
Christian Lindner und die Agentur für den Relaunch:
Wie die FDP ihre Heimat fand
"Schattenjahre" von Christian Lindner ist in Teilen ein Marketingbuch. Der FDP-Chef beschreibt dort u.a. seine Zusammenarbeit mit Andreas Mengele und Matthias Storath von Heimat. Ein kurzer Einblick.

Foto: W&V
FDP-Chef Christian Lindner hat kurz nach der Bundestagswahl ein Buch über Absturz, Erneuerung und Wiederaufstieg seiner Partei vorgelegt. "Schattenjahre - die Rückkehr des politischen Liberalismus" ist auch für die Marketing- und Agenturbranche interessant: Es geht um ein spektakuläres Marken-Comeback, zu dem die FDP-Agentur Heimat einiges beigetragen hat (Lesen Sie hier das Interview meiner Kollegin Susanne Herrmann mit den Heimat-Chefs Andreas Mengele und Matthias Storath).
Laut Lindner war es nicht ganz einfach, Agenturchef Andreas Mengele von seiner Mission zu überzeugen. Die beiden kannten sich seit einem NRW-Landtagswahlkampf im Jahr 2000, als der damals 21-jährige Lindner erfolgreich kandidierte und Heimat die Kampagne des FDP-Landesverbands verantwortete. Bei einer "Tasse Kaffee" im Juni 2014 in Berlin habe Mengele zunächst abgelehnt: Das Thema Politik sei für ihn "abgehakt".
Am Ende überzeugte die Aussicht, nicht nur eine Kampagne, sondern den kompletten Markenrelaunch zu gestalten. "Es ging nicht um eine hübsche Verpackung für etwas Altbewährtes, sondern um die Evolution einer Traditionspartei", schreibt Lindner. Dass sie funktionieren würde, war damals keineswegs ausgemacht. Die Partei lag am Boden, fand medial vor allem in der "Heute Show" statt und wurde in Umfragen bei etwa 3 Prozent gehandelt.
Die FDP zeigte sich bei der Agenturauswahl mutig. Sie machte Heimat zum "zentralen Dienstleister", wie Lindner schreibt, ohne dass Mengele ein Konzept oder auch nur "eine einzige Idee präsentiert hatte".
Zuvor hatte man "mehrere teilweise renommierte Agenturen" präsentieren lassen. Was die Parteiführung dort zu sehen bekamen, überzeugte nicht. Eine namentlich nicht genannte Agentur hatte vorgeschlagen, zunächst Plakate zu schalten, auf denen sich die FDP für alle möglichen Fehler der vergangenen Jahrzehnte entschuldigen sollte.
Heimat bekam größtmögliche Freiheiten und führte u.a. mit Magenta eine dritte Farbe als Ergänzung zum klassischen Blau-Gelb ein. Auch das alte "kastenförmige" Logo musste dran glauben. Zu den wenigen Tabus zählte der Name FDP. Eine Umbenennung schloss die Parteispitze aus. Bei einem Meeting brachte Heimat aber die Idee auf, die Abkürzung möglichst oft aufzulösen und von "Freien Demokraten" zu sprechen. Das überzeugte. Heute steht im Logo nicht mehr "FDP. Die Liberalen" sondern "Freie Demokraten. FDP".
Lindner lobt die Arbeit von Heimat in hohen Tönen:
"Uns gefiel ..., dass deren Mitarbeiter Berater waren, die ihren Kunden nicht nach dem Mund redeten. Sie sagten uns ihre Einschätzung höflich, aber bestimmt ins Gesicht. Insbesondere der Chef-Kreative Matthias Storath machte lustvoll davon Gebrauch."
Zwischen Mengeles anfänglicher Absage an Lindner und dem kompletten Relaunch der Partei und sämtlichen Untergliederungen lag nur ein halbes Jahr. Eine bemerkenswerte strategische und logistische Leistung. Anfang 2015 präsentierte Lindner das neue Corporate Design. Wenige Wochen später begann mit dem Wahlerfolg der FDP in Hamburg - unter Führung der gelernten PR-Managerin Katja Suding - der langsame Wiederaufstieg der Partei.
"Schattenjahre. Die Rückkehr des politischen Liberalisamus" von Christian Lindner ist bei Klett-Cotta erschienen.