
Lukas Cottrell:
Was Ikea und Aldi in der Innenstadt wollen
Ikea, Aldi & Co. eröffnen Filialen in Innenstädten großer Metropolen. Lukas Cottrell von Landor Associates erläutert, welche Auswirkungen diese Strategien auf die Handelsmarken haben.
Ikea eröffnet die erste City-Filiale in Hamburg Altona und Aldi geht auf die Kö. Handelsunternehmen zieht es wieder in die zentralen Lagen der Innenstädte. Werden wir Zeugen des letzten Kapitels im Überlebenskampf des stationären Handels, in dem die einzige Antwort "Lage, Lage, Lage" ist? Nein, wir erleben, dass Multikanal-Strategien endlich Wirklichkeit werden. Denn es geht um maßgeschneiderte Angebote für die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Kunden. W&V-Leserautor Lukas Cottrell*, von Landor Associates, erläutert, welche Auswirkungen diese Strategien auf die Handelsmarken haben.
Die neue, alte Präsenz der Händler
von Lukas Cottrell
Inwiefern die Strategien von Ikea, Aldi & Co. erfolgversprechend sind und die jeweilige Handelsmarke davon profitiert, bleibt abzuwarten. Als Aldi verlauten ließ, eine Filiale auf der Düsseldorfer Königsallee zu eröffnen, schien dies auf den ersten Blick überraschend. Aber Aldi kennt seine Kunden genau. Der neue Standort ist nur 350 Meter von der alten Filiale entfernt und bedient weiterhin die Nachbarschaft vor Ort, die auch bisher bei dem Discounter einkaufte. Aldi zieht seinen Kunden hinterher, um präsenter für sie zu sein. Wobei es den klassischen "Spar"-Aldi-Kunden gar nicht mehr gibt. Und auch die Kö hat mehr als ein Gesicht – hier gibt es nicht nur Luxus: Brioni wird wegen des neuen Nachbarn wohl keine schlaflosen Nächte verbringen.
Ikea suchte im Falle des Hamburger Citystores von Anfang an den Dialog mit den Menschen, um sie nicht vor den Kopf zu stoßen. Ein Volksentscheid zur Realisierung des Projektes ergab ein deutliches Votum für Ikea. Das zeigt, dass die Menschen in Altona sich Ikea in ihrer Nähe wünschen. Auch die umliegenden Einzelhändler profitieren von diesem Zugpferd: Beherrschten vormals leere Immobilien das Bild dieser Einkaufsstraße, macht Shopping hier jetzt wieder mehr Spaß. Am neuen Standort testet der schwedische Möbelriese auch innovative Service-Ideen, wie spezielle Cargo-Fahrradkuriere und Carsharing für Kunden.
Mit der neuen Standortstrategie erreichen Händler und Marken Menschen dort, wo sie auch zu anderen Anlässen einkaufen gehen: in den Innenstädten. Hier finden sie beim entspannten Shoppingbummel alles, was sie brauchen – ohne große Wege. Ein positiver Nebeneffekt ist der Anstieg der Einkaufsfrequenz. Denn wer überwiegend in der City einkauft, schaut auch öfter bei Ikea rein. Hier liegt der Fokus von Ikeas neue Standortstrategie: In der Nähe der Menschen zu sein und sie so an die Marke zu binden. Die Filiale in Altona bietet daher Produkte und Wohnideen für Menschen aus der Stadt. Dazu gehören beispielsweise Kleinartikel und Wohn-Accessoires für Kleinwohnungen.
Online oder im Shop? Das beste von beiden!
Das Bedürfnis der Menschen, Waren vor dem Kauf wieder selbst auszuprobieren und sich von der Qualität zu überzeugen, wird immer relevanter. Hier kann der stationäre Handel klar gegenüber Online-Shops punkten. Denn gerade die Fehlkäufe bei Online-Bestellungen lassen die Lust am Anfassen und Erleben der Produkte wichtiger werden. Zudem sehnen sich die Menschen verstärkt nach kompetenter und fairer Beratung im Handel. Die Komplexität vieler Kaufentscheidungen lässt verständlicherweise den Wunsch aufkommen, dass mir jemand diese Arbeit abnimmt und mich bei der Auswahl unterstützt.
Dass der stationäre Handel seine Daseinsberechtigung hat, haben inzwischen auch Online-Händler erkannt. Eine erfolgreiche Multikanal-Strategie für Handelsmarken wie Ikea funktioniert allerdings nur dann, wenn es gelingt, die richtige Balance zwischen Kaufangeboten und den Bedürfnissen der Kunden zu finden. Die größten Herausforderungen bestehen dabei im Aufbau der benötigten neuen Strukturen und in der effektiven Vernetzung dieser Angebote.
Der Fokus des Handels liegt schon lange nicht mehr auf der reinen Transaktion an Ort und Stelle. Es geht um Beziehungsaufbau und –pflege. Jeder Kanal übernimmt eine spezifische Rolle in der Kundenansprache. Und wenn die Kundenbedürfnisse wirklich im Mittelpunkt stehen, dann kann die Händlermarke nur davon profitieren. Ganz unabhängig davon, ob der Kunde seine Möbel in Hamburg Altona physisch in den Einkaufskorb legt oder virtuell über den Online-Shop.
*Lukas Cottrell ist Executive Director und Head of Corporate Brands im Hamburger Büro von Landor Associates und entwickelt Geschäfts- und Markenstrategien für internationale Kunden.