Das kann einen schon mal traurig machen. Wenn Arbeiten, die unsexy sind oder vielleicht mal ein bisschen Durchhaltevermögen erfordern, langfristige Budget-, Projekt- und Karrierepläne, Loyalität an und für sich – allenfalls nur noch für Leute Ü40 reserviert sind. Wenn umgekehrt vor jede Tätigkeit, jede Action bei den Millennials ein Filter vorgeschaltet zu sein scheint: "Lohnt sich das für mich?"

Man kann es ihnen ja nicht mal verübeln. Ständige Bewertung, Zeitverträge und diffuse Leistungserwartungen erzeugen Stress bei den Jungen. Und wer gestresst ist, reagiert nun mal egoistischer. Und Selbstausbeutung ist sowieso nicht mehr zeitgemäß. Und wer die soziale Nabelschau gewohnt ist, ist eben eitler, braucht schneller Befriedigung, teilt die Welt in Sekundenschnelle in Like und Dislike – wobei man das Urteil auch immer wieder flexibel ändern kann.

Haltung kann man sich im Social Web kaum leisten, wo doch der soziale Absturz nur einen Fehl-Klick entfernt ist. Verantwortung dito. Chefwerden ist für die Jungen scheinbar nicht mehr lohnenswert, hat beispielsweise eine Studie des Personaldienstleisters Manpower ergeben. Viel eher investieren die Jungen in die Ausbildung ihrer eigenen Talente. Auch übermäßige Risikobereitschaft scheint den Aufwand nicht mehr zu lohnen. Wen wundert es da, dass trotz blühender Startup-Szene die Zahl der Firmen-Neugründungen in Deutschland trotzdem zurückgeht?

Trotzdem haben sie Vorbildfunktion

Nein, es ist natürlich nicht alles traurig. Und ich muss zugeben, dass auch ich in den vergangenen Jahren durchaus von ihnen lernen durfte. Denn Flexibilität und ständige Lernbereitschaft waren nicht seit jeher die Grundtugenden meiner Generation. Vielleicht nehme ich mir demnächst noch ein weiteres Beispiel und arbeite an den übermäßigen Skrupeln. "Lohnt sich das für mich?" ist schließlich auch für Leute 40+ eine legitime Frage. Lieber Chef, wenn du das also lesen solltest: Wir müssen reden …

Die Debatte geht weiter: Das Contra der Kollegin Christa Catherina Müller lesen Sie hier: Schreibtisch ist da, wo WLAN ist

„Sind die Millennials besser als ihr Ruf?”


Autor: Anja Janotta

seit 1998 bei der W&V - ist die wohl dienstälteste Onlinerin des Hauses. Am liebsten führt sie Interviews – quer durch die ganze Branche. Neben Kreativ- und Karrierethemen schreibt sie ab und zu was völlig anderes - Kinderbücher. Eines davon dreht sich um ein paar nerdige Möchtegern-Influencer.


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