Gastbeitrag von Jérôme Cholet:
Sonderpreis für Polizeisprecher: Glaubwürdigkeit im Live-Stream-Zeitalter
Pressesprecher mit Blaulicht: Marcus da Gloria Martins ist durch die Krisenkommunikation der Münchner Polizei nach dem Amoklauf vom 22. Juli berühmt geworden. Am Abend erhält in Berlin für seine Arbeit den "Sonderpreis des Bundesverbands deutscher Pressesprecher."
Er ist der Pressesprecher, der mit Blaulicht unterwegs ist. Marcus da Gloria Martins ist durch die Krisenkommunikation der Münchner Polizei nach dem Amoklauf vom 22. Juli berühmt geworden. Am Abend erhält er auf dem Kommunikationskongress in Berlin für seine Arbeit den "Sonderpreis des Bundesverbands deutscher Pressesprecher".
Jérôme Cholet, Sprecher der McCann Worldgroup, traf Marcus da Gloria Martins am Rande des Kongresses in Berlin. Seinen Artikel über den Polizeisprecher veröffentlichen wir hier als Gastbeitrag.
Von Jérôme Cholet
Ruhig, souverän, informativ – das sind die Grundeigenschaften des Pressesprechers der Münchner Polizei: Marcus da Gloria Martins. Millionen hörten ihm gebannt zu Ende Juli nach dem Amoklauf eines 18-Jährigen in München. Es war vor allem die Flut an unbestätigten Informationen und die Kraft der Bilder, die den Krisen-PR-Experten an jenem Abend herausforderten.
Glaubwürdigkeit ist für Marcus da Gloria Martins die zentrale Währung als Pressesprecher, nicht nur bei der Polizei. Als die Meldung ihn an jenem 22. Juli erreichte, war er auf einer Konferenz außerhalb der Landeshauptstadt. Aber die Meldungskette funktionierte. „Und ich darf zu den wenigen Pressesprechern gehören, die mit Blaulicht unterwegs sein können,“ sagt er schmunzelnd. Als er dann das Polizeipräsidium erreichte, liefen ihm schon die ersten Menschen in der Fußgängerzone panisch entgegen und Kollegen der Polizei waren mit Maschinenpistolen unterwegs.
Sein Stab ist jederzeit auch ohne ihn arbeitsfähig
Aber sein „Stab ist jederzeit auch ohne mich arbeitsfähig,“ gibt der bescheidene Mann mit der dunklen Brille zu. „Als ich im Polizeipräsidium eintraf, waren schon Mitarbeiter vor Ort und hielten uns auf dem Laufenden.“
Die größte Herausforderung am Abend des Münchner Amoklaufs war für ihn, die Masse an unbestätigten Informationen zu ordnen und zu verifizieren. Denn bereits wenige Minuten nach dem ersten Schuss wurde live auf Social Media wie beispielsweise Periscope von dem Amoklauf berichtet. Gleichzeitig sahen sich die klassischen Medien wie Radio, Fernsehen und auch online von den Echtzeitinformationen unter Druck gesetzt und die Macht der Bilder überwältigte alle.
Gloria Martins musste also Informationsdruck und Verifizierungs-Zeiten ausbalancieren. Dass genau dies ihm und seinem Team aus 18 Mitarbeitern an jenem Abend gelang, zeichnet jetzt auch der Bundesverband deutscher Pressesprecher auf dem Kommunikationskongress 2016 aus.
Gelungen ist die Kommunikation einerseits aufgrund eines abgestimmten Teams, vordefinierter Prozesse und schließlich auch, weil die Journalisten in Hintergrundgesprächen stetig informiert wurden und sich Gloria Martins schließlich selber vor die Kameras stellte und damit dem hohen Informationshunger Rechnung trug und genau die Botschaften platzieren konnte, die verifiziert waren. Anderes ordnete er gekonnt ein, was Ruhe in die Berichterstattung brachte. „Wir hatten einen roten Faden, eine Einsatzkonzeption. Und schließlich mussten wir flexibel sein,“ sagt er.
Alles ganz ohne Training - nur durch Stresshormone
Allerdings klappte auch nicht alles. Das Social Media-Monitoring, das auch in seinen Arbeitsbereich fällt, hatte bei über einhundert Interaktionen pro Minute nicht mehr funktioniert. Denn jenseits aller Automatisierungsmöglichkeiten bedarf es dazu noch immer Menschen, die die Relevanz der Tweets und Posts bewerten können. 52.000 Interaktionstickets waren noch um 24 Uhr offen, das konnte erst innerhalb der nächsten Tage abgearbeitet werden. „Obwohl auch darin wertvolle Hinweise für andere Weichenstellungen gelegen hätten,“ gibt Gloria Martins selbstkritisch zu.
Ganz zufrieden war Gloria Martins am Ende nicht. Denn die Interaktion mit den Bürgern per Telefon und Twitter, eine der Aufgaben seines Teams, musste an dem Abend eingestellt werden. Dazu hat das Personal einfach nicht gereicht. Stolz sein kann er aber trotzdem, denn nicht nur durch seine souveräne Art vor den Kameras wurde der Hysterie begegnet, sondern auch durch die Koordination aller Stellen, die zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gehören. Sachlich, souverän und ruhig begegnete er den Journalisten. „Und das alles, ganz ohne Training,“ gibt er zu, „kein Abendessen, kein Kaffee, keine Vorbereitungsseminare, einfach nur durch Stresshormone.“