Was sind für Sie die wertvollsten Produkte der letzten Jahrzehnte? 

Der Aston Martin One77 ist ein faszinierendes Produkt, das bereits die Grenzen zur Kunst überschreitet. Über den gesamten Lebenszyklus hinweg wurde in jeder Phase immer wieder eine Frage gestellt. Wie können wir hier Wert erzeugen? Dieses Streben nach absoluter Exzellenz wurde derart auf die Spitze getrieben, dass man sogar an jenen Stellen Materialien erster Güte verarbeitete, die kein Mensch jemals zu Gesicht bekommen wird. Das Team produzierte in einer eigens dafür errichteten Fabrik exakt 77 Stück. Als der letzte Wagen die Fabrik verließ, hatte fast jedes Modell einen Käufer gefunden. Und das Außergewöhnlichste daran: Der Wert des Sportwagens begann sofort zu steigen. Bei einem Mittelklasseauto tritt das Gegenteil ein – sein Wert verringert sich ab dem ersten gefahrenen Kilometer.

Sind wertvolle Produkte auch Mainstream oder sprechen sie nur exklusive Zielgruppen an?

Luxus sollte insofern Mainstream sein, als dass diese Produkte von möglichst vielen Menschen gekannt und geschätzt werden. Der Wert dieser Produkte entsteht paradoxerweise aber dadurch, dass sie nur von wenigen besessen werden. 2013 hat Rolls Royce 3630 Autos verkauft. Begehrt, geschätzt und geliebt werden diese Autos hingegen von Millionen Menschen weltweit. Je mehr Menschen durch Ihr Begehren den Wert eines Produktes bestätigen, desto wertvoller wird es. Interessanterweise spielt es keine Rolle, ob sie es selbst besitzen oder nicht. Der Wert der "Mona Lisa" wird zu einem großen Teil von jenen Menschen gefestigt und bestätigt, die sie zu Tausenden Jahr für Jahr im Museum bestaunen. Es sind die Kunsthistoriker, die ihre Geschichte stets aufs Neue erzählen, die Journalisten, die in ihren Artikeln beständig ihre Schönheit rühmen. Wir alle tragen etwas dazu bei, dass ihr Wert unaufhörlich steigt. 

 Nachhaltigkeit und Handwerk sind Tugenden, die aktuell einen Hype erfahren. Gehört dazu auch eine Renaissance des Wertvollen?

Produkte wie eine Uhr der Firma IWC oder eine Ledertasche von Steckel sind nicht nur wertvoll, sondern auch nachhaltig, denn sie sind es wert repariert zu werden. Sie halten vielleicht sogar lange genug, um sie an die nächste Generation weiterzugeben. Von allen bisher hergestellten Porsches sind immer noch 70 Prozent fahrtüchtig! Wertvolle Produkte zeichnen sich dadurch aus, dass sie stolz darauf sind, woher sie kommen, wie sie hergestellt wurden, was ihre Geschichte ist. Billige Massenware, die unter nicht nachvollziehbaren Umständen irgendwo in Asien hergestellt wurde, muss ihre Herkunft hinter teuren Werbekampagnen verstecken. Doch das Internet bringt hier eine Wendung. Die Leute wollen wissen, woher die Produkte kommen und unter welchen Umständen sie entstanden sind.

Bietet Wert besonders in Krisenzeiten einen besonderen Halt?

Die Konsumwelt ist stark vom Industriedenken geprägt. Die Industrie ist vom Quartalsdenken geprägt. Das heißt kaufen, nutzen, wegwerfen. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten verlernt auf etwas Werthaltiges zu sparen. Heute müssen alle Produkte an jedem Ort, zu jeder Zeit, zum günstigsten Preis sofort zur Verfügung stehen. Hat ein Produkt einen gewissen Preis, hat es auch einen Wert und wir werden es pflegen, lieben und in Stand halten. Bei besonders wertvollen Objekten wie beispielsweise einem teuren Motorrad, kann sogar das Gefühl von Verliebtsein ins Spiel kommen. Auf hochwertige Produkte gibt man Acht, und im Idealfall werden sie weitergegeben. Ich vermute, hier handelt es sich nicht um einen kurzfristigen Trend, sondern um eine längst fällige Neuorientierung unserer Gesellschaft.

Eine elitäre Denke?

Man kann auch mit kleinem Geld etwas bei Seite legen, um auf große, nachhaltige Dinge zu sparen. Wir haben komplett verlernt zu sparen.

Sie arbeiten als Innovation Director. Ist Werthaltigkeit innovativ?

In der Kommunikationsbranche galt jahrelang das Credo, abweichen von der Norm, anders sein, aus der Masse sichtbar herausragen. Doch meiner Erfahrung nach reicht das schon lange nicht mehr. Heute heißt es, weiche nicht von der Norm ab, sei die Norm und rage nicht aus der Masse, sondern sei gar nicht erst Teil von ihr. Es nützt nichts, etwas zu tun, was jemand anderer bereits getan hat. Das Besondere führt und folgt nicht hinterher. Es geht darum Muster zu verstehen und Innovationen daraus zu machen. Produkte, Objekte und Ereignisse, die es schaffen, sich auf diese Weise an die Spitze zu setzen, sind wertvoll. Dafür braucht es viel Kreativität und noch mehr Mut. Torsten Müller-Ötvös, der CEO der Luxusautomarke Rolls Royce, fast es so zusammen: „Unsere Konkurrenz sind nicht andere Automarken, wir konkurrieren lediglich mit Privatjets, Yachten oder teurem Schmuck.“ Er hat erreicht, wovon viele nur träumen können. In seinem Segment ist er konkurrenzlos, kein anderer Autohersteller kann ihm das Wasser reichen. 

 

 

 


Autor: Katrin Otto

ist Expertin für Medien. Sie schreibt über Radio, Außenwerbung, Kino, Film und und natürlich Podcast und Streaming. Privat ist sie gern auf Konzerten, im Kino oder im Wasser.