
Entsetzen über Kampagne:
TV-Stars spalten mit Aktion die Gemüter
Unter dem Hashtag #allesdichtmachen wollen 53 prominente TV-Stars die Corona-Politik der Bundesregierung kritisieren. Die Kampagne kommt jedoch völlig falsch an - und entsetzt auch Kollegen der Promis.

Foto: Jan Josef Liefers/Instagram
Diese Aktion ging wohl nach hinten los: Unter dem Hashtag #allesdichtmachen hatten sich 53 prominente Schauspieler zusammengefunden, darunter Jan Josef Liefers, Wotan Wilke Möhring, Heike Makatsch, Ulrich Tukur oder Meret Becker. In kurzen Clips machen sie sich auf der Website Allesdichtmachen.de, die aktuell nicht mehr aufgerufen werden kann, über Anti-Corona-Maßnahmen lustig.
So atmet etwa Tatort-Kommissar Richy Müller abwechselnd in zwei Tüten, Heike Makatsch reagiert nicht auf Klingeln an der Haustür, Jan Josef Liefers bedankt sich leicht ironisch "bei allen Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben."
Die Satire kommt nicht an
Eine satirische Aktion sollte es sein, die die Corona-Politik der Bundesregierung kritisieren sollte. Die Reaktionen, die die Performance auslöste, fallen aber zum großen Teil eher entsetzt bis peinlich berührt aus. Auch viele Kollegen der Mimen können den Auftritt nicht nachvollziehen. Nora Tschirner warf den Machern der Kurzfilme Handeln "aus Langeweile und Zynismus" vor, ihr "Tatort"-Kollege Christian Ulmen unterstrich diese Aussage ebenfalls mit einem Posting: "Heute bisschen für Kollegen schämen." Elyas M‘Barek äußert direkte Kritik an Liefers: "Come on, das ist doch Blödsinn. Jeder will wieder zur Normalität zurückkehren, und das wird auch passieren." Alle müssten dafür sorgen, dass eine weltweite Pandemie bekämpft wird. Mit Zynismus sei keinem geholfen.
Was die Teilnehmer von #allesdichtmachen möglicherweise nicht bedachten: Ihre Aktion wird von der "Querdenker-Szene" mit Begeisterung aufgenommen und geteilt – ein möglicher Satiregedanke kommt dort offensichtlich nicht an. Auch wenn sich Liefers in einem Folgepost auf Instagram mittlerweile ausdrücklich von der Szene distanziert: "Eine da hinein orakelte, aufkeimende Nähe zu Querdenkern u.ä. weise ich glasklar zurück. Es gibt im aktuellen Spektrum des Bundestages auch keine Partei, der ich ferner stehe, als der AfD. Weil wir gerade dabei sind, das gilt auch für Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker, Corona-Ignoranten und Aluhüte. Punkt." Gefeiert wird er von ihnen trotzdem, etwa von der AfD-Bundestagsabgeordneten Joana Cotar. Sie twittert: "Das ist intelligenter Protest."
Das hat wohl mittlerweile auch Heike Makatsch zu denken gegeben. Sie hat sich auf Instagram von der Aktion inzwischen distanziert: "Wenn ich damit rechten Demagogen in die Hände gespielt habe, so bereue ich das zutiefst", verkündet sie.
Auch habe sie niemals das Leid der Corona-Erkrankten und ihrer Angehörigen schmälern oder sie mit ihrem Beitrag verletzen wollen. Dieser persönlichen Bilanz fügte sie einen vielsagenden Hashtag hinzu: #womöglichgescheitert. Dieser Ansicht sind inzwischen auch ihre Kollegen Meret Becker, Kostja Ullmann und Ken Duken. Sie haben ihre Beiträge zurückgezogen - weitere Kollegen dürften folgen, nachdem ihnen die Wirkung ihrer Ausssagen ebenfalls bewusst wird. Kunst müsse zwar Fragen stellen können, schrieb Becker am Freitag in einem Beitrag auf Instagram. "Aber diese Aktion ist nach hinten losgegangen." Sie werde das Video entfernen lasse und entschuldige sich dafür, dass es falsch verstanden werden konnte.
Die ursprüngliche Website ist weiterhin offline, mit ähnlich klingenden Domains hat sich mittlerweile ein Kritiker der Aktion einen - nun ja, Spaß kann man es nicht wirklich nennen - erlaubt: Wer etwa Allesdichtmachen.com eingibt, wird zur ARD-Mediathek umgeleitet - auf die Dokumentation "Charité-Intensiv-Station 43", die den Alltag von Intensivmedizinern während der Pandemie schonungslos zeigt.