Wie ist der Medienhype, der jetzt um "Juliensblog" entsteht, zu beurteilen? Ist der gerechtfertigt?

Die Reaktion, die jetzt hochkocht, hat mich ein bisschen überrascht. "JuliensBlog" gibt es nicht erst seit gestern, er gehört ja zu den Top 20 der meistabonnierten Youtuber in Deutschland. Er hat, wie gesagt, schon viele fragwürdige Sachen gemacht – und zwar jede Woche. Dass er jetzt so viel Aufmerksamkeit bekommt, liegt wahrscheinlich an dem Thema der deutschen Vergangenheit. Die Debatte ist aber überfällig und hätte früher kommen sollen: Die Frage ist ja, wie man mit Meinungsmachern wie "JuliensBlog" umgeht. Es gibt schließlich einen schmalen Grat zwischen Humor und Hasstirade.

Sie fördern mit der European Web Video Academy und der Film- und Medienstiftung NRW junge Youtube-Talente. Wie würden Sie dort mit einem Fall á la „Juliensblog“ umgehen?

Bei unserem gemeinsamen Förderprogramm handelt es sich um einen Fördervertrag, der Richtlinien wie den Jugendschutz vorschreibt. Das, was "JuliensBlog" macht, hätte bei uns null Platz. Nach rechtlicher Prüfung würden wir den Vertrag in so einem Fall sofort auflösen. Wir haben "JuliensBlog" übrigens schon auf die schwarze Liste des Deutschen Webvideopreises gesetzt – er ist kein Kandidat, der bei uns einen Preis gewinnen könnte. Seine Inhalte verstoßen gegen das Statut der Academy.

Wie typisch ist der Fall eigentlich für die deutsche Szene? Geht die Youtube-Gemeinde vielleicht einen entgegengesetzten Weg zum Privatfernsehen, das nach seinen wilden Anfangsjahren ja deutlich zahmer geworden ist?

99,9 Prozent der Youtuber ticken anders- auch wenn es ein paar schwarze Schafe gibt. Aktuell macht die deutsche Youtube-Szene eine ähnliche Entwicklung wie das Privat-TV durch: Am Anfang war alles anarchistisch, man hat sich ausgetobt und Grenzen ausgetestet. Dann kam aber die Konsolidierung und der Code of Conduct. Der Markt bildet sich mit zunehmend professionelleren Strukturen neu aus.

In dieser Entwicklung haben sicher auch die Marken eine interessante Rolle gespielt: Wer wirbt da eigentlich? Der Fall "JuliensBlog" sollte da ein längst überflüssiges Memo an die Medienplaner sein, die oft gar nicht wissen, wo ihre Werbung läuft: Schaut mal nach, wo ihr schaltet, und ob ihr das so toll findet.

* Markus Hündgen ist Geschäftsführender Gesellschafter der European Web Video Academy (EWVA) und Gründer des Deutschen Webvideopreises. Er gilt als einer der besten Kenner der deutschen Bewegtbild-Szene. Im Netz ist er auch als "Videopunk" bekannt.