Nur damit die allwissende Stiftung Warentest in einem einzigen Tag alles zunichtemacht? Weil sie tausend verschiedene Produkte durch den Testwolf dreht und am Ende den Brei in ein Standard-Raster packt. Ist natürlich auch gut für die Auflage, wenn am Schluss eine bekannte Marke am Pranger steht. Dabei geht es doch nur um eine einzige Sorte. Und der fragliche Aromastoff steht nicht einmal im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Strittig ist doch nur, ob er aus einer Pflanze gepresst oder im Labor aus seinen Bestandteilen zusammengebaut wird. Was für ein Luxusproblem.

Ja, ich habe jedes Verständnis für die Empörung von Herrn Ritter. Aber als Agentur-Kommunikator möchte ich ihm am liebsten zurufen: „Tu‘s nicht!“ Aber er tut es doch. Denn was das Unternehmen mutmaßlich durchläuft, ist ein Musterbeispiel für „Die fünf Phasen schlechter Krisenkommunikation“:

Phase 1: Nichtwahrhabenwollen (ist schon abgeschlossen):Erst wird geleugnet. Dennoch scheint Hoffnung zu bestehen, dass alles nur ein Missverständnis ist: Der Fehler wird beim Testlabor gesucht. Messungenauigkeit? Vertauschte Proben? Es wird verglichen, nachgemessen, konferiert. Was in dieser Phase noch nicht stattfindet: Selbstreflexion, kritische Fehleranalyse. Dabei zählt gerade in dieser frühen Phase jede Sekunde: Je schneller das Unternehmen die „Warum-gerade-wir-Phase“ abschließt und sich den Fakten zuwendet, desto mehr Handlungsoptionen bleiben. Wartet es ein paar Stunden zu lange, diktieren andere die nächsten Schritte.

Phase 2: Zorn (läuft noch). Hat sich herausgestellt, dass der Vorwurf nicht in wenigen Minuten entkräftet ist, blasen Unternehmen gern zum öffentlichen Gegenangriff: Lieferanten beschuldigen, Medien schelten, juristische Schritte androhen – selbst wenn die rechtlichen Grundlagen fehlen. Einziger Effekt: Jetzt wird auch der letzte bildungsferne Konsument auf die Vorwürfe aufmerksam. Auch wenn’s weh tut: Unbedingt gute Miene machen, Ursachen erforschen und alle Beteiligten in die Aufklärung einbinden. Das nimmt die Hälfte des Drucks aus der Krise. Für eine Abrechnung ist hinterher noch genug Zeit.

Phase 3: Verhandeln (kommt noch). Sind die juristischen Mittel ausgeschöpft, werden die Töne versöhnlicher. Jetzt versuchen Unternehmen „under fire“, die Vorwürfe durch jedwede Zertifikate, Siegel, DIN ISO Normen und Dankschreiben vom Kleintierzüchterverein zu entkräften. Größere Unternehmen schalten dann auch ganzseitige Image-Anzeigen oder bunte Advertorials. Dort kommen dann auffällig häufig die Wörter „Vertrauen“ und „Transparenz“ vor. Löst aber leider das Problem überhaupt nicht. Wichtiger ist es in dieser Phase, gemeinsam mit den Kritikern Sofortmaßnahmen und Lösungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Sonst wird die Krise nur verschleppt.

Phase 4: Depression (hoffentlich doch nicht). Einige Wochen nach der akuten Krise herrscht eisiges Schweigen. Über „den blöden Test“ wird nur noch im Flüsterton gesprochen. Stattdessen warten alle gespannt auf die neuesten Marktforschungsdaten. Parole: „Wird schon nicht so schlimm werden.“ Wird es aber doch. Und eines ist sicher: Das Internet vergisst nichts! Deshalb muss auch im Unternehmen offen gesprochen werden. Vor allem geht es darum, ein Wiederaufflammen zu verhindern, wenn nötig durch strukturelle oder personelle Maßnahmen.

Phase 5: Akzeptanz (hoffentlich). Noch lange nicht das Ziel, aber ein wichtiger Schritt. Wenn ein Unternehmen die unvermeidliche Tatsache anerkennt, dass es auch Zugeständnisse machen muss, besteht die Chance, aus der Studie-Gegenstudie-Spirale herauszukommen. Die souveräne Haltung entscheidet über den Erfolg, nicht die Maßnahme. Nur so kann eine langfristige Kommunikationsstrategie umgesetzt werden, die den angerichteten Image-Schaden langfristig repariert.

Frustrierend für Agenturen dabei: Sie können ihre Kunden nur durch die ersten drei Phasen führen. Sie müssen analysieren, moderieren, den Schaden begrenzen. Aber sobald der Kunde in Depression fällt, können sie ihn nur noch begleiten. Den Weg aus dem Zustand des latenten Beleidigtseins müssen Geschäftsführung und Kommunikationsverantwortliche ganz alleine finden – und der Kurswechsel muss Konsens sein. Sonst bekommt jede Kommunikationsagentur, die diesen unvermeidlichen Weg aufzeigt, mit Sicherheit mächtig auf die Nüsse.

Ritter Sport muss sich aber nicht grämen. Die Marke hat längst noch genug emotionalen Dispo-Kredit bei Millionen Fans. Nur ist auch der irgendwann aufgebraucht, wenn Kommunikationskrisen nicht mutiger und flexibler gemanagt werden.