Andreas Heim: Natürlich kann man eine solche Marke nicht gegen den Willen der Mitgliedsunternehmen durchsetzen. Deshalb wurden wichtige Mitgliedsunternehmen von Anfang an aktiv eingebunden in die Erarbeitung eines kommunalen Markenkerns. Ziel war, die Akzeptanz auszuloten und kommunale Gemeinsamkeiten herauszufiltern. Die Stärke der Gesamtheit der kommunalen Unternehmen muss man erlebbar machen. Das geht nur über eine starke Marke.

Warum gerade jetzt?

Reck: Ich wollte es ganz gerne in meiner Amtszeit machen – einer muss es ja beginnen (lacht). Nein, im Ernst: Wenn nicht jetzt, wann dann? Ich glaube: Nach der Wirtschafts- und Finanzkrise, nach dem Atomunfall in Fukushima und aufgrund der labil erscheinenden Gesamtsituation in Europa besinnen sich die Menschen auf ihre Heimat zurück. Die Menschen leben vor allem in ihrer Gemeinde, ihrer regionalen Struktur. Die ist für sie transparent und verständlich. Alles andere wird durch das Internet beschleunigt und damit komplexer und unüberschaubarer. Gleichzeitig entwickeln sich Technologien dezentral. Durch die große Koalition im Bundestag erhalten wir Rahmenbedingungen, die es uns möglich machen, auf europäischer Wettbewerbs-Ebene erfolgreich arbeiten können. Das ist eine Riesen-Chance für uns. Deshalb brauchen wir jetzt eine einheitliche Marke.

Aber die Kommunen leiden doch unter enormem Geldmangel.

Reck: Man muss unterscheiden zwischen der öffentlich verwalteten Kommune, also Stadt, Gemeinde und Landkreis einerseits, und der kommunalen Wirtschaft andererseits. Die Kommunen sind tatsächlich oft ausgeblutet, aufgrund einer verfehlten Sozialpolitik. Die kommunale Wirtschaft dagegen steht relativ gut da – allerdings gemeinwohlorientiert und nicht mit Kapitalmarktrenditen von 15 Prozent. Aber wir agieren in einem sehr schwierigen Marktumfeld. Nach Fukushima sind keine richtigen Rahmenbedingungen gestellt worden. Wir haben – wie viele Unternehmen in der Branche – in hoch effiziente fossile Kraftwerkskapazitäten investiert, die man auch in 30 Jahren noch brauchen wird: Die so genannten Dualkraftwerke. Die sind aber alle nicht rentabel, aufgrund einer Marktverzerrung durch diese überbordende Subventionierung der erneuerbaren Energien. Die treibt die Börsen-Strompreise nach unten. Insgesamt geht es uns aber besser als den regionalen großen Versorgern.

Herr Heim, die Agentur Brandoffice betont die Wichtigkeit einer unternehmerischen Vision am Beginn der Markenarbeit. Was ist denn die unternehmerische Vision der Kommunalen?

Heim: Lebensqualität aus eigener Kraft. Das ist die Vision der Marke. Die Kommunalen werden angetrieben von der Idee, aus eigener Kraft Infrastrukturleistungen zu entwickeln und dadurch Lebensqualität zu steigern und Versorgungssicherheit zu bieten. In Summe sprechen wir über DAS führende Infrastruktur-Dienstleistungsunternehmen in Deutschland. Die kommunalen Unternehmen können jeden zweiten Haushalt in Deutschland mit Strom versorgen. Das ist nur den allerwenigsten Menschen bewusst.

Wenn man die VKU als großes Schiff sieht, dann rudern zwar alle bisher stark und kräftig, aber nicht nach einem vorgegebenen Takt. Diese Taktzahl geben Sie jetzt vor.

Reck: Das kann man zwar so sehen. Aber der Vergleich stimmt nicht ganz, denn jedes Mitglied bestimmt die Taktzahl für sich. In einem Boot gibt es nur eine Taktzahl, und die bemisst sich nach dem schwächsten Ruderer. Bei uns ist es eher so: Das Schiff ist mächtig und jedes Mitglied kann sich entscheiden, wie nah es am Schiff sein will, um das Fahrwasser zu nutzen.

Heim: Um in Ihrem Bild zu bleiben: Der schwächste Ruderer hat keine Chance, wenn er nicht vom Team unterstützt wird. Diese Team-Unterstützung erhält er nur dadurch, dass er ein integraler Bestandteil einer starken Gemeinschaft ist. So profitiert er von der Größe seines Teams und kann seine lokale Besonderheit besser zur Entfaltung bringen.

Es existieren über 1400 kommunale Unternehmen, die einzeln sowie lokal und regional unterschiedlich auftreten. Müssen Sie nun alle Mitglieder ins Boot holen, um einen gemeinsamen Auftritt zu entwickeln?

