Martin Berger ist für den Markenauftritt von Vorwerk verantwortlich.

Der perfekte Mix

Beginnen wir mit dem erwähnten Thermomix – eher ein Phänomen als nur ein Produkt. Man scheint in Wuppertal bis heute etwas überrascht über den anhaltenden Run auf die multifunktionale Küchenmaschine:

"Der Ansturm, den wir auf den Thermomix erleben, ist rein rational nicht zu erklären. Obwohl wir das aktuelle Modell schon im September 2014 auf den Markt gebracht haben, können wir bis heute die Nachfrage nicht bedienen. Es gibt Wartezeiten auf dieses Produkt. Das feuert wiederum in anderen Ländern, etwa den USA, auch das Medieninteresse an: Was ist das für eine Maschine, auf die deutsche Käufer bereitwillig zehn Wochen warten? Amerikaner warten noch nicht mal eine Woche auf ein neues Auto. Das war für die völlig unbegreiflich. Die Knappheit hat den Run erst so richtig angeheizt. Unsere RepräsentantInnen – in der Mehrzahl Frauen – benötigen natürlich ein Demogerät. Das hat so manche Kundin dazu bewogen, selbst als Beraterin bei Thermomix zu starten, um sofort ein Gerät zu bekommen. So wuchs zugleich das Vertriebsnetz immer schneller, und ein Stück weit beschleunigte der Hype sich selbst. Aber wir sind nicht so vermessen zu sagen, wir haben das alles erfunden und selbst geschöpft. Wir profitieren von einem gesellschaftlichen Trend, der seit einigen Jahren das Thema Kochen ganz hoch ansiedelt, was man auch an der Omnipräsenz entsprechender Medienformate ablesen kann."

Trotzdem wehrt sich Berger gegen die Mutmaßung, der Thermomix sei per se emotionaler besetzt als der legendäre Staubsauger Kobold:

"Das stimmt nicht. Wenn man die Vorführung eines Kobolds im Hause eines Kunden oder einer Kundin beobachtet, erkennt man, wie hoch emotional auch dieses Thema sein kann. Wir wissen aus der Marktforschung, dass Themen wie Sauberkeit und Reinlichkeit weit über Rationalität hinausgehen, bis in moralische Kategorien hinein. Da spielen viele Dinge zusammen, die auch dem Kobold ein hohes emotionales Potenzial verleihen".

Um die Marken-Architektur bei Vorwerk zu erklären, greift Martin Berger auf die Unternehmensgeschichte zurück. Die begann im Jahr 1883 mit der Barmer Teppichfabrik Vorwerk & Co.:

"Später kamen die Staubsauger dazu, und aus der Überwindung der Weltwirtschaftskrise der 1920er-Jahre entwickelte sich der Ansatz des Direktvertriebs. Damit kam der Erfolg. Kobold wurde ein Gattungsbegriff für Staubsauger. Schon seit den 1960ern gibt es Küchenmaschinen von Vorwerk, die Vorläufer des heutigen Thermomix. Ganz neu sind die Akku-Werkzeuge unter der Marke Twercs."

Also eine recht heterogene Produktwelt, die sich unter der Dachmarke "Vorwerk" vereinigt. Ohne formulierte Strategie geht es da nicht:

"Die Marke Vorwerk findet eigentlich auf zwei Ebenen statt. Einmal die Unternehmensgruppe, zu der beispielsweise auch die AKF Bank oder Jafra Cosmetics gehören. Und dann der Kernbereich, die Dachmarke Vorwerk, für das, was wir als "Superior Household Appliances", also als überlegene Haushaltsgeräte bezeichnen: heute vor allem der Thermomix, der Kobold und die neuen Powertools. Aber wir wissen aus der Marktforschung, dass die Marke Vorwerk sehr viel mehr tragen kann, als wir heute spielen. Wir haben da noch viele Ideen für die Zukunft."

