Interview:
Ogilvy-Magazin: Stephan Vogels Ode an Print
Vor kurzem ist die vierte Ausgabe des Ogilvy-Magazins "How To" erschienen: Ein Gespräch mit Kreativchef Stephan Vogel über Haptik, Themenführerschaft und Eitelkeit. Und darüber, warum sich die Agentur ganz bewusst gegen ein Onlinemagazin entschieden hat.
Vor kurzem ist die vierte Ausgabe des Ogilvy-Magazins "How To" erschienen. Mit dem aufwändig produzierten Heft will die Agentur bestehende Kunden enger an sich binden und potenzielle Neukunden neugierig machen. Dass damit auch Kreativpreise gewonnen werden, ist mehr als ein erfreulicher Nebenaspekt. W&V-Interview mit Ogilvy-Kreativchef Stephan Vogel.
Herr Vogel, wie kommt man als moderne Agentur dazu, im digitalen Zeitalter ein gefühlt ein Kilogramm schweres und aufwändig gestyltes und produziertes Printprodukt zu machen?
Es gibt bestimmte Ideen und Inhalte, die werden nur durch die Buchform der Vergessenheit entrissen. Es sind wertige Gedanken, nicht nur Infomations-Chewing-Gum, der kurz konsumiert und wieder ausgespuckt wird, sondern Inhalte, die man auch noch in zwei oder fünf Jahren lesen will. Das verdient eine beständigere Form. Das Digitale ist modern, schnell, aber auch ein riesiger Informationsstrom, wo man kurz oben ist, dann aber wieder abtaucht.
Aber was einmal Online war, wird nicht mehr vergessen, kann nicht in Regalen verstauben und in Umzugskisten vergraben bleiben.
Fakt ist aber: Das haptische Erlebnis eines echten Buches ist durch keine digitale Variante zu ersetzen. Wir haben darüber diskutiert, ob wir ein Onlinemagazin machen wollen, haben uns dann aber bewusst dagegen entschieden.
Welchen Zweck erfüllt "How To"? Pflegt man damit die eigene Eitelkeit? Hat man so etwas Nettes, um es bei Kreativwettbewerben einzureichen?
Ja, es gibt immer Ausgaben, die ADC-Nägel oder One-Show-Pencils gewonnen haben. Mit dem Heft kommen wir auch immer wieder in das 'Best of Ogilvy'. Aber das ist nicht der Hauptzweck. Es geht uns um die Themenführerschaft in wichtigen Bereichen. Das ist jetzt so, und das war von Anfang an so. Das erste Magazin handelte von 'The Consumer is a Cat', also um ein anderes Konsumentenverständnis. Ausgabe zwei stellte die These auf, das 360-Grad-Werbung tot ist. In Heft drei thematisierten wir Risiko. Darin haben wir kritisiert, dass Marketingabteilungen und ihre Mitarbeiter zu risikoscheu sind und alles daran setzten, ja nicht zu scheitern. Deshalb ist die kreative Power und Experimentierfreude in Deutschland nicht so ausgeprägt, wie sie sein sollte. Im aktuellen 'How To' heißt es 'Stop Advertising. Start Entertaining'. Es geht darum, wie man als Werbungtreibender in einer medialen Welt aus einer bestimmten Markenhaltung heraus zu einem Sender werden kann. Seit Jahrzehnten platzieren die Unternehmen Content oder auch Werbung gegen Bezahlung in den Medien. Aber heute haben Marketer die Chance, selbst ein Medienhaus zu werden und ein Programm zu gestalten, das auch unterhält.
Gutes Thema, zumal Sie ja auch eigene Arbeiten wir Hasenrasen präsentieren können. Inwieweit hat das Heft Credential-Funktion?
Es geht mehr um das Thema als um die Selbstdarstellung. Bei uns kommen sehr viel externe Autoren zu Wort. Professor Marco Hardiman beispielsweise schreibt über den Lego-Kosmos. Markus Andorfer, der selbst mehr als zehn TV-Sender gegründet hat, erklärt, wie man ein Medienhaus aufbaut und die Gaming-Spezialisten Adam Jobst-Pistorius und Bernhard Mogk beschreiben den 'Digitalen Circus Maximus'.
Naja, aber um diese Themen aufzugreifen, braucht es nicht unbedingt einen so großen Aufwand. Also doch auch Eitelkeit?
Nein. Uns ist es wichtig, dass wir vorausdenken und ein, zwei Schritte vor dem Markt sind. Es reicht nicht nur, den Status Quo abzuarbeiten, man muss auch den Fühler in die Zukunft ausstrecken. Aber natürlich ist das Magazin eine Referenz für das Können der Agentur. Und es zeigt, wie wichtig das Thema für uns ist.
Wie hoch ist Auflage und wer bekommt "How To"?
Es werden 6000 Hefte gedruckt. Wir verschicken sie an alle unsere Kunden und an potenzielle Auftraggeber. Uns ist es wichtig, dass das Magazin eine möglichst hohe Verbreitung hat. Wir haben vor acht Jahren damit angefangen. In Gedanken sitzen wir bereits an der nächsten Ausgabe.
"How To" ist also zunächst ein Kundenbindungsinstrument. Und eines, um neue Kunden zu finden. Telefonieren Sie dann nach oder suchen Sie anderweitig den Dialog?
(Lacht) Schon Lothar Leonhard hat gesagt: Ogilvy geht nicht Klinken putzen, wir putzen unser Schild. Nein, wir rufen nicht danach Leute an. Aber wir reagieren, wenn es jemand will. Wir bekommen viele Zuschriften. Insofern ist das Heft eine Dialogbasis und auch ein Akquiseinstrument.
Ein Heft kostet 29 Euro. Wie viele Exemplare verkaufen Sie denn?
Diesmal haben wir knapp 3000 Hefte verschickt, die andere Hälfte haben wir noch. Sollte es uns gelingen, sie zu verkaufen, dann decken wir damit die Kosten. Das ganze Projekt liegt p.a. bei 30 000 Euro, das ist ein kleiner, vernünftiger Werbeetat für eine große integrierte Agenturgruppe. Wir kommen mit 'How To' alle zwei Jahre heraus. Das ist der Zeitraum, in dem neue große Themen auf den Markt kommen, die wir dann aufgreifen können.
Wer hatte die Idee dazu?
Wir hier in Frankfurt.
Und legt den Inhalt fest?
Den Inhalt in Heft 4 habe ich festgelegt. Ich bilde dann einen Redaktionsstab, in dem unsere PR-Chefin und unser Head of Design vertreten sind, aber auch Kollegen aus der Social-Media-Abteilung, der Strategie und der Kreation. Wir besprechen gemeinsam, welche Themen und Autoren in Frage kommen. Ich wollte eine gute Mischung zwischen akademischen und mehr praxisorientierten Beiträgen. Im Grund soll es Handlungswissen sein.
Interview: Peter Hammer