Der Erfolg Deines Vorhabens begründet sich auf vielen Faktoren. Ein ganz entscheidender Faktor: Dein Mindset. Gründest Du mit einem Startup-Mindset? Oder: Gründest Du ein Unternehmen?

Das Startup-Mindset

Viel "geiler": Das Startup-Mindset. Schnell eine möglichst große Summe Geld von Investoren einsammeln, ebenso schnell wachsen und skalieren, immer mit dem Exit-Szenario - und damit dem persönlichen Reichtum - vor Augen.

In dem einen Satz steckt schon so viel an falscher Ideologie und Realitätsferne, dass einem ordentlich schlecht werden kann. Aber sezieren wir Ihn mal - Stück für Stück.

1. "Schnell eine möglichst große Summe Geld von Investoren einsammeln"

Schnell sammelt sich - entgegen der populären Darstellung am "Frontend" der Höhle der Löwen - eine Investitionssumme in der Regel nicht ein. Was eigentlich jedem, der auch nur 5 Minuten drüber nachdenkt klar sein sollte.

Wieso sollteein Dir vollkommen Fremder auf der Basis von ein paar Slides und einem Glaskugel-Businessplan in wenigen Minuten / nach nur einem Meeting die Entscheidung treffen Dir eine minimum sechsstellige Summe zu überlassen? Solche Entscheidungsprozesse dauern in der Regel Wochen, wenn nicht Monate und sollten von beiden Seiten gut überlegt sein.

Denn: Es gibt nichts Schlimmeres als Geld von Investoren einzusammeln, ohne sich vorher auf beiden Seiten und im Detail über die Erwartungen ausgetauscht zu haben. Sonst wird der Traum vom vielen Geld schnell zum Albtraum, da sich im schlimmsten Fall Umsatz und Gewinn nicht so entwickeln wie (dann nur implizit) erhofft oder der Investor den Schwerpunkt des Einsatzes der finanziellen Mittel eben doch ganz gerne woanders gesehen hätte als Du selbst (Von Stardesignern und Innenarchitekten ausgestattete Räume gehören übrigens eher selten dazu).

Klar sollte Dir auch sein: Egal wieviele Anteile Deines Unternehmens Du formal hergibst, egal ob es 5 Prozent sind oder 25,1 Prozent, in der Praxis verschiebt sich das Machtgefüge unter den Gesellschaftern zugunsten des Investors.

Es wäre also

a) nicht schlecht wenn Du auch persönlich mit diesem ganz gut klar kommst und

b) dringend notwendig, dass Eure Vorstellungen zur zukünftigen Ausrichtung des Startups ungefähr deckungsgleich sind.

Sonst hast Du gleich das nächste Problem am Hals.

Bedeutet: Geld sammelt man nicht ein um damit zu protzen, wieviel Geld man eingesammelt hat. Geld sammelt man ein um ein Unternehmen wohlüberlegt und - falls notwendig - gemeinsam mit einem Investor für die Zukunft aufzustellen.

2. "Ebenso schnell wachsen und skalieren"

Zu schnelles Wachstum tut weh. Das gilt nicht nur Babys und Kleinkinder, sondern auch für Unternehmen. Auch wenn Geld die formale Voraussetzung für Wachstum darstellt (Du kannst Räume mieten, Kollegen anstellen, etc.) ist es doch keine hinreichende Bedingung: Strukturloses Wachstum artet schneller in heftigem Chaos und damit in Schmerzen aus, als Du Dir vielleicht vorstellen kannst. Und wenn Du nicht gerade auf SM stehst, kann das schnell zu schlaflosen Nächten und der Frage führen, warum Du Dir das eigentlich alles angetan hast.

Das Gute daran: Wenn Du eh schon nicht mehr schlafen kannst, kannst Du die Zeit wenigstens nutzen um an Deinem Produkt/Service zu arbeiten denn

a) kommst Du tagsüber nicht dazu (Du versuchst stattdessen Strukturen und Prozesse zu stricken und das Chaos irgendwie in den Griff zu bekommen) und

b) war Dein Produkt/Service zum Zeitpunkt des Investments ja eh nur ein wertloses Stück Papier. Viel Spaß dabei ;-).

Bedeutet: Schnelles Wachstum kann essentiell sein. Zu schnelles Wachstum ist hingegen eine Katastrophe. Viel Geld, unüberlegt eingesetzt, führt direkt in dieselbe.

3. "Immer mit dem Exit-Szenario - und damit dem persönlichen Reichtum - vor Augen"

Du gründest Dein Startup um in 5 Jahren beim Börsengang / beim Verkauf an Google / beim Verkauf an *setze einen anderen beliebigen Player ein* dick Kohle zu machen und ab Jahr 6 dann Deine Zeit zwischen Parties und Deinen eigenen Investments zu verbringen? In dem Fall: Einfach nach oben scrollen und meinem Vorschlag zu Beginn des Artikels folgen. Denn hier ist die gleich x-fache Krux:

Die Chance, dass Du mit Deinem Startup mehr als ein paar Jahre überlebst, ist schon klein. Die Chance, dass Du damit reich wirst, ist noch kleiner.

Wenn Du das weißt, wird die Hoffnung auf Reichtum nicht ausreichen, um die ersten Jahre Deiner Neugründung zu überstehen. Wie so oft, gilt auch hier: Eine intrinsische Motivation ("Ich möchte etwas Neues schaffen") schlägt die extrinsische Motivation "Geld" um Längen. Wenn Geld Dein primäres Motiv ist, wird Dir lange bevor Du evtl. die Chance auf wirklich viel Geld hast, die Luft ausgehen.

Reich wird nur, wer teuer verkauft. Wenn Dein Fokus aber gleich zu Beginn der Verkauf zum Zeitpunkt X ist, verschiebt sich schnell Dein Fokus: Weg vom potentiell langfristigem Erfolg des Unternehmens, hin zum "Marktobjekt": Du putzt nur an den Ecken, die künftige Käufer interessieren, der Rest gammelt und schimmelt vor sich hin. Und wenn es dann mit dem Verkauf doch nicht klappt? Richtig: Du bist am Arsch. Und mit Dir gleich alle Deine Angestellten und deren Familien, Deine Freelancer und Dienstleister und im Zweifel auch Deine allerersten Geldgeber (Freunde ...).

Bedeutet: Du gründest nicht um reich zu werden. Du gründest um eine Idee zu verwirklichen. Falls Du dann entgegen aller statistischen Wahrscheinlichkeit noch richtig Kohle machst: Glückwunsch.

Was bedeutet das alles? Mach aus dem Startup-Mindset einen Startup-Impetus. Nutze diesen genau dafür: Um zu starten. Sobald zum Gründer(-team) weitere Menschen hinzukommen, fängst Du an ernsthaft Verantwortung zu tragen, baust ein Unternehmen und überlegst Dir ernsthaft, welche stereotypischen Bestandteile des Startups (Innovationsfähigkeit?) dauerhaft Teil Deines Unternehmens sein sollten.

Den ganzen anderen Scheiß vergisst Du einfach. Denn ein Unternehmen besteht nicht aus fancy offices, sondern aus den Menschen, die dafür jeden Tag hart arbeiten.

Der Text von Bastian Scherbeck erschien zuerst auf seiner Facebook-Seite.


Autor: Bastian Scherbeck

Bastian Scherbeck baute den deutschen Ableger der Agentur We Are Social in München und Berlin auf. 2016 wechselte er als Head of Digital Interaction zu Kolle Rebbe nach Hamburg.