Eine Markenstruktur und Strategie, die erst seit etwa sechs Jahren schriftlich fixiert ist:

"Das gab es zuvor lange Zeit nicht, weswegen sich in den verschiedenen Märkten unterschiedliche Herangehensweisen entwickelt haben. In Deutschland wird Vorwerk nach wie vor hauptsächlich mit Staubsaugern assoziiert. Immer noch gibt es viele – zu viele – Konsumenten, denen gar nicht bewusst ist, dass der Thermomix auch von Vorwerk kommt! Auf unserem zweiten wichtigen Markt, in Italien, ist es anders herum: Bekannt ist dort vor allem der Name Folletto, die wörtliche Übersetzung von 'Kobold', der geradezu ein Gattungsname für diese Produktkategorie wurde. Die Marke Vorwerk ist nicht unbekannt, aber deutlich weniger bekannt als der Produktname. Das gleiche gilt für den Thermomix, der aus markenschutzrechtlichen Gründen in Italien 'Bimby' heißt."

Klare Struktur unter dem Vorwerk-Dach

Was ist also das Ziel dieser Dach- und Produktmarkenstrategie in den beiden wichtigsten Märkten?

"Früher gab es bei den Staubsaugern den Kobold, den Tiger und so weiter. Das haben wir aufgeräumt: Alles, was reinigt, heißt jetzt Kobold. Die Aufgabe ist, den Deutschen zu vermitteln, dass der Kobold von Vorwerk ist und der Thermomix ebenfalls. Und den Italienern versuchen wir beizubringen, dass Folletto und Bimby zwei Produktmarken der Firma Vorwerk sind. Andererseits wissen wir, dass Folletto dort aufgrund des Wortklangs gar nicht als deutsche, sondern als lokale italienische Marke wahrgenommen wird. Durch den Namen Vorwerk, der für Italiener unaussprechlich teutonisch ist, können wir da durchaus zusätzlichen Wert kreieren."

So strukturiert wie heute war die Marken-­ und Produktwelt von Vorwerk nicht immer. Das Unternehmen versuchte sich zwischenzeitlich auch als Elektro-­Vollsortimenter, was nicht zuletzt am System des Direktvertriebs scheiterte. Auch die ein oder andere Produktidee erwies sich als Flop:

"Da gab es zum Beispiel ein Bügelsystem, das wir nach zehn nicht allzu erfolgreichen Jahren wieder vom Markt nahmen. Noch früher gab es auch eine ganze Palette von weißer Ware wie etwa Kühlschränken, die Vorwerk in sehr guter Qualität hergestellt hat. Es war letztlich der Direktvertrieb, der uns zur Fokussierung zwang. Die Zeit, die der Verkäufer beim Kunden hat, ist limitiert. Er muss sich entscheiden: Verkaufe ich jetzt hier einen Staubsauger oder einen Kühlschrank? Am Ende machten wir nicht mehr Umsatz, sondern der Umsatz verteilte sich auf zu viele Produktkategorien. Und in keiner konnte man nachhaltig eine dominierende Stellung aufbauen. Ende der 1970er-Jahre traf man dann die richtungsweisende Entscheidung: Wir machen nicht mehr alles, sondern konzentrieren uns auf die Staubsauger. Die Küchenmaschinen blieben, spielten aber lange eine Nebenrolle. Der Erfolg des Thermomix kam mit einem eigenen, separaten Vertriebssystem, das komplett neben dem Kobold herlief und auch weiterhin streng getrennt geführt wird."

Einen gewissen Ruhm in Marketingseminaren errang Vorwerk mit einer auf den ersten Blick sehr erfolgreichen Kampagne, die Berger und seine Kollegen in der Vorwerk Führung heute jedoch als Irrweg betrachten:

"Viele Verbraucher erinnern sich an unsere Fernsehwerbung kurz nach der Jahrtausendwende, die mit der Pointe "Ich leite ein erfolgreiches Familienunternehmen" ausgesprochen gut ankam. Doch der Spot trug letztlich nicht zum Unternehmenserfolg bei: Er blieb zwar im Kopf, aber die Marke nicht."

Warum hatte man bei Vorwerk überhaupt zum Mittel der Imagekampagne gegriffen?

