Zeit Magazin Relaunch:
Tillmann Prüfer: "Wir wollen nicht ein Magazin sein, das auch einen Online-Auftritt hat"
Das "Zeit Magazin" bekommt online eine neue Heimat, erstmals mit eigener URL und nicht als Rubrik versteckt auf Zeit Online. Die redaktionelle Verantwortung liegt unter anderem bei der Online-Redakteurin Maria Exner und Tillmann Prüfer, dem Style-Director des Magazins. W&V Online hat mit ihnen darüber gesprochen, wie das "Zeit Magazin" ein neues Segement des Premium-Journalismus um Web erobern will.
Das "Zeit Magazin" bekommt online eine neue Heimat, erstmals mit eigener URL und nicht als Rubrik versteckt auf Zeit Online. Ein Team aus Programmierern, Designern und Redakteuren beider Titel setzt das Projekt um. Inhaltlich und optisch – mit opulenten Bilderwelten – bewegt sich das Online-Magazin konzeptionell nahe der Print-Schwester. Die redaktionelle Verantwortung liegt unter anderem bei der Online-Redakteurin Maria Exner und Tillmann Prüfer, dem Style-Director des Magazins. W&V Online hat mit ihnen darüber gesprochen, wie das "Zeit Magazin" ein neues Segement des Premium-Journalismus um Web erobern will.
Frau Exner, Herr Prüfer, Sie nennen das neue Layout, wie Sie es bereits mit dem Tour-de-France-Special getestet haben, auch Feiertagslayout. Wird mit der neuen Plattform für das "Zeit Magazin" bei Ihnen jetzt also auch öfter Feiertag sein?
Maria Exner: Wir bringen tatsächlich mehr Feiertag in die Nachrichtenberichterstattung im Web. Mit Zeit Magazin Online decken wir das gesamte Themen-Spektrum des "Zeit Magazins" ab. Mit Reportagen, aufwändigen Fotoproduktionen, Stil-Themen und vielen neuen Formaten und Kolumnen. Das "Zeit Magazin" ist die emotionale Seite der Zeit. Die gleiche Funktion wird Zeit Magazin Online ab jetzt für Zeit Online haben.
Tillmann Prüfer: Das Internet wird immer optischer und sinnlicher. Dem wollen wir gerecht werden. Im Magazin erzählen wir Geschichten sehr visuell und das übertragen wir nun auf das Internet.
Und wie genau machen Sie das?
Exner: Wir haben nun viel mehr Darstellungsformen zur Verfügung. Bei den meisten journalistischen Angeboten im Netz ähneln sich die Texte sehr, egal welche Geschichte erzählt wird. Meist liegt das an den Vorgaben des Redaktionssystems. Bei Zeit Magazin Online präsentiert sich jeder Artikel auf seine eigene Weise: Es gibt kleine Formate mit Bild und Text für Foto-Kolumnen und große Lesestücke, die so genannte Longform, mit vielen Zusatzinformationen, Grafiken und Bildern.
Prüfer: Dadurch haben wir die Möglichkeit, Geschichten auf andere Arten zu erzählen. Die Titelgeschichte des neuen Magazins etwa handelt vom Siegeszug der Berliner Schaubühne. Im Magazin und der ipad-App veröffentlichen wir die klassische Reportage. Online erscheint ein Multimedia-Feature mit Videos und vielen zusätzlichen Elementen. Wir wollen, dass sich Print- und Internet-Journalismus gegenseitig ergänzen. Wir wollen nicht ein Magazin sein, das auch einen Online-Auftritt hat, sondern unsere Geschichten dem Medium entsprechend gestalten.
Das bedeutet aber sicher auch, dass die Arbeit anders als bisher organisiert werden muss, oder?
Exner: Vor allem geht es um die Zusammenarbeit zwischen den Teams aus der Online- und der Print-Redaktion. Wir wollen nicht, dass ein Redakteur ein Interview macht und nebenher noch ein Video produziert. Stattdessen entwickeln wir gemeinsam eine multimediale Geschichte. Für die aktuelle Ausgabe zum Beispiel bin ich zusammen mit der Print-Kollegin nach Paris gefahren. Elisabeth Raether hat für die Geschichte im Zeit Magazin recherchiert und ich habe die Video-Interviews geführt, die wir online zeigen.
Prüfer: Es ist immer eine Frage der Abstimmung und des gegenseitigen Lernens. Es ist etwas völlig anderes, eine Modestrecke für das Magazin zu fotografieren, oder aber eine interaktive Strecke zu produzieren, bei der man sehen kann, wie sich die Menschen in der Mode bewegen. Diese Dinge machen großen Spaß.
Lohnt sich das denn auch in der Vermarktung?
Exner: Als Redaktion sind wir dafür natürlich nicht zuständig. Allerdings wurde technisch viel Neues entwickelt. Die Webseite des Zeit Magazins ist das erste durchgängig responsive Webangebot eines Magazins in Deutschland. Gemeinsam mit der Agentur Edenspiekermann haben wir die neue Seite so entwickelt, dass sie sich jedem Bildschirm anpasst, egal ob sie per Tablet, Smartphone oder per Desktop gelesen wird. Auch die Online-Anzeigen werden so angepasst.
Wird sich auch redaktionell etwas verändern?
Prüfer: Wir haben ein komplettes aktuelles Magazin für das Netz entwickelt. Es wird viele neue Kolumnen geben. Eine davon ist "Fehlerlesen": Der strengste Korrektor der Zeit, Oliver Voß, erklärt den Lesern die Fallstricke der deutschen Rechtschreibung. Harald Martenstein schreibt zum Start zwei Wochen lang täglich ein kleines Stück. Auch andere Rubriken werden auf Zeit Magazin Online ausgebaut. Und die Promi-Kolumne "Gesellschaftskritik" erscheint ab sofort werktäglich.
Schon früher gab es die Artikel des Magazins mit einer eigenen Rubrik auf der Seite von Zeit Online, doch eine eigene Marke war das Zeit Magazin online noch nicht.
Prüfer: Schon seit langem wird jeder Artikel des Zeit Magazins auch im Netz veröffentlicht. Dazu haben wir eine sehr erfolgreiche iPad-App und sind auf Facebook aktiv. Dort folgen uns mehr als 270.000 Nutzer. Doch das Netz und die Ansprüche der Online-Leser entwickeln sich rasant. Also wollen auch wir uns weiterentwickeln.
Exner: Und wir wissen, dass die Artikel des Zeit Magazins schon bislang viel gelesen wurden. Das Zeit Magazin erzählt Geschichten über Menschen, es zeigt die persönliche und emotionale Seite. Wir wollen den Lesern damit eine Ergänzung zu den klassischen Nachrichteninhalten geben. Online interessieren sich die Menschen zwar auch für die schnellen News, aber man möchte auch etwas lesen, dass sich auf andere Weise mit aktuellen Themen beschäftigt.
Prüfer: Wir wollen natürlich noch mehr Leser Online erreichen. Und zwar mit hochwertigen Geschichten, an die man sich am nächsten Tag noch erinnert.
Aktuell experimentieren ja einige Online-Medien mit opulenten Formaten, interaktiven Web-Specials und Ähnlichem. Sehen Sie den Trend, dass wir auf der einen Seite die Hochglanz-Webseiten haben und auf der anderen Seite die schnellen Nachrichtenportale?
Exner: Ich würde eher sagen, das geht beides zunehmend Hand in Hand. Zeit Online ist von jeher das Online-Medium mit den hochwertigen Geschichten. Und nun freuen wir uns auf viele neue gestalterische Möglichkeiten.