Reck: Nein. Das war genau die Herausforderung. Es sind ja bereits viele starke örtliche Marken entstanden, die auch über sehr viel Geld verfügen. Die kann man nicht zwingen, unsere Kampagne zu übernehmen. Das geht nur auf freiwilliger Basis. Deshalb haben wir ein Modul-System entwickelt. Wir haben eine Wort- und eine Bildmarke geschaffen, die sehr spezifisch wandelbar sind. Wenn ein Stadtwerk das neue System komplett übernehmen will, weil es sich ohnehin neu aufstellen wollte, kann es das tun – und zwar mit riesigen Kosten-Einsparungen für sich. Wenn hingegen eine sehr starke Marke wie vielleicht die Stadtwerke München, die bereits hunderte Millionen Euro in ihre Marke investiert haben, das neue System aus Solidarität unterstützen will, dann kann diese Marke mit einem Anker anfangen und den Auftritt weiter entwickeln. Bei dieser Systematik haben wir uns stark an den Volks- und Raiffeisenbanken orientiert.

Heim: Nehmen wir als Beispiel die Münchner Bank. Das ist kein kleines Institut. Aber wäre sie nicht Teil des Volks- und Raiffeisen-Verbunds und würde sich nicht als VR-Bank identifizieren lassen, dann wäre sie nicht fähig, im Wettbewerb mit den großen Filialbanken mitzuhalten. Das kann sie nur dadurch, dass sie zu einem großen, starken Dachmarkenverband gehört. Ich glaube, dass in Zukunft auch die größten kommunalen Anbieter wie zum Beispiel die Stadtwerke München, extrem davon profitieren, wenn man mit kommunalen Unternehmen national die leistungsstarke Gruppe verbindet, die dahinter steht. Die Summe aller Kräfte ist viel leistungsfähiger als die einzelne Kraft. Auch wenn die einzelne Kraft sehr stark sein kann.

Bleiben wir beim Beispiel München. Die Stadtwerke München haben doch ohnehin fast ausschließlich lokale Kunden.

Reck: Auf der Einkaufs- und Erzeugerseite sind die Stadtwerke München aber europaweit unterwegs. Auf der Kundenseite hingegen fährt die SWM bewusst keine nationalen Kampagnen. Über Preisvergleichsmaschinen im Internet kann ich aber, zum Beispiel bei Verivox, einen SWM-Tarif abschließen, auch wenn ich in Hamburg wohne. Ich selbst wohne in Berlin, bin aber kein Vattenfall-Kunde, sondern beziehe ökologischen Strom von einem Stadtwerk aus der Rhein-Schiene.

Nach welchem Schlüssel beteiligen sich die Unternehmen finanziell an dieser Dachmarken-Arbeit?

Heim: Die Markennutzungsgebühr beträgt 300 Euro im Jahr. Der Beitrag, den ein kommunales Unternehmen zur nationalen Kampagne leistet, hängt von der Größe des Unternehmens ab. Aber selbst wenn ein Unternehmen den kompletten Auftritt übernimmt, ist das weitaus günstiger, als eine individuelle CI-Lösung. Gerade bei den etwa 800 kleinen bis mittleren Unternehmen, die nicht über große Marketing-Kapazitäten verfügen, birgt das Programm eine riesige Chance, sich in einem Schritt gewaltig aufzuwerten – und zwar zu unschlagbar günstigen Konditionen.

Sie sprachen von der wachsenden Bedeutung der Heimatverbundenheit. Wollen Sie dieses „Wir-Gefühl“ auch in der Marketingkommunikation transportieren?

Reck: Ja. Wir wissen aus Umfragen, dass Sparkassen in der Bevölkerung sehr beliebt sind. Die Bindungen an kommunale Unternehmen sind stark. Im Energiebereich sind die Wechselraten bei kommunalen Anbietern nur halb so hoch wie bei privaten Anbietern. Emotionen, die über eine Marke entstehen, sind wichtig.

Heim: Wir haben gemeinsam mit Forsa eine repräsentative Image-Studie durchgeführt und dabei auch die Nachfrage-Faktoren getestet. Der viertwichtigste Nachfrage-Faktor war: Lokales Engagement. Sprich: Das Wir-Gefühl. Wir sprechen hier über Citizen-Value und nicht über Shareholder-Value. Die kommunalen Gewinne werden re-investiert in die Infrastruktur vor Ort. Die kommunale Gemeinwohl-Orientierung ist ein absoluter USP der Marke.

Denken Sie auch über Kooperationen mit dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband nach?

Reck: Wir kooperieren mit dem DSG, aber nicht beim Thema Marke. Mit diesem Marken-Prozess konzentrieren wir uns erst einmal auf unser 1.400 Mitglieder in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Stadtreinigung/Winterdienst und Breitband. Damit haben wir im ersten Schritt schon mehr als genug zu tun.