"Der Anlass war eine Marktforschung, die zu dem Ergebnis kam, dass die Marke Vorwerk bei den Verbrauchern zwar einen unglaublich guten Ruf in Sachen Produktqualität, Langlebigkeit und ähnlichen klassischen Qualitäten genoss. Aber sie war keine Lovebrand, wie man heute sagt: respektiert, aber nicht wirklich geliebt. Daraus hat man abgeleitet, die Marke Vorwerk müsse jetzt emotionalisiert werden – das war das Stichwort damals. Man suchte nach einem passenden Motiv und fand das Thema "Familie". Die Idee war, die Rolle der Hausfrau, die als unterrepräsentierte und zu wenig geschätzte Figur gilt, aufzuladen und mit Bedeutung zu versehen. Davon sollte die Marke Vorwerk profitieren. Aber es hat nicht funktioniert: Der Spot war sehr beliebt, hat aber in keiner Weise den Umsatz gesteigert – im Gegenteil, trotz des Kommunikationsaufwands waren im gleichen Zeitraum die Umsätze sogar rückläufig. Die Imagebildung hat auch nicht eingezahlt auf die "First Choice"-­‐Werte oder unsere Position im "Relevant Set". Wir zogen daraus den Schluss, dass wir die Marke Vorwerk aus ihrer ursächlichen Qualität heraus entwickeln müssen, anstatt ihr ein Attribut anzuheften, was ihr nicht innewohnt. Stattdessen versuchen wir jetzt, aus dem Qualitätsverständnis heraus zu argumentieren – und daraus die Emotionalität zu schöpfen."

Markenführung statt Werbung

Damit verfolgt das Brand Management bei Vorwerk seit einigen Jahren erfolgreich einen neuen Ansatz, der das gesamte Unternehmen mit einbezieht:

"Wir wollen die Marke Vorwerk erneuern. Und das gelingt nur dann, wenn nicht – wie seinerzeit mit der "Familienmanager"-Kampagne – Kommunikation gemacht, aber der Rest des Unternehmens außen vor gelassen wird. Der Vertriebsweg, die dunkelgrünen Staubsauger: Es blieb damals ja alles beim Alten. Heute ist unser Ansatz, den Kern, die Grundwerte der Marke herauszuschälen und in einer modernen Form zu interpretieren. Angefangen haben wir beim Produkt, denn das ist das Wichtigste – wir sind eine Produktmarke. Als nächstes standen die Vertriebswege an. Wir müssen uns dem Internet gegenüber öffnen. Wenn all dies auf einem guten Weg ist, können wir auch anfangen, darüber zu reden – aber nicht vorher! Dann kann man auch darüber nachdenken, wieder einmal eine Kampagne zu starten. Die Voraussetzungen dafür wären inzwischen gegeben. Immerhin feiern wir seit sechs Jahren immer neue Rekordumsätze. Das ist sicher auch der Konsequenz geschuldet, mit der wir das Thema Marke diesmal angegangen haben."

Berger betont, dass das Veränderungsprojekt sowohl von der Unternehmensleitung gewollt als auch von der Unternehmerfamilie mitgetragen wurde. Worin dieser Markenkern besteht, darüber herrscht bei ihm kein Zweifel:

"Zu den Erfolgstreibern von Vorwerk gehören vor allem die Produktqualität, die Performance beim Kunden. Dazu Attribute wie Langlebigkeit und Reparaturfreundlichkeit – eigentlich sehr traditionelle Werte, die aktuell wieder an Bedeutung gewinnen. Zur Produktqualität kommt die Servicequalität. Der Direktvertrieb lebt davon, die Produkte beim Kunden zur Anwendung zu bringen, die Kunden zu schulen und zu betreuen. Das bauen wir aus, und in dieser Kombination entwickelt die Marke Vorwerk ihre Eigenständigkeit und auch ihre Kraft."

Nicht nur die Markenstrategie, auch das Markendesign und mit ihm das Farbkonzept der Vorwerk Produkte haben sich in den letzten Jahren massiv verändert und weiterentwickelt. Ein Prozess, der nicht ohne äußeren Druck in Gang kam, wie Berger einräumt:

