
Deepr Journalism:
Warum Qualität Paid Content braucht
Mit Deepr Journalism startet eine "Plattform für digitalen Qualitätsjournalismus" - mit dem Ziel, Leser vom Bezahlen für gute Inhalte zu überzeugen. W&V Online hat Philip Mertes zum Konzept befragt.
Sie schießen gerade wie Pilze aus dem Boden: unabhängige journalistische Projekte mit Qualitätsanspruch, die sich teils aus den Gaben der Nutzer finanzieren. Mit Deepr Journalism ist gerade ein Angebot online gegangen, das sich als "Plattform für digitalen Qualitätsjournalismus des 21. Jahrhunderts" versteht - mit dem Ziel, Leser zu überzeugen, auch im Internet für gute Inhalte zu bezahlen. Hinter der Offerte stehen vier junge Männer, die seit vergangenem Herbst am Konzept gefeilt haben. W&V Online hat Philip Mertes mit fünf Fragen konfrontiert. Er verantwortet von Göttingen aus die Vermarktung von Deepr Journalism.
Herr Mertes, Vocer als journalistischer Think Tank, Krautreporter als Magazin für vom Leser finanzierten unabhängigen Journalismus und nun Deepr Journalism: Stehen wir gerade vor einer neuen Phase des Online-Journalismus?
Es ist großartig, in der Medienlandschaft ist derzeit einiges in Bewegung. In der Tat sehe ich die Chance eines grundlegenden Wandels im Onlinejournalismus hin zu einer Art des Journalismus, der stärker an den Bedürfnissen seiner Leser ausgerichtet ist und die digitalen Chancen und Potenziale des 21. Jahrhunderts nutzt. Wir dürfen bei aller Euphorie jedoch nicht vergessen, dass sich all diese Projekte derzeit noch in der Anfangsphase befinden: Wir alle müssen erst beweisen, dass unsere Modelle langfristig funktionieren, nachhaltig finanzierbar und für den Leser attraktiv sind. Wenn uns das gelingt und wir uns am Markt etablieren können, dann haben wir eine neue und großartige Phase des Onlinejournalismus erreicht.
Wir bei Deepr finden den derzeitigen (Online)Journalismus jedoch keineswegs "schlecht". Im Gegenteil: wir alle sind leidenschaftliche Leser und freuen uns, wenn wir unsere Lieblingsmagazine und Zeitschriften aus dem Briefkasten holen oder in der digitalen Mediathek lesen. Wir sehen jedoch Chancen und Potenziale, den Journalismus der heutigen Zeit anzupassen und ihn attraktiver zu machen: Die großen Verlage erkennen zunehmend, dass langjährig etablierte Finanzierungsmodelle an ihre Grenzen stoßen und allmählich bekommen das auch die Leser zu spüren: Internetseiten, die von Bannern und Popups überflutet sind, Native Advertising und Sponsored Posts – die Grenze zwischen redaktionell erstellten Inhalten und Werbung verschwimmt. Viele Medienhäuser experimentieren mit "Metered Modellen" oder verstecken vorher frei zugängliche Artikel plötzlich hinter einer Paywall. Eine Entwicklung die mich als Leser enttäuscht.
Wir sind überzeugt, dass "Paid Content Modelle" zukünftig elementarer Bestandteil des Journalismus im Internet sein werden. Wir bei Deepr Journalism glauben, dass das Internet riesige Potenziale für eine neue Art des Journalismus bereithält. Dazu müssen wir mit Althergebrachtem brechen und etablierte Vorgehensweisen hinterfragen.
Wie unterscheidet sich Ihr Journalismus von dem, was in Print und Netz bisher zu finden ist?
Bei Deepr Journalism wollen wir eine gänzlich neue Art des Journalismus etablieren: innovativ, unabhängig und vollständig leserfinanziert. Qualitätsjournalismus sollte nach unserer Philosophie strikt an den Bedürfnissen der Leser orientiert sein. Die Interessen und Bedürfnisse der Leser lassen sich am Besten befriedigen, wenn auch die Finanzierungsentscheidung alleinig bei den Lesern liegt: Wir verzichten daher konsequent auf Werbung und Sponsoring, alleinig der Leser finanziert Artikelvorschläge. Hierbei greifen wir auf Elemente des Crowdfunding zurück.
Es gibt keine redaktionellen Vorgaben oder Richtlinien. Gleichzeitig wollen wir die Potenziale, die das Internet und die technischen Möglichkeiten bereithalten ausschöpfen: Sämtliche Artikel, die auf unserer Plattform veröffentlicht werden, werden digital aufbereitet. Mit Infografiken, Bildern und Videos zusammengeführt wollen wir qualitativ hochwertige Texte in ein digitales Leseerlebnis verwandeln. Jeder Artikel wird zur Erhöhung des Lesekomforts in den gängigen E-Book Reader Formaten abrufbar sein und kann online, sowie auch offline gelesen werden. Und das sowohl in deutscher, als auch in englischer Sprache – das Internet kennt nun mal keine regionalen Grenzen.
