
Rheingold-Institut:
Werbung auf der Couch: Mercedes und die Mieze
Alles für die Katz? Das Rheingold-Institut legt den viralen Tier-Spot von Jung von Matt für Mercedes-Benz auf die Analyse-Couch. Die Zuschauer sind amüsiert, aber auch irritiert.
Das Rheingold Institut führt für den Kontakter regelmäßig tiefenpsychologische Analysen von Werbespots durch. Die Probanden werden von Diplom-Psychologen in Eins-zu-eins-Gesprächen jeweils zwei Stunden befragt. Es geht darum, unbewusste Motive und Verhaltensmuster aufzudecken, die das Handeln eines jeden Menschen mitbestimmen. Für jede Folge der Serie "Werbung auf der Couch", die seit einiger Zeit im Kontakter erscheint, legen die Marktforscher 16 Probanden auf die Psychologencouch. (Text: Sebastian Buggert)
Der Spot
Mercedes hat wieder ein Tiervideo online gestellt. Dieses Mal räkelt sich eine Katze auf der Motorhaube; ein Windhauch weht sie über das Auto. Das Tier merkt es nicht, weil kein Serienauto so aerodynamisch geschnitten ist wie der neue CLA. Zwei Jungkatzen beobachten die Szene; dazu miaut im Hintergrund das Katzenduett von Gioacchino Rossini.
Die Testergebnisse
Der Spot weckt schnell Aufmerksamkeit und Interesse der Befragten. Er ist kunstvoll inszeniert, dabei auch anrührend und lustig. Die Katze rückt sofort ins Zentrum der Handlung. Zuerst sind die Zuschauer zwar entsetzt, nach dem Motto: "O Gott, die zerkratzt den Lack!" Die Katze aber scheint sich wohlzufühlen, das Auto ist warm, gemütlich, sicher. Katze und Auto sind Geschwister im Geiste: Beide sind elegant und geschmeidig. Dann wird klar, dass das Unternehmen die Aerodynamik des Autos bewerben will. Das Auto ist so schnittig, dass es selbst die empfindlichen Sinne einer Katze überlistet.
In der weiteren Auseinandersetzung wirkt der Spot auf die Probanden allerdigs rätselhaft. Es fällt ihnen schwer, die Katze einzuordnen: Mag oder bewundert sie das Auto, fühlt sie sich von ihm überlistet oder verraten, oder ist ihr das alles völlig egal? Dass sich der Spot derart entzieht, beginnt die Zuschauer irgendwann zu nerven. Einige fangen an zu schimpfen ("Wollen die mich veräppeln?"), reiben sich an der Musik ("nervendes Miauen") oder flüchten aus der Gruppe auf die Toilette.
Der Ärger der Befragten hat nicht zuletzt damit zu tun, dass der Spot die Psychologie des Autofahrens quasi gegen den Strich bürstet, indem er sowohl der Katze, dem autonomsten Tier, als auch dem Zuschauer die Kontrolle entzieht. Die Katze fällt wie ein Unfallopfer auf die Nase, der Zuschauer versteht nur Bahnhof.
Im Hinblick auf die Werbewirkung ist das natürlich ein Problem, denn beim Autofahren geht es darum, selbst am Steuer zu sitzen und Kontrolle auszuüben. Mercedes gibt hier seine Steuerungskompetenz aus der Hand und profiliert sich nicht als verlässlicher Wegbegleiter.
Vollkommen für die Katz ist der Spot dennoch nicht, denn interessanterweise hat die absurde Provokation des Werbefilms auch eine produktive Seite. Je mehr die Befragten über den Spot rätseln, desto mehr halten sie sich am Auto fest, das sie ausprobieren wollen. Wie eine paradoxe Intervention provoziert der Stillstand des Spots den Wunsch, einzusteigen und aerodynamisch davonzubrausen.
Der Spot provoziert die Zuschauer, wie sich das für einen Viral-Spot gehört. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass er das Kernbedürfnis der Kategorie (Autonomie) nicht bedient und damit der Marke Mercedes die Steuerungskompetenz entzieht. Als paradoxe Intervention gelingt es jedoch, beim Zuschauer den Wunsch zu wecken, den CLA Probe zu fahren.
Fazit
Der Spot provoziert die Zuschauer, wie sich das für einen Viral-Spot gehört. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass er das Kernbedürfnis der Kategorie (Autonomie) nicht bedient und damit der Marke Mercedes die Steuerungskompetenz entzieht. Als paradoxe Intervention gelingt es jedoch, beim Zuschauer den Wunsch zu wecken, den CLA Probe zu fahren.