"Der Auslöser waren die teils wirklich dramatischen Umsatzrückgänge beim Kobold, gerade in Deutschland. Das war in den 1990er-­Jahren bis über die Jahrtausendwende hinaus, und wir haben mit vielen Veränderungen im Management und in den Prozessen reagiert: ohne Erfolg. Die einhellige Meinung im Haus war: Das Produkt ist großartig, daran kann es nicht liegen – bis wir mit einer Marktforschung mal bei unseren Kunden nachgefragt haben. Zu unserer Überraschung stellten wir fest: Die waren gar nicht so begeistert. Qualität, Leistungsfähigkeit, Langlebigkeit standen zwar nicht in Frage. Aber die Geräte wirkten zu rustikal, wie aus der Zeit gefallen. Die Leute sagten: Toll, aber eher etwas für meine Mutter oder meine Oma, nicht für mich. Und der Grund dafür war das Design. Ich bin persönlich ein großer Fan der Designgeschichte der Kobold-­Staubsauger: Jede Generation spiegelte den Zeitgeist auf hohem Niveau. Vom Bakelitgehäuse bis zum kantigen Industriedesign, alles hatte seine Zeit. Aber in der jüngeren Zeit mit ihren großen und schnellen Veränderungen waren wir stehengeblieben."

Eine Familie in Weiß-Grau-Grün

Die Wuppertaler nehmen das Instrument Marktforschung als Dialog mit den Kunden ernst. Wie können Befragungsergebnisse in eine Designstrategie einfließen, ohne in die Beliebigkeit des Mainstreams abzugleiten? Dafür liefert Berger ein konkretes Beispiel:

"Nehmen wir die Markenfarbe Grün: Als Flächenfarbe funktionierte sie nicht mehr. Wir haben viel experimentiert und stellten fest, dass eine hellere Anmutung, Weiß mit Anthrazit kombiniert, den Leuten unglaublich gut gefiel. Wenn man zum Beispiel Menschen einen Staubsauger in Grün und einen in der neuen, hellen Farbgestaltung in die Hand gibt, sagen sie: Der helle wiegt weniger als der dunkle. Die Farbe wirkt bis in die Motorik hinein und weckt andere Assoziationen. So konnten wir das Vorurteil, Kobold-­‐Staubsauger seien so schwer und klobig, schon durch die Farbstrategie drehen."

Das Austarieren solcher Designfaktoren ist heute ein dynamischer, interaktiver Prozess:

"Wir mussten uns an das richtige Gleichgewicht der Farben herantasten. Anfangs waren die Geräte noch heller, da begannen die Kunden zu zweifeln und sagten: Chic, aber kann der auch noch saugen? Also erhöhten wir den Anthrazit-­Anteil. Und natürlich die Markenfarbe Grün – die müssen wir spielen. Bei den jetzigen weißen Modellen nutzen wir übrigens erstmals als Akzentfarbe das gleiche Grün wie im Vorwerk Logo. Auch das war vorher anders. Ein riesiger Vorteil dieser Farbstrategie: Wir können den Kobold, den Thermomix und jetzt auch die Twercs Tools im gleichen Farbcode gestalten. Zum ersten Mal sieht man den verschiedenen Produkten jetzt an den Farben an, dass sie aus dem selben Stall kommen. Wir sind mit der Familienähnlichkeit noch nicht da, wo wir hin wollen, aber die Strategie ist formuliert."

In ihrem Wettbewerbsumfeld sind Vorwerk-Produkte preislich im Premium-­Segment positioniert. Das gegenüber den Kunden zu rechtfertigen, fällt Berger nicht schwer:

"Der Grund dafür ist schlichtweg die Produktqualität. Die Produktion ist entsprechend aufwendig und findet auch weitgehend in Deutschland und sogar in Wuppertal statt. Das verbietet von vornherein eine Niedrigpreisstellung, und die streben wir auch gar nicht an. Dass wir das Preispremium tatsächlich durchsetzen können, liegt natürlich auch daran, dass wir unser Vertriebssystem geschlossen halten: Mit einem Vertrieb über Händler oder dritte Absatzmittler könnten wir diese Preise sicherlich nicht halten."

