Der Super-Bowl-Spot hätte also mehr kommunikative Vorbereitung gebraucht.

Man könnte verführt sein zu sagen, es ist einfach nur schnöde Werbung und deshalb nicht relevant. Doch die Realität zeigt, wie sensibel die Menschen darauf reagieren, wenn wichtige gesellschaftliche Themen banalisiert werden. Und dies zu Recht. Natürlich kann man eine Nachricht mit einem Paukenschlag raushauen, dann hat man erst einmal freies Feld und hat sich damit als Audi für gleiche Bezahlung positioniert. Das aber ist oft das Problem mit Werbung - sie ist gar nicht authentisch oder faktisch gemeint. Deshalb wäre bei dieser Aktion Transparenz und authentische Kommunikation Pflicht gewesen: eine Deckung von Behauptung und Realität, um dadurch wieder Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

Auf was hätte Audi in der Kreation des Spots fokussieren müssen?

"Audi of America is committed to equal pay for equal work. Progress is for everyone." Das ist eine positive Botschaft. Die inneren Gedanken des Vaters wirken radikal und sollen unter die Haut gehen – eigentlich auch gut. Doch die einführende Frage des Vaters „sage ich ihr, dass ihr Großvater mehr wert ist, als ihre Großmutter, ihr Vater mehr als ihrer Mutter?“ ist eine wirkliche Zumutung. Was ist das für ein Menschenbild, wenn man den unterschiedlichen Wert von Menschen ausschließlich an der Bezahlung festmacht? Und warum sollte der Vater dies seiner Tochter sagen müssen, wenn er selber - wie man ja annehmen soll - eine andere Haltung hat? Das ist gut gemeint, aber völlig daneben.

Das passiert auch anderen Kampagnen, die sich eigentlich für Frauen stark machen wollen wie zum Beispiel #LikeaGirl von Always. Wo liegt häufig der Denkfehler?

Die Beweggründe sind entweder unaufrichtig oder nicht ernsthaft zu Ende gedacht. Außerdem wird die Produktionen häufig von Menschen kreiert und betreut werden, die sich in diesen Gesellschaftsthemen gar nicht auskennen. So entstehen oft unbewusst Fehler, die die Aussage schnell zur Farce machen. Die Themen und die Produktion sind oft fantastisch, wie auch hier – alles ist super gedreht, alles vom Feinsten. Aber dadurch, wie die Geschichten erzählt, die Off-Texte geschrieben, das Setting Ausstattung und Casting gewählt werden, kommen Aspekte hinein, die das Gegenteil bewirken. Man kann sich als Auftraggeber und Macher solche Themen eben nicht einfach überziehen, man muss darin schon sattelfest sein und sich damit bewusst auseinandersetzen. Das ist in diesem Fall schade, da das Thema "Equal Pay" für Audi eine echte Chance wäre.

Was raten Sie Unternehmen, die sich für die Gleichstellung stark machen wollen?

Das Wichtigste: Walk your talk! Tun Sie was sie sagen und sagen Sie was Sie tun. Arbeiten Sie hierfür mit Spezialisten, die sich im Umgang mit gesellschaftlichen Themen und authentischer Kommunikation auskennen und Ihnen helfen diese erfolgreich zu vermitteln. Und was mir wichtig ist, betrachten Sie Ihre Werte-Kommunikation als Teil Ihrer Gesamtstrategie. Kommunikation sollte nicht erst ins Spiel kommen, wenn alles andere schon entschieden ist. Kommunikation kann und muss mehr leisten, als ein Thema oder Produkt gut zu verkaufen. Der Audi-Spot zeigt, was schief laufen kann, wenn nicht klar ist, was wirklich gewollt ist.


Autor: Irmela Schwab

ist Autorin bei W&V. Die studierte Germanistin interessiert sich besonders dafür, wie digitale Technologien Marketing und Medien verändern. Dazu reist sie regelmäßig in die USA und ist auf Events wie South by Southwest oder der CES anzutreffen. Zur Entspannung macht sie Yoga und geht an der Isar und in den Bergen spazieren.