Doch weil ich an das Herzensprojekt glaubte, unterschrieb ich.  Aktuell verdiene ich in der Agentur nicht mal 2,50 Euro netto pro Stunde. Das ist so viel, dass ich unter anderen Bedingungen (wäre ich nicht als Student eingeschrieben) mit Harz IV aufstocken könnte. Jeder unserer Praktikanten mit deutlich weniger Verantwortung verdient mehr als ich, weil sie keine Sozialabgaben und Steuern abführen müssen. Auch BaföG, Stipendien, Mindestlohn und Studienkredite kommen für mich aufgrund der Studienart nicht in Frage. In der Hinsicht stehe ich mit einer gewissen Machtlosigkeit der Situation gegenüber.

Laut meinem Vertrag studiere und arbeite ich je 20 Stunden pro Woche. Jede Überstunde mehr schmälert meinen effektiven Stundenlohn. Schon lange achte ich darauf, annähernd meine Zeiten einzuhalten. Ab und an kommen blöde Sprüche. Ich bin jetzt die Gewerkschaftsmitglied geworden, um bei einer etwaigen Abmahnung reagieren zu können.

Trotzdem kann ich es mir nicht leisten Feierabend zu machen, wenn ich das Büro verlasse. Das Agenturleben gleicht für mich einem edlen Luxusgut. Schließlich muss ich mir nebenbei noch meinen Lebensunterhalt verdienen. Deshalb beginnt mein eigentlicher Arbeitstag schon lange bevor ich im Büro bin und endet oftmals erst spät in der Nacht. In der Hochphase komme ich dann schon mal auf eine 75-Stunden-Woche. Manchmal nehme ich mir Urlaub, um anderweitig für ein höheres Gehalt arbeiten zu können. Nebenbei schreibe ich noch Hausarbeiten und lerne für Klausuren. Mein Leben in den Zwanzigern hatte ich mir anders, viel glücklicher vorgestellt.

Da mein Agentur-Gehaltszettel auf Sparflamme läuft, habe ich mich entschieden, es auch zu tun. Meine Arbeit erledige ich so, dass kein Grund zum Meckern besteht. Eine leidenschaftliche Glanzleistung sieht wirklich anders aus. Meine Zeit verbringe ich gerade damit, jede Menge Content zu produzieren. Jegliche Art von Selbstverwirklichung, die seitens der Agenturwelt stets typisiert wird, fehlt. Natürlich sind die Hierarchien flach, aber offene Kritik ist auch in einer Agentur nicht jederzeit willkommen. Und informell ist es aber immer noch der Informationsfluss, der darüber bestimmt, welchen Rang ein Mitarbeiter einnimmt.

Ich nehme die ganzen Umstände auf mich, weil ich eigentlich Vollgas geben will. Nennt mich egoistisch, aber zum Selbstschutz kann ich eben nur das Nötigste an Leistung erbringen. Das macht mich auch stiller und zurückhaltender als sonst, an gemeinsamen Aktivitäten mit Kollegen nehme ich wenig teil. Auch duale Studenten brauchen das kleine bisschen Sicherheit, ihre Miete am Ende des Monats bedenkenlos zahlen zu können.

Jeden Tag aufs Neue beiße ich mich durch und akzeptiere meine latente Unzufriedenheit. Weil ich weiß, dass es taktisch unklug wäre, jetzt aufzuhören und das Studium hinzuschmeißen.  Schon heute ist mir ziemlich klar, dass ich in einem Jahr auf die Kundenseite wechseln und der Agenturwelt den Rücken kehren werde. Schade, dass es so weit kommen musste, es hätte passen können. Aber herzlichen Glückwunsch auch, die "Nachwuchssorgen" habt ihr euch echt verdient.


Autor: W&V Gastautor:in

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