Womit ein weiterer Faktor im Marketingmix benannt wäre: der Vertriebsweg. Auch hier entwickelt sich Vorwerk weiter und erprobt neue Konzepte:

"Wir machen jetzt selbst Retail. 2011 haben wir den ersten Laden eröffnet, am Jungfernstieg in Hamburg. Wir sprechen intern von unserem "Flagship Store", weil wir das Handelsformat nicht nur ausprobieren wollten, sondern dort unsere Vorstellung von der Marke Vorwerk auch zum ersten Mal in Architektur gegossen haben. Wir hatten gar keinen großen Profit einkalkuliert, doch es lief vom Fleck weg extrem gut. Das hat uns ermutigt, ein ganzes Netz von Shops aufzubauen. Inzwischen sind es über 50 in Deutschland, und wir planen in diesem Jahr die ersten Eröffnungen im Ausland. Es ist ein großer Schritt, weil wir damit einen neuen Vertriebsweg öffnen. Wir tun das in enger Abstimmung mit dem Direktvertrieb, und wir legen Wert darauf, diese Shops selbst zu betreiben und zu leiten. Wir legen fest, was dort wie verkauft wird – eng verzahnt mit dem Direktvertrieb."

Total vertikal, tendenziell virtuell

Diese Hinwendung zu einem Multichannel-Marketing mag von außen nicht ungewöhnlich wirken, für die Vorwerk Firmenkultur bedeutete sie einen Wendepunkt, betont Berger:

"Jahrzehnte lang sind wir zum Kunden gegangen. Aber, das hat uns die Marktforschung zurückgespiegelt, die Kunden wollen sich immer weniger vorschreiben lassen, auf welchen Wegen sie zur Marke Vorwerk finden. Die Kritik war gar nicht, dass wir an der Haustür klopfen – sondern dass wir es unangekündigt tun und dass die Kunden, wenn der Vertreter wieder weg ist, nicht wissen, wie sie uns erreichen können. Der klassische Fall: Die Staubsaugertüten sind aus, wo bekomme ich neue her? Der Vertreter ist nicht mehr da und kommt vielleicht auch nie wieder. Mit den Shops und auch mit dem E-­Commerce geben wir dem Kunden Autonomie zurück: Hier bekommt er alles, nach Wunsch auch ins Haus geliefert. Die Verzahnung der Kanäle ist die eigentliche Kunst."

Wie groß ist die Bedeutung dieser zusätzlichen Vertriebskanäle für Vorwerk?

"E-­Commerce spielt für uns eine wachsende Rolle. Der Direktvertrieb liegt in unseren Genen, wir glauben auch an diesen Kanal. Aber wir sind ebenso überzeugt davon, dass wir ihn mit weiteren Zugangswegen ergänzen müssen. Wir wollen die Kunden nicht alleine lassen, und wir wollen ihnen auch keine Vorschriften machen. Die Lösung liegt in einem Kanalmix, in dem der Direktvertrieb sicherlich weiterhin die dominierende Rolle spielt. Während wir beim Kobold in Deutschland durch Umsatzrückgänge unter einem gewissen Handlungsdruck standen, können wir diesen Schritt in den anderen Geschäftsbereichen aus einer Position der wirtschaftlichen Stärke vollziehen – in der Geschwindigkeit, die wir für angemessen halten. Wir werden nicht getrieben."

Und natürlich gehört der Direktvertrieb auch zu den Alleinstellungsmerkmalen von Vorwerk. Aber wie wirkt diese Vertriebsform auf die Praxis der Markenführung zurück?

"Der Vorwerk Direktvertrieb arbeitet traditionell mit selbstständigen Handelsvertretern. Das macht die Steuerung der Marke nicht leichter, weil jeder dieser Vertreter draußen beim Kunden auftritt, wie er eben auftritt. Wir konnten ja selbst feststellen, wie viel leichter sich das über einen Shop steuern lässt. Sie machen einen Shop auf, Sie schreiben ein Logo drauf, Sie entscheiden, was in dem Shop steht. Sie können sogar entscheiden, welchen Pullover der Verkäufer tragen soll. Das geht mit den selbstständigen Vertretern nicht so einfach. Aber Vorwerk existiert jetzt schon seit 133 Jahren – da kommt es nicht darauf an, wenn es mal etwas länger dauert, Dinge durchzusetzen, als in Unternehmen, die einfach durchregieren können."

