Beim Markenschutz geht es nicht allein um den Markennamen, wie viele meinen. Könnten Sie kurz umreißen, was alles geschützt werden kann respektive muss?

Dirk Wieddekind: Obwohl das Gesetz immer neue Markenformen anerkennt, sind die Ämter zunehmend kritisch was den Schutz unkonventioneller Marken wie Farbmarken oder dreidimensionaler Marken anbelangt. Mit einer gewissen Kreativität bei der Anmeldestrategie lässt sich aber viel erreichen.

Wiebke Baars: Grundsätzlich können alle Zeichen als Marke eingetragen werden. Hierzu gehören Wörter, Buchstaben, Zahlen, Abbildungen, aber auch Farben, zum Beispiel das Milka-Lila oder das Sparkassen-Rot, Hologramme, Multimediazeichen und Klänge wie etwa der Telekom-Jingle. Auch 3-D-Modelle wie Formen oder Verpackungen können als Marke eingetragen werden. Bevor man Markenschutz beantragt, ist der Bedarf genau zu ermitteln. Reicht ein Wort als Marke oder wird das Produkt immer zusammen mit einem Bild oder Logo vermarktet? Ist die Form meines Produktes mehr als nur eine praktische Hülle oder hat sie einen Wiedererkennungseffekt? Wenn das geklärt ist, kann man seine Anmeldestrategie definieren.

Markenschutz dürfte auch ein Schutz gegen Produktfälscher sein. Wir stecken noch mittendrin in der Coronakrise. Kaum ein Bereich hat bedingt durch den Lockdown so an Fahrt aufgenommen wie der E-Commerce, Amazon wird wohl einen Rekordumsatz einfahren. Wie ist Ihre Einschätzung: Hat die verstärkte Nachfrage im Onlineshopping auch vermehrt Produktfälscher auf den Plan gerufen, die an dem Hype partizipieren wollten?  

Wiebke Baars, Taylor Wessing

Wiebke Baars, Taylor Wessing

Wiebke Baars: Bereits vor der Corona-Krise stellte die Produkt- und Markenpiraterie eine schwere Belastung für Markenartikler dar, nach unserer Beobachtung wird das Problem durch die noch stärkere Verlagerung auf den Online-Handel noch verschärft, da die Möglichkeit zur Kontrolle beim Kauf fehlt. 

Dirk Wieddekind: Nach unserer Beobachtung stellen sich zwei Probleme: Zum Ersten sind Online-Kanäle für Produktpiraten attraktive Vertriebskanäle, weil sie viele Abnehmer erreichen und zugleich aus einer gewissen Anonymität heraus agieren können. Zum zweiten geraten selektive Vertriebssysteme stark unter Druck, weil nicht abverkaufte Originalware in zunehmenden Maß verramscht wird – und dabei auf Kanälen angeboten wird, die dem Markenimage nicht zuträglich ist. Damit wird es für den Verbraucher noch schwieriger, zwischen Original und Fälschung zu unterscheiden.

Was sollen Unternehmen tun? Auf Online als Vertriebskanal kann man ja wohl kaum verzichten …

Dirk Wieddekind: Natürlich macht der Onlinevertrieb den Verkauf von Fälschungen leichter. Zugleich bieten sich für Markeninhaber aber auch bessere Möglichkeiten des Monitorings. Sie können Fälschungen in großer Anzahl aufspüren und haben jedenfalls eine Chance, hierüber auch an die Fälscher heranzukommen. Natürlich ist das aufwändig. Eine effektive Strategie hat viele Komponenten. Dazu gehört ein aktives Management der Lieferkette, die Zusammenarbeit mit den Zollbehörden im Rahmen von Grenzbeschlagnahmeanträgen und die Überwachung der Plattformen und sonstiger Vertriebskanäle im Internet. Man wird Produktpiraterie nie ganz unterbinden können. Es ist aber möglich, erheblichen Druck auf Fälscher auszuüben, um ihnen das Geschäft so schwierig wie möglich zu machen – und ihre Kosten in die Höhe zu treiben.

Die falsche Rolex, eine Louis-Vuitton-Fake-Handtaschen – welche Bereiche sind besonders gefährdet für Produktpiraterie? Sind es vor allem Luxusgüter?

Wiebke Baars: Luxusgüter sind natürlich ein besonders lukrativer Bereich für Fälscher, zumal ja leider auch viele Verbraucher ein geringes Unrechtsbewusstsein haben und sich zum Teil wissentlich mit Nachahmungen schmücken. Besonders dramatisch ist Produktpiraterie aber auch bei Medikamenten, Medizinprodukten oder sicherheitsrelevantem Zubehör. Die Verabreichung eines gefälschten und damit unwirksamen Krebsmedikaments oder der Einbau eines gefälschten Airbags im Auto kann Menschenleben kosten.

