Die Frage ist nur: Ist das alles wirklich so schlimm? Hierauf gibt es zwei Antworten: Ja – wenn man glaubt, dass die Nutzerperspektive das wichtigste Merkmal ist, an dem sich Apple messen lassen muss. Oder aber "Nein", wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass Markenerlebnisse nun einmal holistisch definiert werden. Apple – und seine Kunden! – sind über den ursprüngliche Kern der Marke hinaus gewachsen. Längst geht es dem Unternehmen nicht mehr um die "Human Interface"-Ideale der Anfangszeit, sondern darum, aus einer genialen Ursprungsidee ein umfassendes Marken-Ökosystem zu entwickeln. Zu diesem Erfolgsmodell gehört es, mit den eigenen Produkten emotionale Begehrlichkeiten zu wecken – und das funktioniert über die Ästhetik der Gestaltung in der Breite globaler Märkte nun einmal besser, als über das hochindividuelle Usability-Ideal: Wer heute ein iPhone sechs kauft, tut dies eher aus Statusgründen und nicht, weil die Benutzerführung so überzeugend wäre.

Die Kritik von Norman und Tognazzini läuft also ins Leere, denn sie macht die Vergangenheit der Marke zum Maßstab und nicht deren Zukunft. Die wichtigere Herausforderung für Apple in den kommenden Jahren ist es eben nicht, die User Experience zu verbessern, sondern einen Weg zu finden, um trotz schwindender Exklusivität begehrlich zu bleiben. Es sind nicht mehr die Fragen eines Computerherstellers, die den Konzern umtreiben – sondern die einer Lifestyle- und High-Fashion-Brand.

Der Autor:

Lukas Cottrell ist General Manager der Peter Schmidt Group und leitet deren Frankfurter Standort. Die Branding- und Designagentur gehört zu BBDO.


Autor: Lukas Cottrell

W&V-Gastautor Lukas Cottrell ist Managing Director der Branding- und Designagentur Peter Schmidt Group. Er ist diplomierter Volkswirt und arbeitete vor seinem Wechsel zur BBDO-Tochter bei Landor Associates und Future Brand. Cottrell ist Experte für Markenstrategie und digitale Transformation.