Commerce Media:
Vom Händler-Fokus zum Full Funnel: Die strategischen Vorteile von Commerce Media
Retail Media bleibt oft im Lower Funnel. Commerce Media holt Kund:innen dagegen früher ab – von Discovery bis Conversion – und nutzt First-Party-Daten dort, wo Marke, CRM und Customer Experience beim Advertiser liegen.

Foto: Raimar von Wienskowski
"Ein Händler ist oft in sich beschränkt und schwimmt 'in seiner Suppe'", bringt es Andreas Heintze, SVP Product Management & Marketing bei Ströer, auf den Punkt. "Deshalb geht es bei Retail Media vor allem um Bestandskundenthemen wie Retention und Upselling."
Das Problem: Retail Media fokussiert sich traditionell auf den Lower Funnel – also auf Kunden, die sich bereits kurz vor dem Kaufabschluss befinden. Für viele Werbeziele ist das zu kurz gedacht. "Geht es aber darum, zum Beispiel Neukunden zu generieren und eine Vorstellung davon zu bekommen, wie eine potenzielle neue Käufergruppe aussehen könnte, stößt man hier schnell an Grenzen", so Heintze.
Commerce Media tritt an, um genau diese Lücke zu schließen – und dabei die Stärken von First-Party-Daten beizubehalten.
Der strategische Unterschied: Von Discovery bis Conversion
Während Retail Media sehr auf die tatsächliche Kaufentscheidung fokussiert ist, ermöglicht Commerce Media Full-Funnel-Marketing. "Commerce Media ist dagegen Full Funnel und beinhaltet das ganze Spektrum von Discovery bis Conversion", erklärt Marc Fischli, Executive Managing Director EMEA bei Criteo. "Das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Mehrwert, denn es gibt viele Werbekunden, für die der Bottom of Funnel gar nicht so spannend ist."
Beispiele:
- Reisebranche: Interesse für Reiseziele wecken
- Konsumgüterindustrie: Brand Building und Brand Awareness
- Automobilindustrie: Consideration-Phase begleiten
"Auch über Commerce Media lassen sich gezielt potenzielle Kunden adressieren, aber im Unterschied zu Retail Media führt der Weg nur selten direkt in den Checkout", erläutert Tim Nedden, Gründer und Geschäftsführer von Front Row. Die Kunden landen häufig zunächst auf der Landing Page des Advertisers.
Der entscheidende Vorteil: Der Kunde kommt zu mir
Aus Performance-Sicht mag das zunächst ein Nachteil sein – doch es bietet einen klaren strategischen Mehrwert: "Commerce Media ermöglicht den Advertisern, die Kunden zu sich zu ziehen, während bei Retail Media der Nutzer beim Retailer bleibt", so Nedden.
Das bedeutet:
- Markenaufbau auf der eigenen Website
- Datengenerierung für eigene CRM-Systeme
- Kundenbindung über eigene Touchpoints
- Kontrolle über die Customer Experience
Andreas Heintze fasst zusammen: "Commerce Media ist breiter aufgestellt, weil Retail Media nicht alles trifft. Während es bei Retail Media in erster Linie um das Marketing auf und durch die Händlerplattform geht, bezieht sich Commerce Media prinzipiell auf alle Themen, die es vom und für den Handel gibt und ermöglicht es zudem, Kundendaten auch in einem ganz anderen Umfeld einzusetzen."
First-Party-Daten als Cookie-Alternative
In Zeiten des zwar aufgeschobenen, aber wohl unaufhaltbaren Endes der Third-Party-Cookies wird die Datenfrage immer drängender. Commerce Media bietet hier eine zukunftssichere Lösung.
"Im Vergleich zu anderen klassischen Platzierungen ist der Vorteil von Commerce Media, dass Advertiser hier die Möglichkeit haben, auf Basis von validen First-Party-Kundendaten zu werben", betont Irina Schmitz, Head of Commerce & Retail beim BVDW.
Diese First-Party-Daten sind:
- Valide – basierend auf echten Transaktionen
- Reichhaltig – mit umfassenden Kaufverhaltensinformationen
- Zukunftssicher – unabhängig von Cookie-Regulierungen
- Datenschutzkonform – mit expliziter Nutzereinwilligung
Herausforderungen: Budget und Standards
Trotz aller Vorteile steht Commerce Media noch vor Herausforderungen. "Es stellt sich die Frage, wo für Commerce Media die Budgets herkommen – aus dem Sales-Marketing oder aus dem Brand Marketing? Aus meiner Sicht gibt es hier noch keine klare Verteilung, welcher Topf für Commerce Media zuständig ist", sagt Tim Nedden.
Andreas Heintze sieht hier jedoch pragmatische Lösungen: "Häufig geht es bei Commerce Media und Retail Media vor allem um eine Neuorganisation des klassischen WKZ-Geschäfts mit einem neuen Naming. Wenn zum Beispiel ein Lebensmittelhändler statt Handzettel jetzt digitale Kanäle wie zum Beispiel DOOH nutzt, hat sich zwar das Medium geändert, doch stehen dahinter weiter ähnliche Mechanismen."
Die fehlenden Standardisierungen adressiert der BVDW aktuell mit konkreten Initiativen. "Wir arbeiten nun gemeinsam mit wichtigen Akteuren aus der Branche daran zu zeigen, wer alles Teil des Commerce-Media-Portfolios ist, wie entsprechende Platzierungen aussehen können und auch welche KPIs und Standardisierungen sich hier anbieten", erklärt Corinna Hohenleitner, Vizepräsidentin beim BVDW.
KI als Gamechanger
Zusätzlichen Schub erhält Commerce Media durch die Integration von Künstlicher Intelligenz. Die Einsatzgebiete sind vielfältig:
- Audience Building – präzisere Zielgruppendefinition
- Messbarkeit – verbesserte Attributionsmodelle
- Datenverarbeitung – Echtzeit-Optimierung
- Personalisierung – individualisierte Ansprache
- Creative-Erstellung – generative KI für Werbemittel
"Für all das sind wir bei Criteo mit unserem eigenen AI Lab, das wir bereits vor sieben Jahren ins Leben gerufen haben und wo inzwischen mehr als 130 Leute für uns arbeiten, ein Vorreiter in der Branche", so Marc Fischli. "Und ich denke, dass wir damit auch der Entwicklung im Bereich Commerce Media zusätzliche Impulse geben können."
Fazit: Full Funnel ist die Zukunft
Commerce Media erweitert das Spielfeld für Werbetreibende erheblich. Statt sich auf den Lower Funnel zu beschränken, ermöglicht es eine ganzheitliche Kundenansprache – von der ersten Inspiration bis zum Kaufabschluss. Dabei bleiben die Vorteile von First-Party-Daten und hoher Messbarkeit erhalten.
"Ich zweifle nicht, dass vor allem die großen Commerce-Plattformen hier in den nächsten Jahren große Zuwächse erleben werden", prognostiziert Marc Fischli. "Denn um ihre Budgets optimal einzusetzen, suchen Marken und Agenturen nach Effizienz und Messbarkeit, aber wollen gleichzeitig die Emotionalität behalten. Und diese Verbindung von Messbarkeit und Emotionalität ist genau das, was Commerce Media ausmacht."
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