Was für ein mediales Budget haben Sie für die Kampagne zur Verfügung?

Heim: Das hängt davon ab, wie viele Unternehmen sich beteiligen. Das ist wiederum ein Prozess. Wir hatten 2013 schon 80 Unternehmen, die sich finanziell an der Markenentwicklungsarbeit beteiligt haben. Weitere kommen laufend hinzu.

Reck: Mein Ziel ist es, dass wir nach drei bis vier Jahren rund ein Drittel aller Mitglieds-Unternehmen dabei haben. Wir müssen einen langen Atem haben. Es gibt zwei Etat-Ebenen: Auf der Verbandsebene verfügen wir über einen Etat im sechsstelligen Bereich. Jedes Unternehmen, das partizipiert, muss Geld in die Hand nehmen. Gemeinsam ergibt sich daraus dann das Budget.

Mit der Dachmarke beginnen Sie bei null. Welche Ziele haben Sie in punkto Bekanntheit, Sympathie, etc.?

Heim: Grundsätzlich gilt die Devise: Markenaufbau ist kein Sprint, sondern Marathon. Was uns hilft, sind digitale und soziale Medien. Gerade zur Markenpositionierung der kommunalen Unternehmen und der Werte der Dachmarke passen soziale Medien ideal.

Sehen die Agenturpartner Ihrer lokalen Mitgliedsunternehmen durch Ihre zentrale Markenarbeit nicht ihre Pfründen bedroht?

Wagner: Ich glaube nicht, dass das eine Konkurrenz ist. Wir haben keinen Alleinvertretungsanspruch. Wir stellen einen modularen Bausteinkasten zur Verfügung. Das basiert auf einem Lizenzvertrag. Wir liefern einen Marken-Guide und einen Style-Guide. In der Umsetzung kann das eine lokale Agentur oder unsere zentrale Agentur machen.

Heim: Das Zusammenspiel zwischen Markenagentur und dezentralen Umsetzungsagenturen hat sich ja auch in vielen anderen Fällen bewährt. Dabei ist die Rollenverteilung klar – die Markenagentur sorgt für ganzheitliche Stringenz im formalen Auftritt sowie für inhaltlichen Fokus im Rahmen vernetzter Kommunikation. Die Umsetzungsagenturen füllen die Positionierung im Tagesgeschäft mit Leben.

Welche Media-Maßnahmen werden Sie ergreifen?

Reck: Die Marke braucht eine Basis-Präsenz, das Grundrauschen sozusagen. Das besteht zum Beispiel aus Websites und der Geschäftsausstattung. Die Corporate Identity der kommunalen Unternehmen muss erst einmal sichtbar werden. Dann muss man sich – im Rahmen der Möglichkeiten – mit der Gemeinde im Stadtbild kommunikativ präsentieren und in die Präsenzmedien der Kommunen kommen. Drittens sprechen wir über die Kampagne und die sozialen Medien. Uns fehlen die Budgets für eine breit aufgelegte TV-Kampagne. Dort, wo wir Mitglieder überzeugen können, werden wir vor Ort die Kampagne schalten. Medial wird das alles umfassen, von Out-of-home bis zum Kinospot.

Wagner: Es wäre sogar kontraproduktiv, wenn wir mit den Markenwerten gleich einen Riesen- Aufschlag machen würden, selbst wenn wir das Budget dafür hätten. Damit würden wir als Großkonzern wahrgenommen werden. Das ist das, was E.on, Remondis, Velio unter andere machen.

Das neue Markenzeichen besteht aus dem Buchstaben K in rot und blau. Wie sind Sie auf diese Farbgebung gekommen?

Heim: Die natürliche kommunale Farbe ist zunächst einmal Orange. Weil sie durch die Entsorgungswirtschaft im Stadtbild sehr bekannt ist. Jedes kleine Kind weiß, dass ein Müllauto orange ist. Damit würden wir die Marke aber auf eine einzige kommunale Dienstleistung reduzieren. Das Gelb der Marke VKU ist einfach nicht prägnant genug. Gelb fehlt die Plakativität. Die Marke muss sich auf unterschiedlichen, teilweise sehr lauten Umfeldern durchsetzen. So kamen wir zu Rot oder Blau. Unter politischen wie markentechnischen Aspekten ist die Kombination aus Rot und Blau eine effektive Lösung.


Autor: Rolf Schröter

Rolf Schröter ist Chefredakteur der W&V und interessiert sich nicht nur deshalb prinzipiell für alles Mögliche. Ganz besonders für alles, was mit Design und Auto zu tun hat. Auch, wenn er selbst gar kein Auto besitzt.