Chester erklärte, dass die Interessengruppen gleichgesinnte Organisationen in Europa ermuntern wollen, ähnliche Klagen anzustrengen, wo Unternehmen wie Google und Youtube harte Strafen drohten. Gerade angesichts neuer Regulierungen wie der E-Privacy-Verordnung und der aktuellen Debatte um die Datensicherheit bei Facebook könnte das die Digitalwirtschaft empfindlich treffen.

Datenschutzrichtlinien versus Werbeumfeld

Youtube verweist darauf, dass die Plattform für Nutzer ab 13 Jahren sei, für Kinder sei Youtube Kids da. Die Unterscheidung ist relevant, weil der Besuch von Seiten, die sich klar an Unter-13-Jährige wenden und Nutzerdaten erheben, die elterliche Zustimmung erfordert. Das legt in den USA das Gesetz zum Schutz der Privatsphäre von Kindern, der Children’s Online Privacy Protection Act, seit 1998 fest. Er wurde 2012 auf Mobilgeräte erweitert. Ohne das Einverständnis der Eltern dürfen Unternehmen keine Daten sammeln, die Rückschlüsse auf die Identität, die Kontaktdaten oder den Aufenthaltsort von Kindern zulassen. Das umfasst auf Fotos, Video- und Audiodateien und GPS-Daten.

Youtube Kids, gut und schön. Die Interessenvertreter erläutern aber in ihrer Klageschrift, dass Youtube auf seiner regulären Seite dennoch in der Lage sei, Nutzerdaten von Unter-13-Jährigen zu sammeln - denn hier werden Zeichentrickfilme, Kinderlieder und Spielzeug-Unboxing-Clips angeboten, die mehrere Millionen Mal aufgerufen werden. Auch von Kindern. Angela Campbell, Beraterin der Kläger, fordert aufgrund der Datenschutzverletzung und der großen Zahl betroffener Kinder hohe Strafen, die den Ernst des Kinderschutzes im Netz deutlich machen.

Raus mit den Cartoons

Die Nutzungsbedingungen von Youtube verlangen die Bestätigung, dass der Nutzer älter ist als 13 und die Sammlung und Auswertung seiner Daten für Werbezwecke durch Google akzeptiert. Inklusive Gerätedaten, Aufenthaltsort, Surfgewohnheiten, Telefonnummer. Davor, so fordern die Verbraucherschützer, müsse die Zustimmung der Eltern erfolgen. Vor allem bei ausgesteuerter Werbung. Die Kids-App beispielsweise schließe Werbung auf Basis von Nutzerinteressen aus.

Josh Golin von der Organisation für eine werbefreie Kindheit CCFC hält dagegen, Youtube stelle aktiv Inhalte für Unter-13-Jährige auf seiner Haupt-Präsenz als Werbeumfeld bereit. Die Interessenverbände untermauern das etwa mit dem Screenshot von Barbie-Spots, die in Kindervideos platziert wurden. Darüber hinaus führen sie eine Reihe von Kinder-Kanälen auf, die unter den Top-Empfehlungen auf der Youtube-Startseite gezeigt werden und als Werbeumfelder geschaffen wurden. Da die Listen der Top-Kanäle unter "Google Preferred" laut Angaben von Youtube von Menschen bestückt werden, sehen die Verbraucherschützer das als Beweis dafür, dass die Google-Mitarbeiter "wissen, dass diese Inhalte sich an Kidner wenden".

Golin sagte, Youtube sei sich dessen bewusst, dass es Daten von Kindern mithilfe dieser Videos sammle und monetarisiere. Er verlangt, dass alle Kindervideos komplett in die Kids-App umziehen.

Kinder erobern erwachsene Angebote

Dylan Collins, Geschäftsführer von Super Awesome, Technikanbieter für Daten- und Kinderschutz, geht laut New York Times davon aus, dass das Thema Schutz der Daten von Kindern an Bedeutung noch gewinnen wird, je mehr Kinder die Tech-Plattformen eroberten, die einst für Erwachsene entwickelt wurden. "Das Silicon Valley muss sich überlegen, wie es sich von Erwachsenen-Technik- zum Kinder-Tech-Anbieter weiterentwickelt. Ich glaube nicht, dass irgendeins dieser Unternehmen, sei es Facebook, Youtube oder Snapchat, ignorieren kann, dass heute rund 10-mal mehr Kinder auf seinen Plattformen sind als vor sechs oder sieben Jahren, als die Produkte entwickelt wurden", sagt Collins.

Kinder sind für Werbungtreibende eine wichtige Zielgruppe, ebenso deren Eltern. Da gerade Youtube als Kanal für Kurzclips und Zeichentrickfilme für Zwischendurch in viele Familien das Fernsehen ergänzt oder sogar ablöst, könnte eine erfolgreiche Klage in den USA für den Digitalmarkt eine erhebliche Herausforderung bedeuten. (sh/nyt)


Autor: Susanne Herrmann

schreibt als freie Autorin für W&V. Die Lieblingsthemen von @DieRedakteurin reichen von abenteuerlustigen Gründern über Medien und Super Bowl bis Streaming. Marketinggeschichten und außergewöhnliche Werbekampagnen dürfen aber nicht zu kurz kommen.