Dirk Wieddekind: Verbraucher wie Unternehmen unterschätzen häufig, wie verbreitet Nachahmungen auch außerhalb der bekannten Beispiele von Handtaschen und teuren Uhren sind. Zwei Beispiele: Im Bereich von Computerkomponenten und Netzwerktechnologie, gerade für professionelle Anwendungen, besteht ein großer Preisunterschied zwischen einfachen No-Name-Produkten und den Geräten der bekannten Technologieunternehmen. Die richtige Marke vervielfacht den Preis eines Produktes. Dementsprechend oft finden sich hier Fälschungen. Ein weiteres Beispiel sind bekannte Marken von Unternehmen, die zur Herstellung von unautorisierten Merchandising-Produkten verwandt werden. Hier handelt es sich also nicht um Nachahmungen, der gute Ruf der Unternehmen wird dennoch ausgenutzt, um Waren von häufig sehr geringer Qualität zu überhöhten Preisen abzusetzen.

Wie ist eine Fälschung aus juristischer Sicht definiert?  

Wiebke Baars: Als Produktpiraterie oder Markenpiraterie wird das Geschäft mit Nachahmer-Waren bezeichnet, die mit dem Ziel hergestellt werden, einer Originalware möglichst ähnlich zu sein. Betroffen sind bei der Produktpiraterie natürlich nicht nur Marken, sondern auch Patente und Urheberrechte. Je umfassender die Marken, mit denen die Produkte gekennzeichnet sind, aber auch deren technische Grundlagen geschützt sind, desto eher kann man sich vor Gericht gegen die Nachahmung wehren. Ohne bestehende Schutzrechte ist der Kampf gegen die Nachahmung deutlich schwerer.

Dirk Wieddekind: Um daran anzuschließen: Wichtig ist nicht nur, überhaupt Schutzrechte für die eigenen Marken und Produkte anzumelden. Die Anmeldungen sollten einer durchdachten Schutzstrategie folgen, aus der sich im Einzelnen ergibt, wo welche Rechte für welche Produkte und Dienstleitungen benötigt werden. Zudem: Markeninhaber können nicht nur gegen Fälschungen vorgehen. Auch Parallelimporte und Overruns – also Originalprodukte, die ohne Zustimmung des Markeninhabers hergestellt oder in die Europäische Union verbracht werden – können im Grenzbeschlagnahmeverfahren sichergestellt werden.

Haben Sie eine Hausnummer, wie viele Produktfälschungen entdeckt und geahndet werden und wie viele nicht?

Dirk Wieddekind, Taylor Wessing

Dirk Wieddekind, Taylor Wessing

Dirk Wieddekind: Im Jahr 2019 wurden durch den deutschen Zoll über fünf Millionen Waren im Wert von insgesamt mehr als 220 Mio. Euro aufgegriffen. Davon waren weniger als fünf Prozent Originalwaren. Die Dunkelziffer ist natürlich hoch und kaum verlässlich abzuschätzen.

Wie werden Unternehmen darauf aufmerksam, dass zu ihren Produkten Klone unterwegs sind?

Wiebke Baars: Viele Unternehmen beobachten den Markt genau, insbesondere, wenn sie sicherheitsrelevante Produkte vertreiben. Ansonsten melden sich typischerweise unzufriedene Kunden, wenn sie merken, dass mit dem Produkt das sie erworben haben etwas nicht stimmt.

Dirk Wieddekind: Für das Grenzbeschlagnahmeverfahren hinterlegen die Markeninhaber Erkennungshinweise, die es dem Zoll ermöglichen, Fälschungen zu identifizieren. Daraus ergeben sich ebenfalls zahlreiche Hinweise, die in Verbindung mit den Informationen zu einzelnen angehaltenen Lieferungen helfen können, gegen Händler und Importeure von gefälschter Ware vorzugehen.

Bleiben wir bei den Zahlen: Wie ausreichend geschützt sind die Marken hierzulande?

Dirk Wieddekind: Die Inhaber etablierter Marken sind für das Thema sensibilisiert. Anders kann das bei Startups aussehen – siehe das Beispiel Clubhouse – aber auch bei Marken, die weniger verbraucherorientiert sind. Selbst wenn Marken angemeldet werden, ist der Schutz dann häufig optimierungsfähig.

Wenn ein Unternehmen nun wie auch immer feststellt, dass eines seiner Produkte als Fake im Umlauf ist – was sind dann die ersten Schritte, um sich wehren zu können?

Wiebke Baars: Wichtig ist, die Sicherstellung des Verletzungsmusters und der Versuch, dessen Herkunft nachzuvollziehen.

Dirk Wieddekind: Es ist auf jeden Fall ein Anlass, das eigene Markenportfolio zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren. Besteht eine ausreichende rechtliche Grundlage, um gegen Nachahmungen vorzugehen, steht zunächst die Beweissicherung im Vordergrund. Und dann sollte man seine Rechte zügig und entschlossen durchsetzen – viele Verfahren im gewerblichen Rechtsschutz sehen recht kurze Fristen vor.

Wie aussichtsreich ist es, gegen Fälschungen vorzugehen? Oder scheuen Unternehmen mitunter auch diesen Weg?

