung hat, drei Viertel seiner Arbeitszeit mit Netzwerken verbringen zu können und in der Arbeitszeit jedes Barcamp besuchen will, dann knallen in der Arbeitswelt nun mal verschiedene Vorstellungen aufeinander.
Sie wollen also nicht die Selbstdarsteller, sondern die Arbeitstiere?
Nein, ich habe nichts gegen Selbstdarsteller, bin ja auch einer. Aber wir fahren besser, wenn wir Menschen ins Team holen, die auch andere Dinge jenseits von Social Media gut können. In einer Agentur sollten sich die Mitarbeiter selbst nicht wichtiger nehmen als die Kunden. Wir können natürlich über Personenmarken sprechen. Aber wenn diese größer werden als die Kundenmarken, dann haben wir ein Problem. Denn die Aufgabe von Agenturen ist es, die Kunden auf den Sockel zu heben.
Werden aber von Kunden diese Personenmarken nicht auch verlangt?
Bei Kunden, die das wollten, mussten wir ganz oft hinterher aufräumen. Die stellen zum Beispiel fest, dass die Ein-Personen-Agentur zwar viel verspricht, es dann aber bei der Umsetzung hapert. Da muss hinterher oft die Strategie noch etwas glattgezogen werden. Wir haben in letzter Zeit Leute eingestellt, die vor allem auch etws anderes können. Eine Mitarbeiterin hat zum Beispiel einen schönen Blog zum Thema Essen und hat in diesem Feld eine gewisse Anerkennung. Das ist mir lieber als ein Blogger, der über Food-Blogs bloggt.
Ist ein eigener Blog oder eine bestimmte Social-Media-Reichweite bei Ihnen Voraussetzung?
Das setzen wir nicht voraus, aber ich bin mir sicher, dass heute niemand mehr einen Job in der Kommunikationsbranche bekommt, der sich nicht sicher und souverän im Social Web bewegen kann. Aber solche Leute begegnen uns auch gar nicht mehr, vielleicht bewerben sie sich einfach nicht bei uns. Letztlich ist Social Media aber heute echt kein Unterscheidungsmerkmal mehr.