Außerdem, auch eine Direktvertriebs-­Organisation ist nicht statisch, gibt Berger zu bedenken. Ganz grundsätzlich sucht sein Brand Management nach Prozessen, die kontinuierliche Nachjustagen und Weiterentwicklungen von Markenelementen zulassen:

"Es gibt bis jetzt keine explizite Markenschulung für die Handelsvertreter, aber die Vertriebsmaterialien und die Geschichten, die sie erzählt bekommen, entfalten natürlich ihre Wirkung. Durch die natürliche Fluktuation in der Organisation gibt es schon jetzt viele Vertreter, die gar nichts anderes von Vorwerk kennen als das, was wir noch als das Neue empfinden. Die Marke soll zukünftig auch weniger statisch sein, sondern immer wieder neu überdacht und nachjustiert werden. Beispiel Shopdesign: Das überarbeiten wir zurzeit, weil wir inzwischen den Eindruck haben, dass die Tonalität der Shops etwas zu kühl geraten ist. Wir modifizieren die Materialien, ohne den Grundgedanken infrage zu stellen; wir versuchen, behutsam weiterzuentwickeln. Das Gleiche gilt für das Design bei jeder neuen Gerätegeneration. Aber all das wird sich in einem definierten Rahmen, einem Entscheidungskorridor bewegen."

Der Weltmarkt wartet

Jetzt, wo das Brand Management strategisch installiert ist – wo sieht Berger die größten kommenden Herausforderungen für Vorwerk? Die Antwort überrascht:

"Der große Schritt zur Internationalisierung liegt noch vor uns. Ich bin überzeugt, dass wir das Potenzial zum anerkannten, internationalen Spieler haben, der wir heute noch nicht sind. Wir haben heute zwei Hauptmärkte, Italien und Deutschland. Dann das restliche Europa, wo wir eine gewisse Rolle spielen, und ein bisschen China. Aber ich denke, die Marke Vorwerk hat noch ein gewaltiges Potenzial weltweit mit all den Qualitäten, über die wir gesprochen haben. Eine weitere Herausforderung wird sicherlich sein, zusätzliche Geschäftsfelder aufzubauen, die man unter der Marke Vorwerk führen kann. Und persönlich würde ich mich freuen, wenn wir das Thema Flooring, also Bodenbeläge, wieder stärker nach vorne bringen. Da tut sich im Moment sehr viel, und ich bin zuversichtlich, dass man da in absehbarer Zeit auch wieder Erfreuliches hören wird."

Man erinnert sich beim Thema Bodenbeläge an eine Phase in den 1990er-­Jahren, als Vorwerk zum Beispiel mit Künstlerkollektionen sehr erfolgreich kommunizierte – immer im Bewusstsein, dass der meistverkaufte Teppichboden dennoch beige oder grau war. Doch den Trend zu Hartböden hatte Vorwerk, wie der Rest der Branche, etwas verschlafen, gibt Berger zu:

"Wir litten damals allerdings weniger als der Wettbewerb: Viele andere Firmen sind ganz verschwunden. Ich denke, jetzt ist der Trend auf unserer Seite – das Thema Teppiche und Heimtextilien kommt wieder. Wohnräume bekommen mehr Wärme, der Peak der kühlen Welle ist überschritten. Und wir bieten heute auch selbst Hartbodenbeläge an. Inzwischen hat Vorwerk Flooring eine sehr stringente Strategie – und die Marke Vorwerk, das darf man nicht vergessen, ist auch bei Bodenbelägen mit Abstand die bekannteste in Deutschland. Das Potenzial ist da, wir wollen versuchen, es zu heben. Die Bodenbeläge sind die Wurzel von Vorwerk –als Markenmann liebe ich das. Und ich weiß, die Eigentümerfamilie liebt das auch. Vorwerk wird dieses Geschäftsfeld nicht aufgeben."

Das Interesse, das der Marke Vorwerk und ihrem Management in jüngerer Zeit entgegen gebracht wird und das nun sogar in der Verleihung des German Brand Award 2016 gipfelt, überraschte das Team um Berger zunächst – doch inzwischen überwiegt die Freude über die Anerkennung der Leistung für das Unternehmen:

"Wenn das, was wir für die Marke Vorwerk erreicht haben, nun auch von den Experten einer Jury gewürdigt wird, freut uns das wahnsinnig: Denn wir sind eben Vorwerker, wir haben grünes Blut in den Adern. Und wenn andere das für eine erzählenswerte Geschichte halten, umso besser!"