Wie wollen Sie Geld verdienen?
Mit steigender Bekanntheit und Autorenanzahl wollen wir unseren Leserkreis stetig ausbauen. Als Plattformbetreiber verdienen wir anteilig an jedem veröffentlichten Artikel. Richtig interessant wird unser derzeitiges Modell für uns aus unternehmerrischer Sicht, sowie auch für unsere Autoren, mit steigender Leseranzahl. Unser derzeitiges Modell ist skalierbar und aufgrund unserer mehrsprachigen Veröffentlichung erreichen wir einen großen, internationalen Markt. Darüber hinausgehend arbeiten wir intern an weiteren Modellen. Wir haben unzählige Ideen und einiges ist bereits in der Planung: Abomodelle, Onlinemagazine sowie B2B-Accounts. All das könnten weitere spannende Modelle für die Zukunft sein.
Wie muss man sich die Organisation von Deepr Journalism vorstellen? Sie sind im Kern zu viert, und das Team ist laut Job-Anzeigen über ganz Deutschland verteilt.
Unser Team ist in der Tat über die ganze Republik verteilt. Deepr Journalism besteht aus den vier Mitgründern Armin Eichhorn, Stephan Max, Sascha Steinbock und mir. Armin und Sascha leben und arbeiten aus der Hauptstadt Berlin, wo sich auch unser Geschäftssitz befindet. Stephan ergänzt das Team aus Saarbrücken, ich aus Göttingen. Die räumliche Trennung stellt für uns jedoch kein Problem dar und lässt sich hervorragend überwinden: Wir sind sehr gut vernetzt, verwenden Taskmanagementsysteme, halten regelmäßig Videokonferenzen ab und treffen uns mindestens zweimal monatlich in der Hauptstadt. Intern zeichnen wir uns durch flache Hierarchien, den konsequente Verzicht auf jegliche Form von Bürokratie sowie ein offenes Ideenmanagement aus.
Wir haben keine festen Zuständigkeiten oder zwingende Kompetenzbereiche: Wer eine gute Idee oder einen interessanten Einfall hat, stellt sie dem Team vor. Wir priorisieren sämtliche Vorhaben und agieren dann nach dem "Build – Measure – Learn - Prinzip": Interessante Features und Ideen wollen wir schnell im Dialog mit unseren Kunden testen bevor wir sie auf den Markt bringen. Das Feedback des Kunden ist dabei für nächste Versionen entscheidend. Wir setzen bei der internen Organisation all das um, was wir vier uns unter einer kreativen und effizienten Unternehmensführung vorstellen.
Welche Angebote stufen Sie als Konkurrenz der neuen Plattform ein?
Augenscheinlich gibt es sicherlich gewisse Parallelen zu Projekten wie DeCorrespondent und Krautreporter. Wir finden es großartig, was da entstanden ist und haben das Projekt selbst unterstützt. Wir sehen diese Projekte als Mitstreiter auf dem Weg zu einem neuen und innovativen Format des Journalismus im Internet an: wir alle haben das gemeinsame Ziel, den Journalismus des 21. Jahrhunderts für Leser innovativer und attraktiver zu machen und damit eine Alternative zu den bisherigen Angeboten zu schaffen. Wir sollten voneinander lernen und uns gegenseitig inspirieren. Was uns bei Deepr Journalism auszeichnet ist, dass wir ein Projekt sind, das alleinig aus der Sicht leidenschaftlicher Leser entstanden ist. Wenn Sie sich unsere Gründungsgeschichte auf unserer Website ansehen werden Sie sehen, dass keiner der Gründer auf langjährige Erfahrungen im Printgeschäft oder in etablierten Verlagshäusern zurückgreifen kann.
Wir alle sind passionierte Jungunternehmer, "Digital Natives" und vor allen Dingen leidenschaftliche Leser: Eine der größten Herausforderungen der nächsten Wochen und Monate wird es sein, unsere Leser davon zu überzeugen, Geld für Inhalte im Internet auszugeben. Dafür müssen wir einen wirklichen Mehrwert zu kostenfrei verfügbaren Angeboten bieten. Wir wollen etwas kreieren, dass Leser begeistert und ein neues digitales Leseerlebnis schaffen. Wir sind ein schlankes, junges und motiviertes Projekt. Ein wirkliches Startup, bei dem Unternehmergeist und Leidenschaft für guten Journalismus aufeinandertreffen.