Für den echten Liebhaber  – und die gibt es auch im privaten Segment – spielt das keine Rolle. Für ihn ist USM kein ethisches Problem. Und ein ästhetisches schon gar nicht. "Wir haben eine Menge Bestandskunden", sagt Hilger Kuhtz, der in dem offen gestalteten Showroom die Kundschaft unterstützt. Der Berater  spielt damit auf jenen Generationenwechsel an, der sich gerade bei der geschätzten Kundschaft vollzieht: Junge Leute haben nicht nur den Erfolg, sondern auch den Geschmack von den gut situierten Eltern oder Großeltern geerbt: "Die brauchen jetzt  Ergänzungen", erklärt Kuhtz die Situation.

Dann kann das Sideboard der Eltern vergrößert oder umgebaut werden – die Elemente dazu gibt es in jedem Showroom, dem Katalog oder im Internet. Für die Montage sind allerdings Spezialisten erforderlich. Deren Stundensatz beträgt pro Kopf 44 Euro plus Mehrwertsteuer.

Eine Affinität zum Elitären vermag Stefan Vogler der "Pioniermarke" (Vogler) trotz allem nicht zu zugestehen. Der Zürcher Markenexperte, der USM schon seit langem mit großem Interesse beobachtet (und sich vor 30 Jahren erstmals ein USM-Regal zugelegt hatte), würde der Marke eher das Attribut "intelligent" zuordnen. Man habe es bei dem USM-System  mit einer "x-fach nachgeahmten, aber nie erreichten" Modullösung in schlichtem Design zu tun, die eine auf die spezifischen Bedürfnisse abgestimmte Raumgestaltung zulasse. Vogler: "USM ist zum Synonym für clevere Qualitätsregale geworden. Mehr kann keine Marke erreichen." Vor allen in Zeiten volatiler Belegschaftsgrößen empfehle sich dieser Griff in die innenarchitektonische Trickkiste.

Das eherne Design-Gesetz gilt auch hier: Form folgt Funktion. Es fällt auf, dass es  meist erste Adressen in Sachen Ästhetik und Avantgarde sind, die, über den  ganzen Globus verteilt, diese helvetische Variante der Raumgestaltung ganz besonders mögen: Der Council of Fashion Designers of America (New York) gehört ebenso dazu wie das Musée Rodin (Paris), Red Bull Japan (Tokio)  oder der Spiegel-Verlag (Hamburg). Ein  Meilenstein, dessen Wert weder in Rappen und Franken zu bezahlen ist, ist die Präsenz  im New Yorker Museum of Modern Art. Seit 2001 steht das USM-Möbelkonzept dort in der permanenten Sammlung.

Die eigentliche Erfolgsgeschichte begann 1960. Damals traf Paul Schärer, der Enkel des Schlossermeisters Ulrich Schärer aus Münsingen im Kanton Bern, den Architekten Fritz Haller. Der junge Baumeister sollte die neuen Fabrikbauten von USM vorantreiben. Schon damals spukten flexible Lösungen durch den Kopf des Diplomingenieurs Schärer. Dieser hatte zunächst für den Eigenbedarf die Möbel mit dem Kugelkopf gebaut, was seinem damaligen Kunden, der Pariser Banque de Rothschild so gut gefiel, dass man sich auch gerne mit den Teilen, die sich damals noch in der Bauhausfarbe Gelb präsentierten, umgeben hätte.  

Bei dem Planungsauftrag für Fabrik- und Verwaltungsgebäude blieb es nicht, es entstand 1963 – kongenial – das USM Möbelbausystem Haller. Zwei Jahre später ging man damit auf den Markt: Unaufgeregte schweizerische Noblesse plus Funktionalität und 14 Standardfarben. Als 1985 das Unternehmen seinen 100. Geburtstag feierte, war USM mit seinem Erkennungszeichen, dem Knotenpunkt mit der Kugel, schon längst auf der Überholspur – und auf dem Weg zur Kultmarke.

