
Bilanzskandal:
Wirecard startet Insolvenzverfahren
Der Worst Case ist eingetreten: Wirecard hat nach den Turbulenzen der vergangenen Tage einen Antrag auf Insolvenz gestellt. Auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gehen weiter. Die Aktie sackt ab.

Foto: Wirecard
Im nüchternen Börsendeutsch gab das Unternehmen aus der Nähe von München heute bekannt: "Der Vorstand der Wirecard AG hat heute entschieden, für die Wirecard AG beim zuständigen Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zu stellen. Es wird geprüft, ob auch Insolvenzanträge für Tochtergesellschaften der Wirecard-Gruppe gestellt werden müssen."
Damit hat sich die Lage der vergangenen Tage noch weiter zugespitzt. Zuerst gab es nur Spekulationen um Umsätze in der Bilanz, die gar nicht existieren. Doch die bewahrheiteten sich dann und Wirecard räumte ein, dass 1,9 Milliarden Euro, die das Unternehmen auf Treuhänderkonten verbucht hatte, "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" nicht existieren. Erste Maßnahme: Chef Markus Braun trat zurück, James H. Freis Jr. stieg zum Interims-CEO auf. Braun war zwischenzeitlich in Haft, ist inzwischen gegen Kaution auf freiem Fuß.
Noch vor wenigen Tagen war Wirecard optimistisch und befand sich "in konstruktiven Gesprächen mit seinen kreditgebenden Banken hinsichtlich der Fortführung der Kreditlinien und der weiteren Geschäftsbeziehung". Stattdessen sollten "Umstrukturierungen, Veräußerung oder Einstellungen von Unternehmensteilen und Produktsegmenten" zur Lösung beitragen.
Nach dem Insolvenzantrag von Wirecard sind die Aktien des Zahlungsabwicklers am Donnerstag um weitere 80 Prozent auf 2,50 Euro abgesackt. Seit der abermaligen Verschiebung der Bilanz für 2019 vergangene Woche und dem Eingeständnis mutmaßlicher Luftbuchungen in Milliardenhöhe verloren sie damit fast 98 Prozent.
Wirecard im Fokus der Staatsanwälte
Wirecard ist auch im Fokus der Strafverfolgungsbehörden. "Wir prüfen alle in Betracht kommenden Straftaten", hatte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I am Montag gesagt. Bei der Behörde läuft bereits ein Ermittlungsverfahren gegen den Ende voriger Woche zurückgetretenen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Markus Braun und drei weitere Manager der Wirecard-Spitze wegen des Verdachts der Falschinformation von Anlegern in zwei Börsen-Pflichtmitteilungen.
Im Zentrum des Bilanzskandals stehen der ehemalige Wirecard-Finanzchef in Südostasien und ein Treuhänder, der bis Ende 2019 für Wirecard aktiv war und das - wie sich nun herausgestellt hat - in großen Teilen wahrscheinlich gar nicht existente Geschäft mit den Drittpartnern betreute. Über mögliche Bilanzmanipulationen bei Wirecard hatte schon vor über einem Jahr die britische ”Financial Times“ berichtet. Im Oktober hatte die ”FT“ dann berichtet, dass ein beträchtlicher Teil der Wirecard-Umsätze mit Drittfirmen in Asien womöglich auf Scheingeschäften beruhe. Braun hatte die Berichterstattung der ”FT“ über Monate als haltlos zurückgewiesen. Da es schon nach den ersten ”FT“-Artikeln zu außergewöhnlichen Kursstürzen der Wirecard-Aktie an der Frankfurter Börse gekommen war, hatten die Finanzaufsicht Bafin und die Münchner Staatsanwaltschaft Untersuchungen eingeleitet, ob Kursmanipulationen von Börsenspekulanten dahinter steckten.
am/mit dpa