W&V Data Marketing Day:
Michael Trautmann: "Kreative sind dankbar für gute Daten"
Was Nike, Dove und Oreo richtig machen und warum Werbe-Tweets nichts im Schlafzimmer verloren haben. Darüber sprachen Zoja Paskaljevic, CEO von Dentsu Aegis, Thjnk-Chef Michael Trautmann und Nils Hartje, Industry Leader Agency bei Google Deutschland, beim W&V Data Marketing Day beim "Schlagabtausch Data vs. Kreation".
Gibt es eine Kontroverse zwischen Data und Kreation? Auf dem Podium des W&V Marketing Data Day (hier geht's zur Bildergalerie) zu diesem Thema ging es recht friedlich zu. Spannende Innenansichten, wie sich ihr Arbeitsalltag verändert, gaben Zoja Paskaljevic, CEO von Dentsu Aegis, Thjnk-Chef Michael Trautmann und Nils Hartje, Industry Leader Agency bei Google Deutschland. Moderiert wurde die Runde von Ralph Pfister, Koordinator Ressort Marketing, Verlag Werben & Verkaufen.
Gleich zu Anfang feuerte Mediaagentur-Mann Paskaljevic eine Breitseite gegen Werbungtreibende: "Kein Kunde hat genügend Daten, um Big Data zu können." Daher appellierte er, die Silo-Denke hinter sich zu lassen und aus Daten verschiedener Quellen Audience Center zu bilden: "Es geht nicht darum, wem die Daten gehören, sondern aus den Daten Intelligenz zu schaffen." Daher münzte er den Titel der Runde flugs um in "Daten powern Kreation".
Den Ball nahm Trautmann auf: "Gute Kreation ist dankbar für gute Daten, insbesondere Planner." Dabei müssten "Team Brain" und "Team Heart" zusammenarbeiten, zitierte er eine Erkenntnis von Internet-Gury Gary Vaynerchuck. Einen klaren Vorteil sieht er darin, auf welche Weise Insights aus Daten gewonnen werden: "Wir müssen nicht warten, bis Menschen bei Rheingold ihr Innerstes nach außen gekehrt haben". Tja, das geht mit einem Cookie wirklich schneller, auch wenn es die Marktforscher wenig freuen dürfte.
Das neue Gold liegt bei Facebook
Um aus der Vielzahl der Daten das Relevante herauszufiltern, sind Data Scientists gefragt. Ihre beste Quelle, um nach Erkenntnissen zu schürfen? "Was ich von Facebook bekomme, ist Datengold", sagt Paskaljevic. Allerdings geht es nicht nur um Raketenwissenschaft. "Ein Grundverständnis kann sich jeder aneignen", ist Trautmann überzeugt. Sein Tipp: Sich Google Trends anzuschauen. Dort erkenne man Muster, wenn man seine eigene Marke, die Wettbewerber und die typischen Worte rund ums Produkt eingibt. "Das ist wie Lego für Architekten, da brauche ich keinen Harvard Ph.D.", so Trautmann.
Gegen Unwissen und Verunsicherung kämpft auch Google-Manager Hartje. Er ist für die Kontakte zu deutschen Media-Agenturen verantwortlich. Google sieht er dabei als "Sparringspartner", der vermittelt, "wie die technologischen Veränderungen die Geschäftsmodelle von Media- und Kreativagenturen beeinflussen." Manche Ansätze - etwa Programmatic Advertising - sind "noch sehr baukastenmäßig", so Hartje. "Es ist wichtig, dass Kreative das verstehen".
Aus Insights tolle Kampagnen
Dass mit heutigen Daten schon jetzt einzigartige Kampagnen zustande kommen, belegte Trautmann mit den Fallbeispielen Nike und Dove. Nike kreierte für die 100.000 User, die gemessen an ihren per Fuelband oder der App Nike+ übermittelten Laufstrecken am aktivsten sind, jeweils einen eigenen Animationsfilm, der auf persönliche Eigenheiten eingeht. Verantwortlich dafür war die Agentur AKQA. Dove hat dagegen die Twitter-Botschaften von Frauen analysiert. Pro Jahr versenden sie um die 5 Millionen Tweets, in denen sie mit ihrem Äußeren unzufrieden sind. Trauriger Höhepunkt: Die Oscar-Verleihung. Dieses Wissen nutzte Dove für eine Kampagne. Die Marke konterte negative Tweets mit ermutigenden Botschaften unter dem Hashtag #SpeakBeautiful. "So entstehen aus Insights tolle Ideen", bilanzierte Trautmann. "Brand Advertising wird seine Bedeutung bewahren."
Nach wie vor haben automatisierte Programme allerdings ihre Grenzen. "Das kann kein Computer", so Trautmann, und bezog sich auf die bekannte Realtime-Aktion des Keksherstellers Oreo und seine prompte Twitter-Reaktion auf einen Stromausfall ("You can dunk it in the dark").
Was wird in Zukunft relevant? Content Marketing, kreative Werbemittel, Mobile, Local, smarte Fernseher, meint Paskaljevic und wiederholte seinen Appell zur Zusammenarbeit: "Diese neue Komplexität können wir nur gemeinsam bewältigen." Gerade in Deutschland ist dafür noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. "Ich wünsche mir mehr Kunden, die 'Ja, und' sagen statt 'Ja, aber'," so Google-Manager Hartje.
Das leidige Thema Adblocker
Was könnte die rosigen Zukunftsaussichten zerstören? Wenn die Branche die Fehler der Display-Werbung wiederholt. "Penetrante Formate, so dass Leute das Kotzen kriegen", ärgern Trautmann. "Die Menschen dürfen gar nicht auf die Idee kommen, Ad Blocker zu installieren." Abwehr könnte sich auch entwickeln, wenn zu viele Daten ausgelesen und verarbeitet werden. Etwa wenn man im Schlafzimmer eine Botschaft "mit freundlichen Grüßen von Viagra" bekomme, die Tipps für ein längeres Vergnügen beim Sex enthält. "Wir alle haben Mitschuld." Abhilfe schaffen können deshalb nur die Kreativen selbst durch gute Cases.
Gegen ausufernden Daten-Wahn sprach sich auch Hartje aus. Mit Beispielen total vernetzter Küchen beispielsweise schüre man Ängste. Sein Appell sei daher: "Analysieren Sie erstmal die Daten, die auf ihrer Website passieren!"
Das Publikum lauschte aufmerksam der Diskussion und machte sich seinen eigenen Reim auf das Thema:
Datenbasierte Werbung nicht überdrehen, sonst droht Display Effekt. Right. Wie bei Target wo sich Schwangere gestalkt fühlten. #dday16
— Christian Clawien (@Clawier) 28. Januar 2016
"Wir müssen alle kreativer werden", so @zoja_sagt @ #dday16 w @MTrautmann, @RalphPfister und Nils Hartje von @GoogleDE. "Data vs. Kreation"
— Ben Krischke (@KrischkeBen) 28. Januar 2016
#dday16 "die Daten , die ich über die API von Facebook bekomme, sind Gold" @zoja_sagt
— Christian Faltin (@cfaltin) 28. Januar 2016
Die Bildergalereie zum W&V Data Marketing Day finden Sie hier im Netz.