Was meinen Sie genau damit?

Tim Seewöster: Die Funktionsspots sind oft ähnlich: Du siehst eine URL, dann wird beschrieben, was das Produkt macht und dann soll man sich das merken. Innerhalb einer Werbeinsel gibt es eine Batterie von zehn oder 20 Spots. Alle sind in ihrer Nachricht indifferent und zahlen auf eine einfache Botschaft ein. Der klassische Ansatz, eine Marke aufzubauen, was entscheidend mit Emotionalisierung zu tun hat, das kommt dabei häufig zu kurz oder findet gar nicht statt. Wenn ich Einfluss und Erfolg haben will, dann muss ich einen langen Atem haben und anfangen, die Marke anders zu erzählen. Der Grundgedanke war, in der Ansprache etwas lauter, ja, etwas mutiger zu sein. Das bedeutet: Einerseits mit einer ganz neuen Ansprache Mut nach Außen zu zeigen und andererseits Mut nach innen zu transportieren, um zum Beispiel Mitarbeiter zu ermutigen, Dinge anders zu kommunizieren.

Wie kommt da Try No Agency ins Spiel?

Tromm: Das große Ding ist, dass wir immer wieder hören, dass der Kunde keinen Brand-Spot, sondern einen Performance-Spot haben will. Das ist für uns überhaupt kein Widerspruch. Tim war der erste, bei dem wir mit der Ansicht offene Türen eingerannt haben. Es gibt eigentlich nur Performance-Werbung. Eine Werbung, die nicht an irgendeiner Stelle auch Performance bringt, ist keine Werbung. Das vergessen die meisten. Es ist nicht entweder oder, sondern Performance ist immer das Ziel. Und Brand ist hier ein ganz wichtiges Mittel. Das versteht man gerade in der Start-Up-Szene häufig nicht.

Seewöster: Marketing muss beides können: Die richtigen Dinge machen und die Dinge richtig machen. Wir haben angefangen mit reinem Performance-Marketing rauf und runter. Alle, die in Berlin über das Thema Marketing sprechen, meinen eigentlich Online-Marketing, meinen Performance, meinen CTR, meinen Conversion Rates, immer in Hinblick auf Effizienz. Kreation, Marke, Attribute und anderes kam in der Vergangenheit häufig zu kurz. Im Februar 2014 kommentierte das ein Magazin mit der Überschrift "Kauf du Arsch". Und ich glaube, das schlägt gerade so ein bisschen zurück. Du kommst als junge Marke mit funktionaler Ansprache nicht mehr im Evoked Set des Kunden an, hast keine Markenbotschaft, keine Erinnerung und damit auch keine ordentliche Werbewirkung. Emotionale Spots wirken aber erwiesenermaßen besser als reine Funktionsspots.

"Wir reden dem Kunden nicht ein, dass wir die Geilsten sind"

Tromm: Was wir schön an der Kampagne finden, ist, dass es nicht darum geht, dem Kunden einzureden, man sei die Besten, die Schönsten, die Geilsten, die, bei denen der Kunde immer die besten Angebote bekommt. Wir haben uns gefragt: Was hat der Kunde denn wirklich davon, wenn er Sparwelt nutzt. Klar: Er spart sich Geld und kann sich dadurch mehr leisten.

Stefan Nagel: Und das ist der entscheidende Unterschied zu, keine Ahnung, "Schuhe24 – jetzt Schuhe kaufen". Wir quatschen den Kunden nicht voll, sondern sagen einfach: "Besser Shoppen. Besser fühlen." Wenn Du Sparwelt.de nutzt, dann bekommst du genau das: Ein besseres Gefühl, weil du besser eingekauft hast und dir dadurch Geld sparst.

Tromm: Der Punkt ist: Wenn Du Geld sparst, musst du weniger arbeiten. Und wenn du weniger ackerst, dann hast Du mehr Zeit, dich den schönen Dingen des Lebens zu widmen. Darum geht es in der Kampagne.

Was versprechen Sie sich denn genau von dem neuen Ansatz?

Seewöster: Wir waren immer sehr funktional in der Argumentation: Das ist der Deal! Da gibt es zehn Prozent Rabatt! Kauf da mal ein! Mir war wichtig, bei der Kommunikation auch einfach mal zu übertreiben. Lauter zu werden, mutiger und ein wenig drüber. Einfach mal aus diesem Shopping-Ding auszubrechen, in dem es immer nur darum geht, irgendeinen Rabatt zu bekommen. Das Ziel ist es doch, nach jedem Einkauf ein gutes Gefühl zu haben. Sparen soll in erster Linie Spaß machen! Durch das Überdrehte wollen wir erreichen, dass der Kunde, der zum Beispiel unsere Spots sieht, emotional mitgenommen wird. An uns denkt, sich die Marke merkt und bei Zeiten auf unsere Seite geht.

