Daher muss die Kennzeichnungspflicht bestmöglich global und für alle Player gelten. Und es muss Instanzen geben, die das auch global und für alle überwachen und abstrafen. Aber machen wir uns nichts vor, dass wird Zeit brauchen und vielleicht nie im vollen Umfang passieren. Denn selbst seit Jahrhunderten bestehende Branchen schummeln sich noch was zurecht, wenn keiner richtig hinguckt. Siehe Abgasskandal.

Traurig ist hier nur, dass wieder einmal einzig eine bestimmte Gruppe aus der Masse herausgehoben wird, um sich auch nur an dieser auszulassen. Und das auch leider wieder nur in Deutschland, wo die Neid- und Meckerkultur scheinbar unendlich ist.

2. Professionalität

Professionalität auf beiden Seiten ist unumgänglich. Da hilft auch kein Möchtegernverband, der eigentlich nur als Mittler dienen will, um eigenes Kapital aus dem Thema zu schlagen und interne Interessen durchzuboxen. Da muss das Umdenken bei Influencern, bei Marketingverantwortlichen und am Ende auch bei den Unternehmen selbst stattfinden.

Das geht los mit Punkt 1, aber auch mit anderen Punkten:

Gängige KPIs dürfen nicht mehr der Hauptentscheidungsgrund sein, egal ob bei der Auswahl als auch bei der Messung von Kampagnen mit Influencern.

Die vorhandenen KPIs müssen deutlich erweitert werden, was schon beim Thema des total verfälschenden Engagements beginnt.

Weiche Faktoren sollten deutlich wichtiger, aber auch messbarer werden.

Es muss weniger aufs kurzfristige Influencer Marketing, mehr auf langfristige Influencer Relation geachtet werden.

Ich könnte hier den ganzen Tag noch schreiben und wäre am Ende immer noch nicht fertig.

3. Harte Währung

Hört bitte auf, nur Leuchtturm-Cases zu präsentieren und von 4 Millionen (Brutto-)Reichweite zu sprechen, um eure Kunden von euren Leistungen zu überzeugen, egal ob ihr eine Agentur oder Plattform seid. Erst einmal will keiner eine Bruttoreichweite haben, die ihr meist nicht mal als solche kennzeichnet.

Denn was soll ich mit Überschneidungen von beispielsweise identischen Followern von Caro und Leonie, wenn ich beide für eine Kampagne gebucht habe? Dann sind wir vielleicht bei nur noch 2 bis 3 Millionen Nettoreichweite. Das wären bei zwei Influencern ja noch gute Zahlen, selbst wenn man jetzt noch Fake-Accounts und so weiter rausrechnen würde. Aber ich lese auf vielen Influencer-Marketing-Plattformen dann etwas von 4 Millionen (Brutto-)Reichweite bei 800 eingesetzten (Micro-)Influencern.

Rechnung:

4 Millionen Bruttoreichweite = großzügig 3 Millionen Nettoreichweite. Die eigentliche Reichweite, sprich die wirklichen erreichten Fans/Follower, ist aber deutlich niedriger, da nur ein Bruchteil dieser potenziellen Fans/Follower überhaupt bei einem Post via Instagram oder Facebook erreicht wird wird. Der Einfachheit halber lassen wir aber die Nettoreichweite stehen. Uff, Glück gehabt, sagen sich einige.

3 Millionen Nettoreichweite auf Basis von gut gemeinten 10 Prozent Engagement-Rate = 300.000 Interaktionen

300.000 Interaktionen / 800 Influencer = im Schnitt 375 Interaktionen pro Influencer

Sieht nicht mehr ganz so doll aus, was diese Plattformen, aber auch Agenturen ihren Kunden als Erfolge verkaufen. Wenn wir jetzt noch durch Bots/Apps automatisiertes Posten von (Emoji-)Kommentaren usw. herausrechnen, dann wird es immer düsterer um diese Leuchtturm-Cases. Und wir haben gar nicht etwa Fake-Accounts oder Fans/Follower, die demografisch gar nicht auf das zu bewerbende Produkt / die Dienstleistung passen, beachtet.

4. Qualität

Erfolge messbarer machen ist die eine Seite, Kreativität die andere. Warum nur langweilig das Produkt in die Kamera halten und zufrieden sein? Wo sind denn smarte und kreative Kampagnen mit Conversion-Zielen, die man durch passende URLs oder personalisierte Voucher-Codes messbar machen kann?

Wie viel bringen mir die Likes meines Social-Media-Channels und die lustigen Emojis in den Kommentaren? Aber auch das hinterfragen leider noch viel zu wenige. Die Qualität vieler Kampagnen ist erschreckend (gerne mal bei www.facebook.com/influencerperlen reinschauen). Aber auch ein schlechtes Konzept wird nicht viel besser, nur weil man einen oder gleich mehrere Influencer darauf bucht. Daher sehe ich hier weniger eine Rettung des Influencer Marketings als essenziell, sondern eher eine Optimierung des Themas in allen Facetten und bei allen Beteiligten inklusive der Wahrnehmung durch Presse und Otto Normalverbraucher.

Eine so junge Disziplin ist nicht perfekt und muss sich entwickeln. Das gilt aktuell genauso für Virtual Reality, Kryptowährungen und so weiter. Es braucht halt seine Zeit. Gutheißen muss man deswegen fehlende Kennzeichnung von Werbung oder Produktplatzierungen trotzdem nicht. Aber man sollte nicht gleich mit einer Fackel und Mistgabel in der Hand alles niederbrennen.

Der Autor: Pascal Wabnitz, Jahrgang 1985, ist freier Berater, Konzepter und Art Director für Digitales und seit Jahren im Influencer-Geschäft unterwegs. Er ist ist Gründer der Freelancer-Netzwerke smartjobr.com und edelkollektiv.com sowie von Le Buzz, einer Marke für Influencer Marketing Professionals.

Zur W&V-Facebook-Gruppe "Rettet das Influencer Marketing" geht es hier.

Noch mehr Infos zum Thema Influencer Marketing gibt es im großen W&V-Dossier.


Autor: Pascal Wabnitz

Pascal Wabnitz war über zehn Jahre für Top-Agenturen als freier Digital-Berater und Creative Director tätig. Heute ist er Gründer und Geschäftsführer von Le Buzz Studio, einem agilen Anbieter für digitale Kommunikation mit den Schwerpunkten Content, Social Media, Influencer sowie Performance Marketing, welches zuletzt Kunden, wie Land Rover, VGH Versicherungen usw. gewinnen konnte. Le Buzz Studio ist Teil der sdk.group mit Sitz in Berlin, Hamburg, Nürnberg und Hannover.