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Weltverbesserer oder Heuchler: Ein schmaler Grat für Marken
Wenn Unternehmen sich mit einem höheren Sinn schmücken wollen, kann das nach hinten losgehen. Wie man es besser machen kann, weiß Markenexpertin Carina Hauswald.

Foto: J. Rolfes, Globeone
Egozentrisch und auf ihre eigenen Produkte fokussiert: So lautet das harsche Urteil der Unternehmensberatung Globeone über die meisten Werbeclaims. Dazwischen finden sich aber auch Beispiele, die eigene Marke mit einem gesellschaftlich übergeordneten Zweck zu verknüpfen. Kann das funktionieren? Ein Gespräch mit Carina Hauswald, Managing Partner des Züricher Büros von Globeone.
Brauchen Unternehmen heutzutage einen "Purpose", also einen höheren Unternehmenszweck, um sich von ihren Konkurrenten abzuheben?
Zuerst einmal ist es ja so, dass es noch gar nicht so viele Unternehmen gibt, die diesen Weg beschreiten. Mit unserer jüngst erschienen "Purpose"-Studie haben wir herausgefunden, dass sich Unternehmen weltweit – aber auch die große Mehrheit der deutschen Unternehmen – bei der Markenkommunikation immer noch viel zu sehr um sich selbst drehen. Lediglich 18 Prozent der deutschen Unternehmen positionieren sich bereits über einen Purpose, der die Produkte für eine größere, gesellschaftsrelevante Gruppe in einen sinnstiftenden Kontext stellt. Hier besteht also großer Nachholbedarf und trotzdem lässt sich dieses Vorgehen natürlich nicht ohne Einschränkung verallgemeinern.
Weshalb?
Grundsätzlich gilt, dass Unternehmen, die sich einen Purpose zulegen, den Menschen samt seiner Umwelt ins Zentrum ihrer Positionierung rücken. Dieser Anspruch muss so konkret wie möglich gemacht werden und er muss zur Branche passen. Branchen, die ein besonders schmutziges Image haben, wie z.B. die Erdölindustrie, werden größere Schwierigkeiten haben, sich auf diese Weise glaubwürdig zu positionieren. Oder nehmen Sie die Rüstungsindustrie: hier wäre es blanker Hohn zu sagen, dass sie den Menschen ins Zentrum ihrer Positionierung rückt.
Das Image der Branche, in der ein Unternehmen operiert, ist also ein erster wichtiger und erfolgskritischer Faktor. Darüber hinaus muss natürlich auch das Geschäftsmodell kompatibel mit der Botschaft sein. Unternehmen, die sich im Luxussegment positionieren, können zum Beispiel nicht ohne Weiteres einen gesellschaftsrelevanten Purpose entwickeln, weil deren Geschäftsmodell auf Exklusivität beruht. Teure Uhren, schnelle Autos – das wird für einen kleinen Zirkel hergestellt und nicht, um die Gesellschaft einen Schritt voranzubringen.
Unterliegt das Image des Weltverbesserers nicht auch bestimmten Trends und Moden?
Auf alle Fälle. Jedes Jahrzehnt bringt seine eigenen Positionierungskonzepte hervor, die den Early Movers unter den Unternehmen ausreichend viel Differenzierungspotential versprechen. In den 2000er Jahren war das z.B. das Thema Nachhaltigkeit, das sich inzwischen zu einem absolut unverzichtbaren Bestandteil jeder Positionierung entwickelt hat. Jetzt ist das Purpose-Thema aktuell, weil es den Markenverantwortlichen noch viele weiße Flecken auf der Positionierungskarte aufzeigt – wer hier also zuerst handelt, hat naturgemäß mehr Optionen zur Auswahl.
Andererseits: Je mehr Marken auf diesen Zug aufspringen, desto wichtiger ist es natürlich, hier nicht zu unkonkret zu bleiben. Wenn jedes Unternehmen in einer Branche am Ende – salopp gesagt – einfach nur die Welt besser machen möchte, dann verliert dieses Konzept schnell sein Differenzierungspotential. Aber man kann auch einen Purpose entwickeln, der durchaus etwas konkreter ist und die einzigartige eigene Unternehmenshistorie gut mitreflektiert. Am Ende liegt die Stärke dieses Positionierungskonzeptes ja darin, dass es mit der Erklärung des "warum mache ich das?" vom eigenen Markenursprung her gedacht wird und zugleich aber auch den Blick in die Zukunft wirft: "was möchte ich mit meinem Produkt erreichen?" Das fragt sich übrigens auch die junge Generation Y, die stark nach dem Sinn ihrer Arbeit sucht, insofern ist der Purpose auch ein Thema des Zeitgeistes. Daher gibt es mit Blick auf den Purpose nicht nur einen Push, sondern auch quasi einen Pulleffekt.
Sie sprachen eben von Glaubwürdigkeit. Glaubwürdigkeit ist ja auch etwas, das die Mitarbeiter betrifft. Wenn der Markenzweck überzeugen soll, muss er von der ganzen Organisation inklusive des Managements vorgelebt werden. Wie erreicht man das?
Es gilt nicht nur, den höheren Markenzweck gegenüber den Beschäftigten zu kommunizieren, sondern man sollte ihn idealerweise auch zusammen mit ihnen entwickeln. Der Input aus der Belegschaft ist sehr wichtig. Ob Markenverantwortliche wollen oder nicht – in der heutigen Zeit sind die Mitarbeiter die ersten und ständigen Markenbotschafter, sie verkörpern im Idealfall den Markenzweck. Man muss sie für ihre Mission ausbilden und immer wieder motivieren. Für die Glaubwürdigkeit einer Positionierung auf der Basis eines Purpose gibt es nichts Schlimmeres, als eine Diskrepanz zwischen dem Purpose und der Kultur einer Organisation.
Dabei spielt aber auch das Management eine ganz entscheidende Rolle. Am Ende steht und fällt der Purpose damit, ob er vom Management richtig vorgelebt wird. Führung durch Vorbild ist hier ein wichtiges Stichwort. Es ist also nicht damit getan, einfach einen Purpose aufzuschreiben, sondern er muss in der Organisation richtig verankert und zum Leben erweckt werden. Diese organisatorische Komponente ist nicht zu vernachlässigen, weil es sich hierbei um einen transformativen Prozess handelt, der Geduld und Überzeugungsarbeit erfordert.
Wer hoch aufsteigt, kann ja bekanntlich tief fallen. Kann daraus nicht ein Fallstrick werden, wenn man den Purpose allzu hoch aufhängt?
Ja, die Gefahr besteht durchaus. Und manche Industrien stehen bekanntlich unter strenger Beobachtung, nicht nur durch Regulierungsbehörden, sondern auch durch NGOs, denken Sie an die chemische Industrie. Man hat es als Unternehmen oft nicht in der Hand, ob und wann das Brennglas der Öffentlichkeit sich auf eine Marke richtet. Auch hier ist einfach entscheidend, glaubwürdig und ehrlich zu sein und das zu tun, was man predigt. Dann ist man weniger angreifbar, wenn mal ein Fehler passiert. Und eines ist klar: Der Purpose ist natürlich kein Allheilmittel. Die Performance muss im Gesamtzusammenhang des Unternehmens stimmen, und da spielen viele Faktoren mit rein.