"Es kommt sehr häufig vor, dass Unternehmen mit Social Media einfach mal loslegen. Aber mit wachsender Relevanz bekommt man nicht nur generell mehr Aufmerksamkeit, sondern man wird auch immer mehr beäugt, ob die immer erfolgreicheren Social-Media-Aktivitäten denn rechtlich auch sauber sind."

Zitat: Sebastian Deubelli


Unkenntnis schützt nicht vor Strafe. Heißt das angesichts der zig Bedingungen und Fallstricke, dass man bei Social Media künftig am besten ein Jurastudium mitbringen müsste, aber zumindest alles anwaltlich abklären lassen sollte? Bleiben da nicht Schnelllebigkeit und Spontanität, die für Social Media so essentiell sind, auf der Strecke?

Sebastian Deubelli: Will man wirklich alles oder zumindest so viel wie möglich richtigmachen, wird man am eigenen Jurastudium wohl kaum vorbeikommen. Aber mal ehrlich: Wahrscheinlich wird es morgen irgendeinen neuen juristischen Fallstrick geben, über den man stolpert und den bislang niemand auf der Uhr hatte. Vor der ersten Abmahnung wegen unterbliebener Werbekennzeichnung gab es auch hier Rechtsprechung und Gesetzgebung. Aber damit gerechnet, dass dieses Thema solche Fahrt in den sozialen Netzwerken hat, wohl auch in Anwaltskreisen so gut wie niemand.

Was ist Ihre Empfehlung?

Sebastian Deubelli: Ich rate dazu, dass man sich einen Überblick über die wichtigsten rechtlichen Aspekte verschaffen sollte und vor allem immer wieder dafür sorgen muss, dass man nicht nur zu technischen Themen, sondern eben auch zu dem, was sich juristisch in den sozialen Netzwerken tut, ein wenig auf dem Laufenden bleibt. Ein gutes Bauchgefühl, ob das, was man da gerade plant, rechtlich in Ordnung ist, ist meiner Meinung nach wesentlich sinnvoller, als der Wunsch danach, nur Dinge zu posten, die wirklich zu 100 Prozent rechtlich korrekt sind. Gerade in den sozialen Netzwerken ist man häufig in einem riskanten Graubereich und wenn man ein wenig Ahnung davon hat, wie dort die Chancen und Risiken aussehen, muss das nicht unbedingt etwas Schlechtes sein.

Social Media lebt ja vor allem von Bildern und Videos. Gerade hier kann man rechtlich gesehen viel falsch machen. Was sind wesentliche Punkte, die man für seinen Business-Account berücksichtigen muss?

Sebastian Deubelli: Das zentrale Bildrecht ist mit Sicherheit das Urheberrecht an Bildern und Videos. Dabei ist zu beachten, dass ich vom “Schöpfer“, also dem Fotografen oder Filmer, die ausreichende Genehmigung benötige, dass ich sein Werk in der konkreten Form verwenden darf. Diese muss ich nicht schriftlich haben, ich könnte sie mir auch mündlich geben lassen. Gerade im unternehmerischen Bereich empfiehlt sich aber eine gewisse Nachvollziehbarkeit, sodass man sich überlegen sollte, wie man die verschiedenen Genehmigungen für seine Posts nachvollziehbar und beweisbar dokumentiert. Wenn es wirklich schriftlich zu aufwändig sein sollte, wäre meiner Ansicht nach auch eine Vereinbarung auf dem Mail-Weg noch akzeptabel.

Was steht noch auf der To-Do-Liste?

Sebastian Deubelli: Neben dem grundsätzlichen Einverständnis des Urhebers ist auch der Umfang dieser Erklärung ein wichtiges Thema. Hier sollte man darauf achten, dass man sich wirklich alles, was man mit dem Content anstellen möchte, genehmigen lässt und dabei so konkret wir möglich ist. Kommen beispielsweise Nutzungen eines erstellten Videos auf der eigenen Website, den eigenen Social-Media-Kanälen und in Drittmedien im Rahmen von Presseberichten in Betracht, wäre es gut, sich auch genau dafür die Nutzungsrechte am Urheberrecht einzuholen. Je allgemeiner man hier bleibt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass in einem hoffentlich nicht eintretenden, aber nie auszuschließenden Rechtsstreit von Seiten der Juristen ausgelegt werden muss, welche Rechte denn nun genau übertragen wurden. Das ist immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Daneben sollte man darauf achten, dass alles und jeder, der auf einem Bild oder in einem Video abgebildet wird, eine rechtliche Position innehaben kann, die ebenfalls im oben geschilderten Umfang geklärt werden sollte. Als Beispiele können hier erkennbare Personen, Designgegenstände, Unternehmenslogos oder andere Fotos dienen, die im Rahmen des eigenen Contents auftauchen.

Sie hatten soeben bereits die Pflicht zur Kennzeichnung von werblichen Inhalten angesprochen – ein weiteres Damoklesschwert für Unternehmen. Wie erleben Sie da den Umgang in der Praxis?

