
Farbtrends im Marketing:
Trendforschung: "Farbe ist ein Spiegel der Gesellschaft"
Laurie Pressman ist Vice President beim Pantone Color Institute in New Jersey. Im Interview spricht sie über den Einsatz von Farben in der Werbung und für Marketingzwecke.
Laurie Pressman ist Vice President beim Pantone Color Institute in New Jersey. Im Interview spricht sie über den Einsatz von Farben in der Werbung und für Marketingzwecke.
Wie sieht ein typischer Tag für Sie aus?
Ich habe Kontakt mit allen möglichen Unternehmen, zum Beispiel wenn sie über ein Re-Branding nachdenken. Ich spreche mit ihnen aber auch darüber, wie und wann sie die richtige Farbe in ihre Produktlinie einführen können. Gefragt sind nicht mehr einfach nur kundenspezifische Farben, sondern zunehmend auch die Story dahinter. Farbe ist wichtig, wenn man kommunizieren will, wer man ist und wofür man steht. Denn sie hilft, diese Botschaft in wenigen Sekunden zu transportieren. Das erkennen immer mehr Unternehmen.
Gibt es die perfekte Farbe für eine Marke?
Das glaube ich nicht. Die erste und wichtigste Frage, die ich unseren Kunden stelle, ist nach ihren Markenwerten. Die müssen sie zwingend verstehen. Denn die ersten drei Sekunden entscheiden, wie wir zu etwas stehen. Nehmen Sie Tiffany und das Robin Egg Blue. Das Tiffany-Blau entführt einen sofort in die Welt des Luxus, weil das Unternehmen diese Assoziation über Jahre hinweg aufgebaut hat.
Also braucht es doch Zeit, um eine Verbindung aufzubauen?
So einfach ist es nicht. Wählt man zum Beispiel leuchtendes Gelb als Farbe assoziieren wir diese intuitiv mit Glück. Es gibt eine unmittelbare Verbindung, weil wir diese erwarten. Auf der anderen Seite hat die technologische Entwicklung alles beschleunigt. Wie also schafft man es in der Informationsflut überhaupt noch aufzufallen? Man könnte etwa eine ausgefallenere Farbe für seine Marke wählen. Das kann helfen, sich vom Rest abzuheben.
Verschwinden Trends in Zeiten von Social Media schneller von der Bildfläche?
Social Media hat den Trendzyklus beschleunigt. Trends verbreiten sich global gesehen nicht einfach nur schneller, sie werden auch rascher angenommen, weil wir sehen können, was auf der anderen Seite der Welt passiert. Gleichzeitig beobachten wir, dass andere Trends aufgrund der sozialen Medien länger bestehen. Manche, wie zum Beispiel das Thema Wellness, werden so groß, dass sie eher eine Bewegung als ein Trend sind.
Wie recherchieren Sie Farbtrends?
Pantone arbeitet mit einem globalen Team, das gemeinsam eine Vorhersage zusammenstellt. Zwei Mal im Jahr treffen wir uns in Europa. Wir beobachten, was in der Welt geschieht, und wie es sich in Farbe übersetzen lässt. Farbe ist ein Spiegel der Gesellschaft.
Wie kann man sich das vorstellen?
Um Trends zu identifizieren, betrachten wir viele unterschiedliche Dinge: die Unterhaltungsindustrie, Reiseziele, Kunstausstellungen, Mode, etc. Es gibt bestimmte Schlüsselbranchen, die Trends weiter in die Zukunft denken, wie die Automobilbranche, Filmproduktion, Animation oder der hochpreisige Schmuckbereich.
Wie weit in die Zukunft kann man Farben eigentlich vorhersagen?
Das Produkt, das wir verkaufen, gibt einen Ausblick für zwei Jahre im Voraus. Wir arbeiten aber auch mit Kunden zusammen, für die wir Farben bis zu fünf Jahre im Voraus entwickeln. Manche Unternehmen brauchen diesen Vorlauf, um ihr Produkt zur Marktreife zu bringen. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, weil man nie wissen kann, was als nächstes passiert. Das Weltgeschehen kann die Entwicklung von Farbe verändern. Denken Sie nur an die Finanzkrise zurück. 2008 haben wir sofort mehr sogenannte Investmentfarben gesehen; Farben, die nicht so schnell aus der Mode kommen wie Beige, Taupe und Grau.
Wie bewusst nehmen Konsumenten Farben eigentlich wahr?
Print, Social Media und 24/7-Fernsehen bieten ihnen Orientierungshilfe und viele interessieren sich dafür, welche Farben angesagt sind. Andere begreifen – zumindest nicht bewusst –, dass dieselbe Farbe im Bereich Wohnungseinrichtung auch im Supermarktregal auftaucht. Farbe dreht sich heutzutage um Lebensstil. Unternehmen müssen dieses Bedürfnis bedienen, etwa neue Verpackungen einführen, etc. Sonst riskieren sie, ihre Relevanz zu verlieren. Gerade jüngere Generationen erwarten von Marken mehr. Sie wollen mehr Tiefe, mehr Substanz. Und: Sie sind weniger loyal als ältere Generationen.
In Ausgabe Nr. 12 widmet sich W&V der Trendforschung und wie sie sich durch technische Entwicklungen grundlegend verändert. Redakteurin Christa Catharina Müller hat mit fünf Experten über die Zukunft der Bildsprache, der Farbe, des Handels, der Arbeitswelten und des Marketings gesprochen.