Gastbeitrag von Friedrich Tromm:
Lang lebe die Rezession!
Warum eine Rezession das Beste ist, was der Werbewelt passieren kann: ein Gastbeitrag von Friedrich Tromm, geschäftsführender Gesellschafter von Try No Agency.
Als halber Ossi habe ich gelernt: Deutschland ist der Zukunft nur zugewandt, wenn es aus Ruinen aufersteht. Nichts sollte uns daher so hoffnungsfroh stimmen wie die schlechten Nachrichten zur schwächelnden Konjunktur, die Tag für Tag die Titelseiten dominieren.
Noch nie war "only bad news are good news" so wahr wie heute. Vor allem nicht für uns Werber. Drei gute Gründe, warum:
1. Mehr Mut
Wer etwas zu verlieren hat, muss mutiger sein. Das gilt nicht nur für die Werber. Sondern vor allem für die Kunden. "Keine Experimente" ist eine Haltung, die nur in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs funktioniert. Sobald ein kritischer Punkt beim Konjunktureinbruch überschritten wird, bringt Nichtstun bzw. das Zusammenstreichen von Marketingbudgets mehr Risiken mit sich als die Entscheidung, etwas zu tun.
Sparen sollte man sich deshalb heute sparen. Wer jetzt nicht investiert, verliert. Und weil Mut ohne smarte Fähigkeiten nichts weiter ist als Dummheit, war die Zeit für Werber, mit ihren Fähigkeiten zu glänzen, noch nie so günstig wie heute.
2. Mehr Weniger
Weniger Strukturen bedeutet nicht mehr Chaos, sondern mehr Kontrolle. Bei schwächelnder Konjunktur sind Agenturen und Kunden endlich wirklich gezwungen, sich zu fragen, warum sie gerade ein Meeting mit 15 Personen hatten, von denen 13 nichts Sinnvolles zu sagen wussten. Weniger Überschuss etwa in Form von Marketinggeld bedeutet weniger Verschwendung. Weniger Verschwendung führt zu mehr Fokus. Und mehr Fokus bedeutet, die Wirkungszusammenhänge von Consideration und Conversion klarer erkennen zu können.
Anders gesagt: Gute Unternehmen haben To-do-Listen. Großartige Unternehmen haben Not-to-Listen.
3. Mehr Performance
Wer in einer Rezession weiter wirbt, hat nachweislich die Chance, schnell zum Kategorieführer zu werden. Das McGraw-Hill Research Institute untersuchte die Auswirkungen von Rezessionen in den USA von 1980 bis 1985. Von den 600 untersuchten Firmen konnten jene, die während der Rezession 1981/1982 weiter warben, 1985 ein Wachstum von 256 Prozent gegenüber ihren Wettbewerbern verzeichnen, die am falschen Ende gespart hatten. Ebenso konnten die 143 Firmen, die während der wirtschaftlichen Krise 1974/75 nicht darauf verzichteten, weiter mit ihren Audiences zu kommunizieren, gigantische Zuwächse in Verkäufen und Erträgen verzeichnen.
Diese Zahlen belegen: Es gibt keinen besseren Zeitpunkt zu werben als jenen, wenn die Konkurrenz angstgetrieben das einzige, was sie retten könnte, aus dem Blick verliert: den Kunden.
Starregisseur Quentin Tarantino hat jüngst in einem Interview gesagt, dass Hollywood dann immer am besten ist, wenn es nicht weiß, wie es weitergeht.
Auch in Marketing und Werbung wird aus Kohle erst dann Diamant, wenn der Druck am größten ist.