
Eu-Gesetzgebung:
Wikipedia: Hier macht der Chef die Lobby-Arbeit selbst
Jetzt schaltet sich Wikipedia-Gründer Jimmy Wales selbst in den Kampf um die Panoramafreiheit ein. Er fürchtet massive Einschränkungen für das Online-Lexikon.
Jetzt schaltet sich Wikipedia-Gründer Jimmy Wales selbst in den Kampf um die Panoramafreiheit ein. Er fürchtet massive Einschränkungen für das Online-Lexikon, wenn es einheitliche Regelungen in der EU gibt, die das Fotografieren im öffentlichen Raum neu regeln. Nach aktuellen EU-Vorschlägen müsste beim Anfertigen von kommerziell genutzten Bildern und Videos von urheberrechtlich geschützten Werken (Gebäude, Skulpturen, Denkmäler ....) der Urheber um Erlaubnis gefragt werden.
Heute findet dazu eine Abstimmung im EU-Parlament statt. Allerdings geht es dabei lediglich um einen vom Parlamant erarbeiteten Bericht, der als "Empfehlung" an die EU-Kommission übergeben wird. Bis Herbst ist dann EU-Kommissar Günther Oettinger am Drücker, eine abstimmungsfähige Gesetzesvorlage zu erarbeiten.
Vor der endgültigen Beratung im EU-Parlament über die Reform des Urheberrechts hat Wales, Gründer des freien Onlinelexikons Wikipedia, vor den möglichen Folgen von Foto-Einschränkungen gewarnt. Sollte die Panoramafreiheit beschränkt werden, wäre Wikipedia massiv davon betroffen, schrieb Wales in der britischen Tageszeitung "The Guardian". "Hunderttausende Bilder auf Wikipedia wären Gegenstand dieser Urheberrechts-Restriktionen und der Gefahr ausgesetzt, entfernt zu werden", erklärte Wales.
Wales verwies darauf, dass in Paris zwar der Eiffelturm frei fotografiert werden dürfe. Die Beleuchtung des Pariser Wahrzeichens in der Nacht werde aber als eine separate künstlerische Installation gewertet, die man nicht ohne eine Genehmigung ablichten dürfe.
Eine Reform des EU-Urheberrechts in diesem Sinne würde "schreckliche Konsequenzen, für die Art und Weise haben, wie wir Kultur und Wissen teilen und schaffen", schrieb Wales. Bei der Abstimmung bezieht das Europaparlament am Donnerstag Position zur anstehenden Reform des europäischen Urheberrechts. Der eigentliche Vorschlag für ein neues Gesetz (EU-Richtlinie) kommt im Herbst von der Kommission.
Wales' Einlassung ist eine weitere Stufe im öffentlichkeitswirksamen Kampf ums Urheberrecht, den alle Seiten mit möglichst plakativen Argumenten ("Ist bald Schluss mit Selfies?") führen - auch wenn sie haarscharf an der Wahrheit vorbeigehen. Umstritten ist generell nicht das Ablichten für den privaten Gebrauch, sondern die kommerzielle Nutzung (z.B. für Postkarten, Kalender usw.) Auch das Posten bei Facebook dürfte daher unproblematisch sein - ein Ende der Selfies ist also nicht in Sicht.
am/dpa