Aus Deutschland punkten neben DDB noch Ogilvys "Mein Kampf gegen Rechts", Serviceplans Aktion für Metros ("The Daily Catch"), BBDO für Smart ("Most open test drive") und Thjnk für "Mission to the moon" von Audi.

Warum die Deutschen seit ein paar Jahren so schlecht abschneiden? Promo-Jurorin Jo Marie Farwick, Gründerin von Überground, und Direct-Juror Cosimo Möller, ECD von Serviceplan in München, haben dafür keine Erklärung. "Hier gewinnen halt nur die Allerbesten", sagen sie. Und der kulturelle Hintergrund deutscher Arbeiten sei international oft nicht so leicht zu verstehen. Für Ogilvys "Mein Kampf gegen Rechts" beispielsweise musste Möller eine regelrechte Brandrede vor den Kollegen halten. "Die fand ich so klasse, diese Arbeit. Das ist eine wirklich clevere Idee und hat einen Impact." Doch gegen die Phalanx englischsprachiger Juroren war nicht immer leicht anzukommen.

Insgesamt ist in diesem Jahr ein Trend zum Kernbusiness zu beobachten. In Cannes geht es endlich wieder um Werbung. Werber wollen nicht mehr die Welt verbessern, sondern Produkte verkaufen. Die Jurypräsidenten der Direct- und Promo-Kategorie, Rob Reilly (McCann) und Mark Tutssel (Leo Burnett) bestätigen sich da gegenseitig. Im Fokus steht die Marke, das Geschäft, der Abverkauf. Dafür, so Tutssel, brauche es einen tieferen Sinn, eine gute Idee, eine große Marke und eine große Kampagne.

Die Grands Prix in beiden Disziplinen spiegeln das wider. Bei Direct gewinnt das schwedische Fremdenverkehrsamt mit "The Swedish Number" von Ingo in Stockholm, bei Promo & Activation die Kampagne "Opt Outside" der Outdoormarke REI von Venables, Bell & Partners aus San Francisco.

Um 250 Jahre Meinungsfreiheit zu feiern, hat sich Schweden eine eigene Telefonnummer zugelegt. Es ist die 0046 771 793 336. Egal, wer diese Nummer anwählt -  er wird mit einem Schweden verbunden, irgendeinem Schweden: für einen Chat, ein Gespräch, jedenfalls eine Kommunikation, die direkter nicht sein könnte, eins zu eins, alte Schule. Schwedens Image in der Welt hat diese Aktion nachhaltig positiv beeinflusst und die Übernachtungszahlen nach oben getrieben (die W&V-Redaktion hat die Nummer übrigens hier selbst ausprobiert).

Noch beeindruckender ist die "Antiwerbung" der US-Outdoormarke REI zum Black Friday, traditionell ein Einkaufstag in den USA. Das Unternehmen hatte seine Shops geschlossen und dazu aufgerufen, den Tag mit der Familie draußen in der Natur zu verbringen. Eben: "Opt Outside". Der Buzz war groß. "Wer seitdem an Outdoor-Klamotten denkt, kauft REI", glaubt Reilly.

In Indien hat Unilever für seine Teemarke Brooke Bond Red Label eine eigene Band gegründet - bestehend ausschließlich aus Transgendern. Die "6 Pack Band" brach dabei mit Gender-Stereotypen, war in Indiens Medien omnipräsent und hat die Popkultur des Landes um eine Facette reicher gemacht. Und eine Debatte ausgelöst, die, so berichten Betroffene, ganze Familien wieder zusammenbrachte - im Idealfall bei einem Glas Brooke Bond Tee. Für diese Arbeit gab es den Glass Grand Prix

Cannes ist wieder im Geschäft: Nicht nur das Festival, auch Kunden und Kreative aus aller Welt.

Die Löwen in den Kategorien Promo & Activation, Direct und Glass wurden am Montag Abend im Palais des Festivals verliehen.


Conrad Breyer, W&V
Autor: Conrad Breyer

Er kam über Umwege zur W&V. Als Allrounder sollte er nach seinem Volontoriat bei Media & Marketing einst beim Kontakter als Reporter einfach nur aushelfen, blieb dann aber und machte seinen Weg im Verlag. Conrad interessiert sich für alles, was Werber- und Marketer:innen unter den Nägeln brennt. Seine Schwerpunktthemen sind UX, Kreation, Agenturstrategie. Privat engagiert er sich für LGBTQI*-Rechte, insbesondere in der Ukraine.