Tromm: Ein Online-Shop ist nichts anders als ein Shop, der eben nicht da draußen, sondern online ist. Interessant ist, dass sich gerade einmal zehn Prozent der Leute erinnern können, wo sie denn genau den Rabatt bekommen haben. Man stelle sich mal vor: Du kommst nach Hause und hast gerade bei Edeka eine Wurst gekauft. Auf die Frage, wo du einkaufen warst, sagst du dann: Ähm, keine Ahnung. Im realen Leben eigentlich undenkbar, online passiert das aber täglich. Daran sieht man doch, dass der rein funktionale Ansatz bei jungen Marken einfach nicht richtig funktioniert. Durch solche Spots wie die, die wir realisiert haben, macht sich Sparwelt unaustauschbar.

Sie planen aktuell bis Ende 2018. Eine lange Zeit.

Seewöster: Natürlich ist das ein langer Zeitraum, auch für uns. Aber ich hoffe, dass wir mit dem Erfolg der Kampagne sagen können, dass sich die Motive auch wieder ändern. Von den fünf Spots, die wir Ihnen eben gezeigt haben, gehen vorerst mal drei raus. Im April und Mai gehen die innerhalb der RTL Sendergruppe on-air. Die zweite Welle kommt ab August bis Weihnachten mit einem Brutto-Mediavolumen von knapp fünf Millionen. Insgesamt haben wir an Bruttomediavolumen einen niedrigen zweistelligen Millionen auf das gesamte Jahr gelegt.

"Wir haben 5 Spots in 2 Tagen gedreht"

Wie ließe sich "DuKannstEsDirJaLeisten" weiterdenken?

Tromm: Da gibt es viele Möglichkeiten. Mal aus der Luft gegriffen: Wenn man zu Weihnachten ein Outfit kauft, bekommt man für wenig Geld ein zweites dazu, und das kann man dann spenden. Oder man springt auf Themen wie die Steuerpolitik auf, wenn es mal wieder Zeit für die Abgaben ist. Die Optionen sind nahezu grenzenlos.

Ist denn die RTL-Zielgruppe wirklich genau die Zielgruppe, die Sie ansprechen wollen?

Seewöster: Auf jeden Fall. Die Gruppe der 14- bis 29-Jährigen ist bei ProSieben relativ stark. Aber die Zielgruppe kennt sich bereits gut aus mit Online-Shopping und damit, online zu sparen. Deshalb wollen wir in die Mitte der haushaltsführenden Zielgruppe, zu den über 29-Jährigen bis zu den Silver Surfern. Da sind wir bei RTL an der richtigen Adresse. Die Werbeblöcke von RTL sind durch bekannte Online-Marken weniger inflationiert. Dadurch sind wir im Werbeumfeld freier. Sparwelt.de wird neben den Spots von bekannten Markenartiklern platziert und dadurch fallen wir stärker auf, als wenn wir neben Amorelie und Zalando auftauchen.

Im Briefing deuten Sie auch an, dass es so ein bisschen um Krawall gegen die Großen geht, aus Sicht von Try No Agency auch gegen die großen Agenturen. Was meinen Sie?

Nagel: Wir haben fünf Spots in zwei Tagen gedreht, aber auch ein Konzept in sechs bis acht Wochen entwickelt, vom Briefing bis zur Verabschiedung. Wir sehen uns als Try No Agency eher als kleines Schnellboot und nicht als großer Tanker, was Vieles einfacher macht und uns auch davor bewahrt, dass die Arbeit unter festgefahrenen, bürokratischen Strukturen leidet.

Seewöster: Das war uns wichtig. Obwohl es bei der Kampagne selbst weniger um Effizienz als um Markenaufbau geht, haben wir natürlich andere Budget-Grenzen als zum Beispiel ein großer Markenartikler. Die Frage war, wie schnell und trotzdem gut und authentisch wir das Ganze hinbekommen. Eben gab es noch das Briefing, kurz darauf standen wir schon in Kiew und haben gedreht. So schnell und unkompliziert hätte das mit einer der großen Agenturen sicherlich nicht funktioniert.

Nagel: Aber trotzdem ist es natürlich wichtig, das Niveau hoch zu halten. Unser Vorteil ist und war auch bei dieser Kampagne, dass wir Abstimmungen nicht über verschiedene Instanzen machen mussten, sondern direkt untereinander an einem Tisch. Das hat sehr gut funktioniert. Und ich glaube, wir haben das Budget in der besten Geschwindigkeit optimal genutzt und dabei das Beste herausgeholt.