Gibt es ein Mindestalter für die Einwilligung zur Datenverarbeitung?

Ja, es liegt bei 16 Jahren. Es kann in den EU-Staaten aber auch niedriger - bis auf die gegenwärtig üblichen 13 Jahre - angesetzt werden. Jugendliche bis zu diesem Alter brauchen die Einwilligung ihrer Eltern, um sich bei Internetdiensten anzumelden. Der Digitalverband Bitkom nennt diese Regel "unsinnig und praxisfern". Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast sagte: "Statt des untauglichen Versuchs, Jugendliche einzuschränken, sollten auch hier die Unternehmen in die Pflicht genommen werden, die Minderjährigen und ihre Rechte zu schützen."

Haben Verbraucher ein "Recht auf Vergessenwerden"?

Ja, dieses wird ausdrücklich festgeschrieben. Sie sollen das Recht haben, personenbezogene Daten wie Informationen über das Privat- oder Berufsleben sowie Fotos im Web löschen zu lassen. Kunden bekommen das Recht auf Mitnahme von Daten wie Mails, Fotos oder Kontakten ("Portabilität"). Wer von Facebook zu einem anderen Dienst wechselt, dem muss Facebook seine persönlichen Daten mitgeben.

Was passiert, wenn Internetkonzerne sich nicht an die Regeln halten?

Bei Verstößen gegen den Datenschutz drohen ihnen hohe Strafen von bis zu vier Prozent ihres Jahresumsatzes. Das EU-Parlament hatte sogar Bußgelder von bis zu fünf Prozent oder 100 Millionen Euro verlangt. Damit sollen vor allem Internetriesen abgeschreckt werden wie Google (Jahresumsatz 2014: 66 Milliarden Dollar) oder Facebook (Jahresumsatz 2014: 12,5 Milliarden Dollar). Denn die Regeln gelten nicht nur für europäische Unternehmen, sondern auch für Firmen mit Sitz außerhalb der EU, etwa in den USA. Wer ein Problem mit einem Anbieter im EU-Ausland hat, kann sich in der eigenen Sprache an die heimische Beschwerdestelle - etwa den Datenschutzbeauftragten - wenden.

Wie stehen die Unternehmen zu den Vorschlägen?

Kritisch. Der Branchenverband DigitalEurope befürchtet zu enge Fesseln für die Firmen - etwa im Vergleich zu den USA. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) kritisiert: "Die Vorschläge gehen an Realität und Anforderungen der Informationsgesellschaft vorbei." Innovation, internationale Aktivitäten und Geschäftstätigkeit würden behindert, klagt der Bundesverband der IT-Anwender Voice

Wie beurteilt die Werbewirtschaft die Pläne aus Brüssel?

Der Verband ZAW spricht von einer "erheblichen Rechtsunsicherheit", die durch diese Reform droht. Betroffen seien davon unter anderem das Direktmarketing und das datengetriebenen digitalen Werbegeschäft. Die Firmen müssen abwarten, wie die Aufsichtsbehörden ab 2018 diese Verordnung auslegen. Der ZAW schätzt, dass Rechtssicherheit erst in ein paar Jahren herrscht. 

Der ZAW wird deutlich: "Die überbordende Vielzahl und Vielgestaltigkeit von Informations-, Auskunfts-, Dokumentations- und Begründungspflichten für die Verarbeitung von Daten ist ein erhebliches Problem der neuen Regulierung." Die Interessensvertreter gehen von spürbaren Mehrkosten für die Unternehmen der Werbewirtschaft aus. Eine Befürchtung: Manche Regelungen beziehungsweise deren Kumulation könnten sich aber auch als faktisches Verbot auswirken.

Der ZAW befürchtet zudem eine Bevorzugung bestimmter Geschäftsmodelle, sprich großer Anbieter wie Facebook oder Google. "Wenn, was natürlich dem Ausmaß nach auch von der Interpretation der Verordnung abhängt, große Plattformunternehmen - mitsamt ihren einwilligungsbasierten Netzwerkstrukturen - in Bezug auf die Erhebung und Verarbeitung von Daten weniger reguliert werden als die unternehmerische Datenverarbeitung auf Opt-Out-Basis, so wie sie von der Vielzahl deutscher und europäischer, hauptsächlich mittelständischer Unternehmen der Werbewirtschaft betrieben wird, würde die Verordnung weder den Schutz der Daten noch den Erhalt fairer Wettbewerbsbedingungen fördern. Gerade diese Effekte der Verordnung werden wir genau beobachten", erklärt Bernd Nauen, Geschäftsführer des ZAW.

Der Digitalverband Bitkom geht ebenso von "mehr Rechtsunsicherheit und mehr bürokratischem Aufwand" für die Firmen aus. Der Kompromiss sei an vielen Stellen zu vage geblieben. Im Zuge der Verordnung würden zahlreiche neue Dokumentations-, Melde- und Genehmigungspflichten eingeführt, was einen hohen Aufwand für Unternehmen bedeute. Datenverarbeiter müssten dann rund 30 unterschiedliche Pflichten erfüllen, zum Beispiel von der Pflicht zur Benachrichtigung bei Berichtigung, Löschung und Verarbeitungsbeschränkung bis zur Vornahme von Datenschutzfolgenabschätzungen. 

Ähnlich äußern sich die Verbände der Zeitschriften- und Zeitungsverleger VDZ und BDZV. Hier fürchtet man die "schwammigen Generalklauseln". "Eine restriktive Auslegung des neuen Rechts könnte die adressierte Leserwerbung, den Frei- und Wechselversand der Fachpresse, die interessenbasierte Online-Werbung und wichtige Bereiche des E-Commerce weitgehend beschneiden", erklärten die Sprecher. Verleger seien insbesondere im Internet auf die nun weiter beschränkte Datenverarbeitung auf Opt-Out-Basis angewiesen. 

Warum hat es so lange gedauert, bis die Reform stand?

Dafür gibt es zwei Gründe. Einerseits war das Thema sehr kontrovers; allein im EU-Parlament gab es rund 4000 Änderungsanträge. Lobbyisten haben nach Angaben der Grünen im Europaparlament alles daran gesetzt, Einfluss zu nehmen. Zudem konnten die EU-Staaten lange keine gemeinsame Linie finden. Deutschland blockierte zunächst, weil die Bundesregierung nach eigenen Worten eine Absenkung des deutschen Datenschutzniveaus verhindern wollte.

Wie geht es jetzt weiter?

Nach der Einigung zwischen Unterhändlern von EU-Staaten, EU-Kommission und Parlament wird am 17. Dezember 2015 der Innenausschuss über den gefundenen Kompromiss abstimmen, am 18. Dezember 2015 soll der Rat der Europäischen Union folgen. Anschließend wird 2016 das Plenum des Europäischen Parlaments die europäische Datenschutz-Grundverordnung endgültig beschließen. Dies gilt aber als Formalie. Die Regeln werden dann zwei Jahre später, also voraussichtlich Anfang 2018, in Kraft treten. (mit dpa)


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Autor: W&V Redaktion

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