Sebastian Deubelli: Hier erleben wir vom völligen Ignorieren der damit zusammenhängenden Abmahnwelle aus dem vergangenen Jahr bis hin zur leider gängigen Praxis, einfach alles als Werbung zu kennzeichnen, die komplette Bandbreite. Gerade letzteres sehe ich mit ein wenig Sorge, da der Verbraucher, der ja eigentlich mit der Werbekennzeichnung aufgeklärt und geschützt werden soll, bei der durchgehenden Kennzeichnung auch nicht-werblicher Posts genau so schlau ist, als würde man die Kennzeichnung weglassen.

Die Angst, abgemahnt zu werden, scheint zu überwiegen …

Sebastian Deubelli: Ja. Ich erlebe aber auch, dass sich die Rechtsprechung langsam zu drehen scheint und der Verband Sozialer Wettbewerb, auf den zumindest die meisten Abmahnungen zurückzuführen sind, die mir vorliegen, nach und nach auch gerichtlich in die Schranken gewiesen wird und längst nicht mehr jede beantragte einstweilige Verfügung von den Gerichten durchgewunken wird. Es bleibt daher zu hoffen, dass wir bis Ende des Jahres eine detailliertere und meiner Ansicht nach auch nachvollziehbarere Rechtsprechung vorliegen haben, die es den Unternehmen auch ermöglicht, die Werbekennzeichnung so vorzunehmen, wie sie eigentlich gedacht war und ist.

Sich rechtlich abzusichern ist das eine. Aber Social Media und erst recht deren Protagonisten müssen chillig, fresh, cool sein. Das verträgt sich doch gar nicht mit schwerfälligen ellenlangen Verträgen…

Sebastian Deubelli: Wer sagt, dass Verträge nicht fresh und cool sein können? Aber im Ernst, alleine die Tatsache, dass überhaupt Anwälte in diesem Bereich involviert sind, zeigt, wie sich dieser Markt professionalisiert hat. Wir gestalten mittlerweile Verträge für den Einsatz von Influencern, begleiten einzelne Social-Media-Kampagnen von Unternehmen und sorgen dafür, dass unsere Mandanten, wenn es zum Streit kommen sollte, alle Unterlagen zur Hand haben, die nötig sind, um größeren Ärger abzuwenden. Sieht man sich die Budgets an, die Unternehmen hierfür aufwenden, ist auch klar, dass die Bedeutung des Social-Media-Marketings nicht mehr hinter den „klassischen“ Tools zurücksteht. Die rechtlichen Themen sind häufig dieselben, sodass es eigentlich logisch ist, dass die Unternehmen auch hier ihre Hausaufgaben machen sollten. Meiner Ansicht nach gehört es immer mehr zum Alltag, auch Deals, die Berührpunkte mit den sozialen Netzwerken haben, ganz „old school“ mit einem Vertrag zu besiegeln.


"Die Bedeutung des Social-Media-Marketings steht nicht mehr hinter den 'klassischen' Tools zurück. Die rechtlichen Themen sind häufig dieselben, sodass es eigentlich logisch ist, dass die Unternehmen auch hier ihre Hausaufgaben machen sollten."

Zitat: Sebastian Deubelli


Noch eine Frage, ohne die wir Sie als Anwalt nicht gehen lassen können: Nichts soll das Digitalgeschäft derzeit so beeinflussen wie die EU-Datenschutzgrundverordnung, kurz DSGVO – wie ist Ihre Zwischenbilanz?

Sebastian Deubelli: Meiner Ansicht nach wurde kein juristisches Thema so sehr gepusht wie die DSGVO und ihre Umsetzung beziehungsweise Umsetzbarkeit. Im Sinne einer Bestandsaufnahme würde ich sagen, dass wir bislang ausschließlich Beratungsmandate verbuchen können, soll heißen, dass bislang noch nicht wirklich „etwas passiert“ ist. Nun machen aber immerhin schon die ersten Bußgelder Schule, was natürlich zunächst für die Betroffenen nicht sonderlich schön ist. Allerdings wird das dazu führen, dass wir endlich die Möglichkeit haben werden, Rechtsprechung zu bekommen und die bisher schwer auslegbaren Vorschriften der DSGVO besser zu verstehen.

 

Eine Vielzahl an rechtlichen Vorgaben sind die Kehrseite von hippen Social-Media-Aktivitäten. Nur zu schnell kann man eine Abmahnung kassieren, denn Unkenntnis schützt auch hier nicht vor Strafe. Ein gutes Bauchgefühl, was machbar ist, sei zwar allemal besser, als vor lauter Panik nichts zu wagen, meint Rechtsanwalt Sebastian Deubelli. Doch der Social-Media-Experte empfiehlt Unternehmen, sich zumindest einen Überblick über die wichtigsten Regeln zu verschaffen. Zusammen mit Sebastian Deubelli hat W&V den "W&V Report Rechts-Check Social Media" erstellt. Hier haben wir für Sie alle wichtigen Aspekte zusammengestellt, die Sie beachten müssen, um sich rechtssicher in den sozialen Medien zu bewegen.


Autor: Christiane Treckmann

Christiane Treckmann ist Mitglied der W&V Redaktion. Ihre Interessen: das Spannungsfeld von Menschen, Marken und Medien - analog und insbesondere digital. Daher liegen ihr besonders Themen rund um Markenstrategien, Mediaplanung, Nachhaltigkeit, KI - und die Menschen dahinter am Herzen. Christiane ist zudem regelmäßige Moderatorin der W&V Webinare.