Munich Digital Institute:
Teenies flüchten aus Facebook? Der Faktencheck.
"Facebook ist uncool" und "Die Teens sind doch längst ganz woanders": Mit solchen Sätzen können Sie mittlerweile jeden Business Lunch bestreiten. Aber stimmt das neue Vorurteil gegen Facebook überhaupt? Christian Henne vom Munich Digital Institute hat das für W&V analysiert.....
"Facebook ist uncool" und "Die Teens sind doch längst ganz woanders": Mit solchen Sätzen können Sie mittlerweile jeden Business Lunch bestreiten. Aber stimmt das neue Vorurteil gegen Facebook überhaupt? Christian Henne vom Munich Digital Institute hat das für W&V analysiert.....
Die Teenager rennen von Facebook weg? Keine Beweise für Deutschland und kein Drama.
von Christian Henne
Die Diskussion um Facebook und seine Nutzerbewegungen gehört heute zum guten Ton der Marketing-Welt. Medien titeln gerne: "Facebook rennt die Jugend davon". Saatchi-Chef Kevin Roberts sagte zuletzt zur Abwanderung junger Facebook-Nutzer, Facebook sei in drei Jahren tot. Daraufhin schrieben wiederum andere, den Saatchi-Chef könne niemand mehr erst nehmen. Auslöser war die neueste Piper Jaffray Studie, in der eine Aussage ist, dass Facebook bei jungen Nutzern signifikant an Bedeutung verliert.
Hier ist ein differenzierter Blick notwendig. Zunächst einmal sehe ich keine klaren Beweise dafür, dass die junge Zielgruppe von Facebook "wegrennt". Zudem möchte ich die Frage stellen, wie relevant die jüngsten Nutzer für die werbetreibende Wirtschaft auf Facebook eigentlich sind.
Aus meiner Sicht muss man für einen ganzheitlichen Überblick mehrere Einzelaspekte in Kombination betrachten:
- Wie sehen Nutzungszahlen und Demografie in Facebook aus?
- Wie steht es um die Kaufkraft der jeweiligen Zielgruppen?
- Wie nutzen die einzelnen Zielgruppen Facebook, wie alternative Angebote?
- Was gehört zum Facebook Universum und ist wie kommerziell nutzbar?
Fakt1: Facebook ist das soziale Netzwerk, das die meisten aktiven Nutzer bindet.
Man kann natürlich nach einer Entwicklung innerhalb von Facebook fragen. Trends haben eine gewisse Aussagekraft. Man kann aber auch – und das ist in meinen Augen relevanter – aktuelle Facebook-Zahlen mit alternativen Angeboten vergleichen. Laut Facebook (Daten kombiniert aus 2013 und 2014) sind in Deutschland im Alter zwischen 18 bis 24 Jahren ca. 4,94 Millionen Profile täglich aktiv. Im Alter zwischen 25 bis 34 sind es ca. 5,89 Millionen.
Es fehlen Vergleichsdaten aus dem Herbst 2014 und man kann sicher fragen, wie verlässlich Zahlen sind, die Facebook selbst ausgibt. Laut Nielsens Digital Consumer Report 2014 lag allein die monatliche Verweildauer über die mobile App in Facebook bei sieben Stunden und 43 Minuten. Angebote wie Instagram, Twitter, Google erreichen in der mobilen Nutzung nicht die Hälfte dieser Zahl. Selbst wenn man eine gewisse negative Tendenz bei den Jüngsten nun unterstellen würde, so kann man sich auf die Aussage festlegen, dass es in der Betrachtung des Jahres 2014 keine öffentliche soziale Plattform gibt, die mehr aktive Nutzer in allen Altersgruppen oberhalb von 18 Jahren bindet als Facebook.
Interessant sind in diesem Zusammenhang die Zahlen der Bitkom-Studie Jugend 3.0 für Deutschland. Sie zeigen eine deutliche Relevanz von Whatsapp im Alter 12 bis 13. In Richtung 16 bis 18 Jahre aber nimmt Facebook in der Bedeutung zu und übertrifft dann Whatsapp. Hier müssen letztlich auch Faktoren wie Internetzugänge, Smartphone-Verträge, Kontrolle durch die Eltern berücksichtigt werden. Generell steigt die Bedeutung sozialer Netzwerke mit dem Alter der Jugendlichen an.
Fakt 2: Die jüngste Zielgruppe ist für das Facebook-Marketing nicht die entscheidende.
Hier sprechen wir nun über Commerce, sowohl für Facebook als auch für die werbetreibende Wirtschaft. Das macht deshalb Sinn, weil Facebook durch die radikale Absenkung von organischen Reichweiten sehr stark in diese Richtung steuert. Zudem sind sich mehrere Studien darin einig, dass Nutzer sich vor allem dann für unternehmens- oder Markeninhalte interessieren, wenn es um Produkte, Kauf und direkte Vorteile geht.
Die Altersgruppe zwischen 25 bis 34 (31%) ist in Facebook in Deutschland am stärksten repräsentiert. Danach kommen die 18 bis 24-Jährigen (26%), dann die 35 bis 44-Jährigen (19%). Legt man auf diese Nutzergruppen nun den Aspekt Gehaltsgröße, dann ergibt sich ein klares Bild
Am interessantesten sind die 25 bis 34-Jährigen, gefolgt von den 35 bis 44-Jährigen. Die 18 bis 24-Jährigen spielen in der Rechnung eine eher untergeordnete Rolle. Diese Gruppe gilt seit langem zwar als hochrelevante Zielgruppe für das Marketing. In Zeiten, in denen sich aber direkt über das Web verkaufen lässt, muss die Frage erlaubt sein, ob man die Zielgruppe nicht auch nach ihren finanziellen Möglichkeiten betrachten muss. So gesehen sprechen wir auf Facebook vor allem über die Gruppe der 25 bis 44-Jährigen. Dies scheint wiederum die stabilste Nutzergruppe zu sein.
