
Trends und Thesen:
Was Sie von den Medientagen München mitnehmen sollten
Von Big Data über Programmatic bis hin zu Millennials und DAB+ - W&V Online gibt einen kurzen Überblick über Kernaussagen der #mtm16.

Foto: Medientage München
Big Data steht für größere Vielfalt. Zu dieser Einschätzung kam auf den Medientagen München 2016 unter anderem Ronald Focken. Der Geschäftsführer der Serviceplan Gruppe für innovative Kommunikation schränkte aber ein, dass "95 Prozent der Daten nicht richtig ausgewertet werden".
Er attestierte dem Publikum eine wachsende Fragmentierung. Deshalb müssten die Medienkanäle möglichst präzise auf Teilzielgruppen abgestimmt werden. Für die Werbebranche machte Focken eine "wachsende Reaktanz" aus, also eine Abwehrhaltung der TV-Zuschauer, die sich von zu vielen Werbespots gestört fühlten.
Programmatic Advertising und Automatisierung in der Werbevermarktung müssen sein, betonte Jean-Pierre Fumagalli, Geschäftsführer von Smartclip – und warnte davor, dass die US-Konkurrenz "bereits auf der Schwelle" stehe. "Hier gilt es für die deutschen Anbieter, die Tür rechtzeitig zuzumachen, sonst werden mittelfristig 40 Prozent der Werbeumsätze an Dritt-Player abfließen."
Uwe Storch, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Kundenverbandes OWM und Head of Media bei Ferrero, gab zu bedenken, dass die neuen Datendienstleister "mit Daten arbeiten, die proprietär den Kunden gehören". Auch warf er ein: "Maschinen können weder Menschen noch Medien ersetzen, und Programmatic wird die Welt nicht verändern."
Jeff Jarvis hat bewegt. Der Journalistik-Professor, Autor, Blogger, der sich im aktuellen US-Wahlkampf für Hillary Clinton engagiert, riet Journalisten, den Menschen zuzuhören, die Bedürfnisse der Zielgruppe zu bedienen - und dabei selbst die Klappe zu halten.
.@jeffjarvis bei den #mtm16: Was läuft schief in den Medien und in Social Media vor den Präsidentenwahlen? #insight https://t.co/NImWU5aqgk
— Bayerischer Rundfunk (@BR_Presse) 27. Oktober 2016
Braucht Radio Bewegtbild? Das war die Kernfrage auf dem Radiogipfel. Die mehrheitliche Meinung der Sendervertreter: Nein. "Wir brauchen kein Fernsehen für Arme", sagte Valerie Weber, Senderchefin WDR. Die Hörer wollen nicht abgelenkt werden. Weber appellierte vielmehr an die Gattung, sich gemeinsam gegen andere Mediengattungen zu positionieren.
Auch Studio-Gong-Chef Philipp von Martius pochte auf die Audiokompetenz der Gattung. Bewegtbild sei höchstens ein Zusatznutzen, von Mediaagenturen als Werbefläche aber nicht nachgefragt. Um sich von anderen Musikdiensten im Netz abzusetzen ist nicht der Display entscheidend, sondern der Inhalt, sagte Bernhard Bahners, Boss von Radio.de.
Sind investigative Journalisten Aktivisten? Wolfgang Krach, Chefredakteur der "Süddeutschen Zeitung", ließ das nicht auf sich sitzen: "Wir haben mit Aktivisten nichts gemein." Der Vorwurf werde oft von denen erhoben, denen eine Berichterstattung nicht gefalle. "Nur weil wir eine Geschichte machen, die dem ADAC nicht passt, sind wir keine Aktivisten gegen den ADAC."
Mit Enthüllungen wie dem ADAC-Skandal und den "Panama-Papers" unterscheide sich die "SZ" von anderen Medien, sagte Krach. Die Königsdisziplin der Zeitung sei früher die Reportage gewesen. Heute sei auch noch etwas anderes - das Exklusive - erforderlich. "Ich glaube, dass investigative Recherchen auch ein legitimes Marketinginstrument sind."
Über die Zukunftsfähigkeit von Radio entscheidet der Übertragungsweg. So der Tenor beim Radiogipfel. Vor allem Holger Hees, Entwicklung Radio, TV von Audi polarisierte hier. Er wünscht sich für die Zukunft nur noch zwei Übertragungswege, nämlich DAB+ und IP-Radio. Das sei vor allem eine Ressourcenfrage bei der Integration im Auto; zusätzlich UKW-Radio sei schlichtweg zu schwer - und damit zu CO2-lastig. Bei Audi rechne man in Gramm.
Werbungtreibende investierten 500 Prozent mehr in Millennials als in jede andere Zielgruppe im Bereich Programmatic Buying. Das stellte Elke Löw, Chefredakteurin von Jugendvonheute.de, einem Informationsservice für das Jugendmarketing, in ihrem Impulsvortrag fest. Jedoch hätten 51 Prozent der Millennials bereits eine "werbefeindliche" Software auf ihrem Smartphone installiert oder planten, diese zeitnah zu installieren.
Die zwischen 1980 und 1999 Geborenen wurden von der ehemaligen W&V-Mitarbeiterin Löw als smarte Adblocker, "die einen guten Bullshitradar haben" bezeichnet. Unpassende werbliche Informationen würden sofort als negatives Rezeptionserlebnis empfunden.
DAB+ sei ein völliger Flop und ähnele bei den Marktchancen dem Blue-Ray-Player, wie Medienwissenschaftler Hermann Rotermund betonte. Eine Sterbehilfe der Gattung. Ins selbe Horn stieß Ö3-Senderchef Albert Malli. Die Österreicher setzen auf IP; sie seien damit und mit TV-Apps auf allen wichtigen Plattformen. Eine digitale Zukunft ohne DAB+ sei vorstellbar. Die Übertragungstechnologie sei den Hörern egal, Hauptsache, "der Sender ist überall erreichbar", so Malli.
Anders die Situation in Deutschland, beispielsweise in Bayern. Die würden schon von dem digitalen Übertragungsstandard profitieren, hob Siegried Schneider, Präsident der Medienanstalt BLM, hervor. Im Gegensatz zu den begrenzten Frequenzen auf UKW gibt es über DAB+ vielfältige neue Möglichkeiten für die Sender. Es ginge nicht ums "Entweder, oder", sondern ums "Sowohl, als auch".
Noch eine Zahl: Die 30. Medientage München zählten über 6000 Teilnehmer.
W&V Online/ps/ko