Wiebke Baars: Der Kampf gegen Produktpiraten kann sehr aufwändig und teuer sein, insbesondere, wenn man versucht grenzüberschreitenden Rechtsschutz zu erlangen.

Dirk Wieddekind: Das europäische und das deutsche Recht stellen wirksame Verfahren für den Rechtsschutz zur Verfügung, die sollte man nutzen. Natürlich ist es eine strategische Entscheidung, ob und wie entschieden man gegen Produktpiraten vorgehen möchte. Es ist aber stets zu bedenken, dass auch das Nichtstun Kosten verursacht – durch entgangene Umsätze, niedrigere Preise, Reputationsschaden und einen unter Umständen geringeren Wert der eigenen Marke.

Worin liegen vor allem die Beschädigungen von Marken durch Produktfälschungen – ist das rein unter Umsatzgesichtspunkten zu sehen?

Wiebke Baars: Nein, der Schaden ist keineswegs nur monetärer Art. Gefälschte Produkte können Menschenleben in Gefahr bringen, mangelhafte Ware kann den Ruf schädigen und der Umsatzverlust kommt dann noch hinzu.

Dirk Wieddekind: Gerade die Hersteller komplexerer Produkte sehen sich unter Umständen Gewährleistungs- und Garantieansprüchen ausgesetzt. Stellen Sie sich vor, eine gefälschter Router oder eine andere Komponente führt zum Ausfall eines Unternehmensnetzwerks. Der Kundendienst des Markeninhabers muss mit dem Problem umgehen und stellt unter Umständen erst sehr spät fest, dass das Problem gar nicht durch ein eigenes Produkt verursacht wurde. Hier drohen neben wirtschaftlichen Schäden auch gravierende Konsequenzen für den Ruf des Unternehmens des Markeninhabers.

Wir haben zusammen mit Ihnen und Kollegen Ihrer Kanzlei Taylor Wessing gerade den W&V Report Markenschutz veröffentlicht. Was wären Ihre drei wichtigsten ToDo’, wie sich Marken am besten gegen Produktfälschungen absichern können?

Wiebke Baars: Erstens: Wählen Sie die richtige Markenform. Zweitens: Erstellen Sie ein umfassendes Waren- und Dienstleistungsverzeichnis, das auch künftige Produktentwicklungen antizipiert und drittens erlangen Sie Schutz in allen relevanten Territorien, auch im Produktionsland.

Mit welchen Sanktionen müssen Produktfälscher rechnen? Und was ist mit den Käufern von Produktfälschungen, die eventuell gar nicht erkennen, dass es sich um eine Fälschung handelt?

Dirk Wieddekind: Die Käufer von Fälschung erwerben zuerst einmal ein minderwertiges und überteuertes Produkt. Im Gewährleistungsfall stehen sie ohne Rechte da. Viele Produkte sind unsicher und können im schlimmsten Fall zu Gesundheitsschäden führen. Je nach Umfang des Erwerbs entsprechender Produkt kann auch bei Verbrauchern der Vorwurf eines gewerblichen Handelns im Raum stehen – mit entsprechend gravierenden rechtlichen Konsequenzen.

Wiebke Baars: Gegen Produktfälscher und Markenpiraten können Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Desweiteren bestehen Auskunftsansprüche über Lieferanten und gewerbliche Abnehmer der Ware und der Markeninhaber kann die Vernichtung der verletzenden Ware beanspruchen. Wichtig ist auch zu wissen das die gewerbliche Markenverletzung strafbar ist und mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren sanktioniert werden kann.

Sind Sie selbst eigentlich schon mal auf eine Produktfälschung reingefallen?

Wiebke Baars: Wenn ja, habe ich es jedenfalls nicht gemerkt.

Dirk Wieddekind: Tatsächlich nicht, aber der regelmäßige Umgang mit der Materie mag auch den Blick für das Problem schärfen.

W&V Report Markenschutz

Wissen Sie, ob Ihre Marke ausreichend geschützt ist? Und was heißt überhaupt ausreichend? Genau da setzt unser W&V Report Markenschutz an, den wir zusammen mit Markenrechtsexperten umgesetzt haben.

Sie erfahren step by step, wie Sie Ihre Marke erfolgreich schützen und somit nachhaltigen Erfolg für Ihr Unternehmen sichern. Gucken Sie einfach mal rein. Als Autoren konnten wir mit den Fachanwälten Wiebke Baars, Dirk Wieddekind und ihren Kollegen der Kanzlei Taylor Wessing ausgewiesene Experten zum Thema Markenschutz gewinnen.

Schauen Sie einfach mal rein in unseren W&V Report Markenschutz. Weitere Infos gibt es gleich hier.


Autor: Christiane Treckmann

Christiane Treckmann ist Mitglied der W&V Redaktion. Ihre Interessen: das Spannungsfeld von Menschen, Marken und Medien - analog und insbesondere digital. Daher liegen ihr besonders Themen rund um Markenstrategien, Mediaplanung, Nachhaltigkeit, KI - und die Menschen dahinter am Herzen. Christiane ist zudem regelmäßige Moderatorin der W&V Webinare.