Fakt 3: Facebook ist in der Altersgruppe 14-24 in Deutschland hochrelevant!
Laut DIVSI U25 Studie aus dem Frühjahr 2014 sind 68 Prozent der 14-24-Jährigen deutschen Internetnutzer auf Facebook. Die Studie fragte auch: "Auf welches Angebot könntest du am wenigsten verzichten". Hier belegt Facebook die Spitzenposition - noch vor Whatsapp, das in der jungen Zielgruppe ebenfalls eine hohe Relevanz hat. Und auch in der Häufigkeit der Nutzung sprechen die Befunde klar für Facebook. 60 Prozent der Facebook-Nutzer in dieser Altersgruppe sind täglich auf der Seite (Whatsapp 68 Prozent).
Laut der eingangs genannten Piper Jaffray Studie aus den USA gaben im Herbst 2014 nur noch 46 Prozent der jungen Nutzer Facebook als Netzwerk an, welches sie nutzen. Im Frühjahr lag dieser Wert noch bei 72 Prozent. Instagram hat nach dieser Befragung Facebook überholt. Die Frage "Welches Netzwerk nutzen Sie" sagt allerdings wenig aus darüber, ob Nutzer sich von weniger genannten Angeboten abmelden, diese nur weniger nutzen oder aktuell einfach "weniger angesagt" sind. Eventuell wird Facebook bei den Teenagern gar auch nicht mehr als soziales Netzwerk gesehen. Es sind keine weiteren Detailinformation zur Art der Fragestellung zu finden. Ein Zeitraum von einem halben Jahr im Vergleich erscheint auch sehr knapp. Allein aktuelle Ereignisse können die Antworten kurzfristig verändern. Nicht zuletzt kann man eine US-Studie nicht einfach auf den deutschen Markt übertragen. An dieser Stelle sei Twitter genannt, wo sich die Nutzung zwischen den USA und Deutschland radikal unterscheidet.
Fakt 4: Whatsapp- und Instagram-Nutzer bleiben im Facebook-Kosmos!
Facebook ist nicht nur eine Plattform, sondern ein Unternehmen, ein eigenes soziales Universum. Das Unternehmen Facebook hat zuletzt u.a. Whatsapp und Instagram gekauft. Wenn Teile der Nutzer nun tatsächlich ein Stück ihrer Facebook-Nutzung an Whatsapp oder Instagram abgeben sollten, so verlassen sie nicht das Facebook-Universum. Sowohl für Facebook als auch für die werbetreibende Wirtschaft sind sie also weiterhin in Reichweite. Sollte Facebook in der Lage sein, diversifizierte Vermarktungs- und Erlösmodelle auf den einzelnen Plattformen anzubieten, dann ist das eine Chance.
Eine noch zielgruppengerechtere Vermarktung wird möglich. Über Whatsapp ergibt sich bspw. für Unternehmen der Zugang zu den Mobilfunknummern ihrer Kunden. Mobilfunknummern gelten gemeinhin als "stabilste Währung". Auch für den Kundenservice könnte Whatsapp eine interessante Option sein, hat man doch mit der angekündigten End-to-End-Verschlüsselung jeglicher Inhalte einen aufmerksamkeitsstarken Schritt in Richtung Datenschutz angekündigt.
Die Ableitung:
Es ist richtig und sinnvoll, sich die Entwicklungen auf der Plattform Facebook anzuschauen. Sowohl in der Demografie als auch in den organischen Reichweiten und technischen Entwicklungen. Es ist davon auszugehen, dass die enorme Dynamik der letzten Jahre in der Facebook-Nutzung ein Stück weit rückläufig sein wird. Zum Beispiel in der reinen Verweildauer oder auch in der Art, wie Nutzer mit Facebook umgehen. Messenger oder Fotonetzwerke stellen für Facebook eine Konkurrenz dar, die man sich aber mit dem Kauf der Platzhirsche WhatsApp und Instagram zu einem großen Stück ins eigene Haus geholt hat.
Unternehmen müssen die diversifizierte Welt von Facebook verstehen und nach Wegen suchen, Nutzer dort zielgerichtet und in einer dem Kanal angemessenen Art zu erreichen. Hier ist es an Facebook, dafür die Voraussetzungen zu schaffen. Der Facebook Stream allein wird nicht die Zukunft sein. Dies aber muss nicht bedeuten, dass das Unternehmen Facebook für die werbetreibende Wirtschaft an Relevanz verliert.
Spannend zu beobachten wird sein, auf welche Resonanz werbliche Formate und Commerce-Ansätze bei den Nutzern stoßen. Facebook senkt die organischen Reichweiten von Fanpages Richtung Null. Der freie Dialog zwischen Unternehmen/Marken und Nutzern sinkt radikal, die mit Mediageld bezahlte Ausspielung von Inhalten und Angeboten ist klare Strategie von Facebook. An dieser Stelle sei auf den Artikel von Gerald Hensel verwiesen. Im Commerce steckt aber auch Facebook noch in den Kinderschuhen. Angebote der Vergangenheit wurden teilweise wieder eingestampft. Die Einführung eines Buy-Buttons ist angekündigt.
Hier geht's zum ausführlichen Facebook Cross-Check des Munich Digital Institute