So geht's nicht, hatte schon das Landgericht dem Konzern ins Stammbuch geschrieben: Die EU-Marktrichtlinie gelte für alle, und wenn das Amazon-Geschäftsmodell damit nicht funktioniere, müsse der Online-Händler sein Geschäftsmodell eben ändern und nicht umgekehrt.

Dass das - anders als zunächst behauptet - auch geht, hat Amazon inzwischen gezeigt. Wie die Anwältin des Unternehmens vor Gericht sagte, gibt Amazon fresh jetzt ein konkretes Ursprungsland an. Allerdings könnten Kunden jetzt nur noch drei Tage im Voraus bestellen, das Angebot sei kleiner geworden, und "die Verkaufsmenge ist um über 20 Prozent gesunken".

Ein harter Schlag, denn nach Einschätzung des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI verdient in Deutschland noch niemand Geld mit dem Online-Lebensmittelhandel - von Spezialisten wie Weinversendern abgesehen. Deshalb tummeln sich auch nur wenige auf diesem Feld. Während im Einzelhandel vor Ort die Supermärkte und Discounter die größten Umsätze machen, ist es in der Online-Welt genau umgekehrt: Da sind die Lebensmittelhändler die Zwerge mit knapp zwei Prozent Geschäftsanteil.

"Vollsortimenter wie Rewe oder Amazon fresh gibt es ganz wenige. Frisches Obst und Gemüse, tiefgekühlten Fisch zu verschicken, das ist anspruchsvoll", sagt Lars Hofacker, Leiter des EHI-Forschungsbereichs E-Commerce. "Wenn der Ravioli-Hersteller das Rezept ändert, kann das der Käufer auf der Dose nachlesen. Online ist das viel komplexer." Dabei gehe es auch um Fragen der Haftung, zum Beispiel bei Allergien. "Die Rewes und Edekas gehen da sehr gewissenhaft vor. Start-ups scheinen da manchmal, nun - pragmatischer zu verfahren."

Die Online-Vollsortimenter sind vor allem in Großstädten unterwegs, wo es auch viele Läden gibt. Als Amazon vor vier Jahren angekündigt hatte, mit Lebensmitteln auf den Markt zu kommen, habe mancher gesagt: "Jetzt ändert sich alles! Aber das ist noch nicht passiert", sagt Hofacker. "Verbraucher und Händler nähern sich dem Thema immer noch an." Immerhin gibt es in Deutschland rund 37.000 Lebensmittelläden und unzählige Bauern- und Wochenmärkte.

Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz der Online-Lebensmittelhändler laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) von 1,6 auf 2,7 Milliarden Euro. Die Corona-Pandemie habe ihnen neue Kunden gebracht. "Manche Ältere, die nicht in einen Laden gehen wollten, haben gelernt: Das ist eine Option, wenn man mal nicht mehr so mobil ist", sagt Hofacker. "Nach Corona dürfte der Online-Handel mit Lebensmitteln auf einem höheren Niveau weiterwachsen."