Von Exklusivität oder  "Vorstandsmöbel" habe man am Beginn der Erfolgsstory noch nicht reden  können – dafür hatte man auch ein völlig anderes Segment im Visier. Denn Haller konzipierte sie für die (gerade in Mode kommenden) Großraumbüros, wo unterschiedlich strukturierte Naturen mit einem übersichtlichen und leicht zu bedienenden Aufbewahrungssystem versorgt werden mussten. Erst Jahre später öffnete sich der Markt für das private Segment. Deren Käufer realisieren mit ihrer Kaufentscheidung  gerne jenes Gefühl, das Vogler mit dem Satz beschreibt: "Man verbindet Exklusivität und Prestige auf der emotionalen Ebene, und zwar immer auf der Basis höchster Funktionalität." Also auch die Sicherheit, "in Swiss Quality gut und richtig investiert zu haben".

"Seit etwa drei Jahren können wir einen starken Trend zum privaten Wohnen feststellen", sagt Schäfers. USM reagiert auf diese Entwicklung und präsentiertan der Möbelmesse in Mailand ein überarbeitetes Tischoberflächen-Konzept mit 55 neuen Oberflächen und 34 neuen Farben, zusätzlich zu den bereits bestehenden 14 Standardfarben für die Möbel. Dazu geölte statt lackierte Eiche. Am 11. April will man die Neuheit auf dem Salone Internazionale del Mobile in Mailand präsentieren.

Offensichtlich steckt hinter dieser Akzentverschiebung in Richtung Private Customer auch ein strategisches Kalkül: Das Unternehmen will dem krisenanfälligen Markt der Büromöbel – in den noch immer über 70 Prozent der Produktion geht – ein Schnippchen schlagen. Der seit 2000 amtierende Verwaltungsratspräsident und Sohn des Firmengründers, Alexander Schärer, 47, gibt zu verstehen, dass man mit dem neuen Programm  auch viel besser "Schwankungen im Auftragsvolumen abfedern" könne. Zu dieser Neuausrichtung zählt auch die Erschließung neuer Märkte. Vor allem im Visier: England und Australien.

Alles wird in der Schweiz produziert, sagt Thorsten Schäfers, Marketingleiter  aus dem badischen Bühl, wo die USM U. Schärer Söhne GmbH (Deutschland) seit 1975 ihren Sitz hat. Die einzelnen Teile kommen von Münsingen direkt nach Baden, wo jedes einzelne Möbel  montiert wird. Die neueste Entwicklung auf diesem Sektor liefert die vollautomatische 20 Millionen Franken teure Pulverbeschichtungsanlage, die gerade in Münsingen auf 4000 Quadratmeter installiert wurde. Sie soll ab Sommer doppelt so viel wie die alte Anlage produzieren können. Mit anderen Worten: Keine Auslagerung in Exotenländern, auch wenn dort riesige Märkte locken.

Weil sich der Schweizer als solcher nur höchst ungern in die Karten blicken lässt, ist auch wenig über das Familienunternehmen USM zu erfahren: Deutschland-Umsatz 2012: rund 59 Millionen Euro, 400 Beschäftige, davon 235 in Münsingen. Werbevolumen? Fehlanzeige. Man arbeitet mit zwei Agenturen aus dem Kanton Bern zusammen: P‘INC aus Langenthal , zuständig für das CD, und der Design-Agentur aus La Neuveville, die den Mailänder Messestand wie auch das diesjährige Showroom-Konzept entwickelte.  

Geworben wird  vorwiegend in klassischen (Print-)Medien, wo man seine Zielgruppe anzutreffen glaubt – jene lebenspraktische, dem Schönen und Außergewöhnlichen zugewandten Klientel, die sich nicht selten in "GEO Saison", "Audi"-oder "Lufthansa-Magazin" verbergen. Schäfers: "Unsere Leute interessieren sich sehr stark für Reisen und Lifestyle." Zusätzlich ist man auch Online aktiv, wo ab Mai gemeinsam mit den Machern von Freunden von Freunden der Corporate Blog "Personalities by USM" realisiert wird, auf dem Persönlichkeiten ihre eigene USM-Geschichte erzählen.